Garg: „Wir entlasten Familien von hohen Beiträgen, verbessern Fachkraft-Kind-Schlüssel, vereinfachen Finanzierungssystem“

  • Minister Garg stellt Eckpunkte der Kitareform vor

KIEL, 14.03.19 – Familienminister Heiner Garg stellt heute (14.3.) die Eckpunkte der „Kitareform 2020“ vor…

„Wir entlasten Familien von hohen Beiträgen, verbessern den Fachkraft-Kind-Schlüssel, stärken die Wahlfreiheit für Familien und vereinfachen das Finanzierungssystem. Für die Stärkung der Kitas setzen wir erhebliche zusätzliche Mittel ein. Damit Kinder in Schleswig-Holstein bestmögliche Startchancen haben, unabhängig vom Wohnort. Gute Kitas sind ein Schlüssel für gute Startchancen ins Leben“, so Garg. Die Kitareform wurde in enger Beteiligung mit Landeselternvertretung, Trägerverbänden und Kommunalen Landesverbänden entwickelt. Das Gesetzesvorhaben soll im Frühjahr ins Kabinettsverfahren, im September 2019 ins parlamentarische Verfahren gehen und zum Start des Kitajahrs am 1.8.2020 umgesetzt werden. Die jetzt gemeinsam vorgelegten Eckpunkte beinhalten fundamentale Neuerungen:

  • Stärkung und Entlastung von Familien/ Eltern:
    Beiträge: Bisher gibt es in Schleswig-Holstein für Eltern nicht nachvollziehbar große Unterschiede in der Beitragshöhe und es werden bundesweit die höchsten Elternbeiträge erhoben. „Mit der Reform tragen wir zu Transparenz und Vergleichbarkeit bei und deckeln hohe Kitabeiträge“, betont Garg. Es wird ein landesweit einheitlicher, maximaler Elternbeitrag eingeführt. Dieser „Deckel“ basiert auf einem Höchstbetrag pro Betreuungsstunde. Daraus ergeben sich maximale monatliche Elternbeiträge
  • für einen Halbtagsplatz im Umfang von 5 Stunden täglich von rd. 180 Euro im U3-Bereich und rd. 145 Euro im Ü3-Bereich.
  • für einen Ganztagsplatz im Umfang von 8 Stunden täglich von rd. 288 Euro im U3-Bereich von rd. 233 Euro im Ü3-Bereich

Eltern, die ihre Kinder für 5 Jahre ganztägig in Betreuung geben, wurden bisher nur in den 2 Jahren der U3-Betreuung um 2400 € entlastet (Krippengeld). Im Zuge der Reform steigt die Elternentlastung, auch bei Wegfall des Krippengeldes, auf durchschnittlich 4392 € im Gesamtzeitraum.

Kommunen können selbstverständlich Beiträge auch unterhalb des Deckels festsetzen – bzw. beibehalten bei bereits jetzt darunterliegenden Beiträgen. Für Empfänger von Sozialleistungen (u.a. SGB II, Grundsicherung, Wohngeld, Kinderzuschlag) gilt bereits ab 1.8.2019 durch Bundesrecht eine Beitragsbefreiung für Kitas.

Tagespflege: „Die neue Deckelung wird auch für Tagespflegepersonen gelten. Wir wollen Eltern bei der Wahl der Betreuungsform stärken. Die Tagespflege ist ein wertvoller und dringend benötigter Bestandteil unserer frühkindlichen Betreuung“, so Garg. Erstmalig sollen auch landesweite Mindestsätze für die Vergütung von Tagespflegepersonen festgelegt werden.
Wunsch- und Wahlrecht: Derzeit können Eltern in der Praxis nur eingeschränkt eine Kita außerhalb ihrer Wohngemeinde für die Betreuung ihres Kindes wählen. Grund hierfür ist ein bislang nur begrenzt gewährter interkommunaler Kostenausgleich. Durch die grundlegende Strukturreform des Finanzierungssystems entfällt die Notwendigkeit des interkommunalen Kostenausgleichs im Einzelfall zukünftig. Damit werden Eltern bei entsprechenden Kapazitäten einfacher einen Kitaplatz außerhalb ihrer Wohngemeinde wählen können. „Eltern müssen sich zukünftig nicht mehr rechtfertigen. Dies ist ein Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, so Garg. Standortgemeinden wird weiterhin ein Gemeindekindervorrang ermöglicht. Die Kita-Datenbank wird verbindlich für Kitas und damit das Online-Portal sinnvoll nutzbar für Eltern und Kommunen bei der Bedarfsplanung.

Die Mitwirkungsrechte der Eltern in den Einrichtungen werden gestärkt und erweitert. Die Wahrung der Beteiligungsrechte der Elternvertretung ist zukünftig Voraussetzung für die öffentliche Förderung der Kita.

  • Stärkung der Kita-Qualität und der Erzieherinnen/ Erzieher:
    Erstmalig werden landesweit einheitliche, verbindliche Mindest-Qualitätsstandards festgelegt, die zur Grundlage für die Landesförderung werden: Der Betreuungsschlüssel in der Kindergartengruppe wird von derzeit 1,5 Fachkräften auf neu 2 Fachkräfte bei einer Gruppengröße von regelhaft 20, maximal aber 22 Kindern erhöht. Die sogenannten Verfügungszeiten, die Kitas für Vor- und Nachbereitung nutzen, werden pro Gruppe in Höhe von 5 Stunden pro Woche im Rahmen der Förderung ausfinanziert und erstmalig als verbindlicher Mindeststandard festgeschrieben. Auch für die Freistellung der Kita-Leitungen von der Arbeit in der Gruppe für übergeordnete Tätigkeiten wird ebenfalls erstmals ein verbindlicher Mindestqualitätsstandard geregelt. Zum Beispiel wird in einer dreigruppigen Einrichtung dafür 23,4 Stunden pro Woche vorgeschrieben und finanziert werden. „Mit den Maßnahmen leisten wir einen wichtigen Beitrag dafür, dass Erzieherinnen und Erzieher wieder mehr Zeit für die Kinder haben. Das ist gerade vor dem Hintergrund des enormen Fachkräftebedarfs ein wichtiger Beitrag zur Arbeitszufriedenheit und damit auch zur längeren Verweildauer im Beruf. Nur, wenn der Beruf insgesamt attraktiver wird, entscheiden sich wieder mehr Menschen dafür“, hebt Minister Garg hervor.
  • Entlastung der Kommunen durch Einführung einer verlässlichen Finanzierung:
    Basis aller Neuregelungen ist ein grundlegend neues, transparentes und landesweit einheitliches Finanzierungssystem, das Standard-Qualität-Kosten-Modell (SQKM). Bislang besteht eine Vielzahl von Einzelregelungen, die über die Jahre gewachsen und selbst für Fachleute nur schwer nachvollziehbar ist. Nach dem neuen Modell sollen die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Kreise kreisfreie Städte, Stadt Norderstedt) alle Finanzströme des SQKM bündeln und eine gruppenbezogene Finanzierung der Einrichtungen umsetzen. Die Eltern zahlen ihre Beiträge weiterhin direkt an den Träger. „Mit der Neuregelung wird sich das Land erstmals mit einem verlässlichen Finanzierungsanteil pro betreutem Kind an den Kosten beteiligen. Der Landesbeitrag ist damit automatisch gekoppelt an die Entwicklung der Platzzahlen und der Betreuungszeiten. Die Kostendynamik wird so verlässlich auf mehrere Schultern der öffentlichen Hand verteilt“, erläutert Garg. Ab dem Jahr 2022 wird der Kostenanteil der Gemeinden auf einem prozentualen Anteil am SQKM eingefroren. Zur Umstellung des Finanzierungssystems ist eine Übergangsphase bis Ende 2023 inklusive einer Evaluation vorgesehen. Über die im Standard-Qualitäts-Kosten-Modell hinaus finanzierten Standards können Kommunen natürlich weiterhin vor Ort über die Ausprägung ihrer Kita entscheiden und z.B. ergänzende Angebote oder weitergehende Beitragsermäßigungen finanzieren und umsetzen. Auch die Zusammenarbeit durch Vereinbarungen oder Beiräte bleibt erhalten.

Zusätzlich zu den vereinbarten 135 Millionen Euro für die kommunale Entlastung im Rahmen der Kita-Reform zahlt das Land für ihm obliegende Konnexitätsverpflichtung für die Betreuung unterdreijähriger Kinde in den Jahren 2018 bis 2022 noch einmal 328 Millionen. Euro. Im Jahresvergleich bedeutet das an Landesmitteln etwa 568 Millionen Euro im Jahr 2022 gegenüber rund 245 Millionen Euro im Jahr 2017. „Das Land übernimmt mehr finanzielle Verantwortung als jemals zuvor. Mir ist bewusst, dass damit nicht sofort alle Erwartungen erfüllt werden können. Aber wir schaffen gemeinsam mit den Partnern eine Initialzündung für ein familienfreundlicheres Schleswig-Holstein. Daran werden wir gemeinsam weiterarbeiten“, so Minister Garg abschließend. Eckpunkte, Hintergründe unter:

http://kitareform2020.de

Statements Beteiligte

Axel Briege, 1. Vorsitzender des Vorstandes der Landeselternvertretung Schleswig-Holstein: „Eine gute Etappe ist für die Eltern erreicht, die erste einer insgesamt noch sehr langen Reise hin zum familienfreundlichsten Bundesland Deutschlands. Die Anstrengungen, welche hier gemacht werden, sind gewaltig, mehr als lobenswert und ganz gewiss nicht kleinzureden. Wir möchten allen dafür danken – bewerten und kritisch hinterfragen werden wir aber, was am Ende real vor Ort in den Kitas ankommt. Wir Eltern werden weiterhin jede und jeden konstruktiv und engagiert unterstützen, der uns und unseren Erziehungspartnern hilft, partei- und grenzübergreifend! Wenn allerdings dem politischen Willen – gerade auch beim Bund – die schwarze Null wichtiger ist, als die Ausbildung unserer Kinder, und das zu Zeiten von 0 Prozentzinsen und einer volkswirtschaftlichen Rendite der frühkindlichen Bildung von 11,8 Prozent, so können wir nur sehr deutlich mit Wilhelm Busch sagen: „…, so irrt sich der!“

Michael Selck, Landesgeschäftsführer der AWO und stellvertretender Vorsitzender der LAG: „Die Landes-Arbeitsgemeinschaft der feien Wohlfahrtsverbände begrüßt den bisherigen Verlauf des Kita-Reform-Prozesses sowie die Einführung des SQKM-Modells als Grundlage für die zukünftige Kita-Finanzierung. Die geplanten Qualitätssteigerungen können lediglich ein Einstieg in die notwendigen und längst überfälligen Verbesserungen sein. Um qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung in den Kindertagesstätten sicherzustellen, bedarf es weiterer finanzieller Anstrengungen.“

Dr. Sönke E. Schulz, Vorstand Schleswig-Holsteinischer Landkreistag: „Aus Sicht des Landkreistages handelt es sich um ein schlüssiges Konzept mit guten Ansätzen, das allerdings an einer wesentlichen Stelle noch nicht zufriedenstellen kann: Die klare Forderung war eine nachhaltige Absenkung des kommunalen Finanzierungsanteils auf ein Drittel der Kosten.“, so Dr. Sönke E. Schulz, Geschäftsführer des Landkreistages. „Positiv ist hervorzuheben, dass das Land bereit ist, zukünftig einen prozentualen Anteil der fortgeschriebenen Kosten der Kinderbetreuung zu übernehmen, also auch einen Teil der finanziellen Verantwortung für die Dynamik durch Ausbau, Tarifsteigerungen und wachsenden Betreuungsbedarf übernimmt.  Dem Landkreistag war es von Anfang an wichtig, eine transparente Grundlage für die Kosten der Kinderbetreuung zu erhalten. Die Definition von Standardqualitäten und der daraus folgenden Kosten ist hierzu der einzige Weg. Nur so können die in der Vergangenheit zum Teil erheblichen Restkostenfinanzierungsansprüche der Einrichtungen und Träger reduziert werden.“

Der Vorsitzende des Städteverbandes, Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer: „Beim Herkulesprojekt Kitareform haben wir erste gemeinsame Erfolge erzielt. Wichtigstes Reformziel ist aus Sicht der Städte allerdings die nachhaltige und strukturelle Entlastung der Haushalte. Die ungebremste Dynamik des Ausbaus, die Ausweitung der Betreuungszeiten und die Steigerung der Betriebskosten im Bereich der frühkindlichen Bildung haben zu einer Haushaltsbelastung geführt, die von den Städten nicht mehr im bisherigem Umfang geschultert werden kann. Wir haben mit der Reform die Erwartung verbunden, dass die städtischen Haushalte durch die Entlastung wieder ins Lot kommen. Viele Kommunen tragen heute schon über die Hälfte der Kosten der Kinderbetreuung. Diese Belastung ist auf 1/3 zu reduzieren, damit das versprochene Ziel der Reform erreicht werden kann. Nur dann können wir der berechtigten Erwartungshaltung der Gesellschaft nach einer frühkindlichen Betreuungsinfrastruktur gerecht werden, die die Ansprüche der Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfüllen.“

Jörg Bülow, Geschäftsführer des Gemeindetages: „Es hat in den vergangenen Monaten einen sehr intensiven Arbeitsprozess gegeben. Wir begrüßen, dass das Land erhebliche zusätzliche Mittel für die Kinderbetreuung gibt. Aber ohne eine deutliche Absenkung des Kommunalen Finanzierungsanteils auf ein Drittel ist der weitere Ausbau der Kinderbetreuung gefährdet. Denn der absehbare Kostenanstieg ist sonst nicht finanzierbar. Dies wird bei weitem nicht erreicht. Außerdem lehnen die Gemeinden wichtige Teile der geplanten Organisationsstruktur ab. Wir schlagen ein Modell für die Mittelverteilung vor, das deutlich einfacher ist und die Rolle der Standortgemeinden stärkt“.

Aussender: Christian Kohl, Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren (SH)
Redaktion: Torben Gösch