Landkreistag begrüßt Asylpaket als ersten Meilenstein, weitere Maßnahmen nötig – Änderung des Asylgrundrechts darf kein Tabu sein

Aus Anlass der heutigen Beratungen im Deutschen Bundestag zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz hat der Deutsche Landkreistag weitere Maßnahmen zur wirksamen Begrenzung des Flüchtlingsstroms gefordert. Präsident Landrat Reinhard Sager und Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Hans-Günter Henneke legten dazu einen Diskussionsbeitrag vor, der u. a. den Vorschlag enthält, das Asylgrundrecht zu ändern.

„Das Gesetzespaket des Bundes ist ein erster Meilenstein. Darüber hinaus müssten aber weitere Maßnahmen ergriffen und Optionen erwogen werden. Auch eine Änderung des Asylgrundrechts darf kein Tabu mehr sein!“ Hierzu unterbreiteten Sager und Henneke einen Formulierungsvorschlag für einen modifizierten Art. 16a GG.

Die Bevölkerung in den Landkreisen, Städten und Gemeinden würde sich in bislang nicht gekanntem Ausmaß bei der Betreuung und Integration von Flüchtlingen engagieren. „Dafür gebührt den tausenden Haupt- und Ehrenamtlichen unser aller ganz besonderer Dank. Die Landkreise, insbesondere die Mitarbeiter in den Sozial-, Ausländer- und Gesundheitsbehörden, leisten mit hohem Einsatz unter großen Belastungen ihre Arbeit bei der Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge“, so Sager und Henneke. Allerdings sei sowohl bei den zahlreichen ehrenamtlich Tätigen als auch bei den Mitarbeitern der Kreisverwaltungen die Sorge wahrnehmbar, wie der derzeitige Zustrom bewältigt werden kann. „Wir befürchten, dass die positive und zupackende Grundstimmung in der Bevölkerung kippen könnte, wird das Problem des massenhaften Zuzugs nicht begrenzt und in geordnete Bahnen gelenkt. Dies haben Landräte aus verschiedenen Teilen des Bundesgebiets in jüngster Zeit zu Recht auch öffentlich nachdrücklich zum Ausdruck gebracht.“

Der Deutsche Landkreistag würde insofern grundsätzlich die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen zur Beschleunigung von Asylverfahren, zur Reduzierung von Sozialanreizen und zur Flexibilisierung der Regelungen für die Unterbringung begrüßen, allerdings forderten Sager und Henneke weitere Anstrengungen und Denkrichtungen: „Man muss so ehrlich sein und eingestehen, dass die zu beschließenden Maßnahmen nicht zu einer unmittelbaren Begrenzung des Zuzugs führen werden. Daher sind weitere Schritte unausweichlich, die eine Zurückweisung von Asylbewerbern, Flüchtlingen und Migranten möglichst schon an der Grenze erlauben. Insbesondere bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten ist das gesamte Asylverfahren in diesen grenznahen Einrichtungen (Transitzonen) durchzuführen“, heißt es in dem Papier. Die Realisierung dieses beschleunigten Verfahrens greife einen Vorschlag des Deutschen Landkreistages aus dem Sommer auf und sei ein wichtiges Signal für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten.

Auch seien die Länder zu verpflichten, Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat bis zur Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags bis zur Ausreise in einer Erstaufnahmeeinrichtung – ggf. in Grenznähe – unterzubringen. „Die Länder müssen jetzt dringend ausreichend Erstaufnahmeplätze bereitstellen, damit nur noch Asylbewerber mit Bleibeperspektive auf die kommunale Ebene verteilt werden. Um deren Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt geht es schließlich “, sagten Präsident und Hauptgeschäftsführer.

Darüber hinaus seien Staatsangehörige sicherer Herkunftsstaaten vom Anwendungsbereich des Asylgrundrechts auszunehmen. „Eine solche Beschränkung in der Verfassung ist rechtlich zulässig und wäre ein starkes Signal an die Bevölkerung gerade in den Westbalkanländern, dass für Angehörige sicherer Staaten keine Chance auf eine Anerkennung als Asylberechtigter besteht“, so Sager und Henneke abschließend.

Zuzug von Flüchtlingen begrenzen, um Integration zu gewährleisten – Diskussionsbeitrag auf der Grundlage bisheriger Beschlussfassungen:

I. Lage und Ziel

1. Der Zustrom von Asylbewerbern, Flüchtlingen und Migranten nach Deutschland hat bereits jetzt ein in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht bekanntes Ausmaß erreicht. Angesichts hoher Anerkennungsquoten insbesondere für Schutzsuchende aus Ländern wie Syrien oder dem Irak ist davon auszugehen, dass ein großer Teil der jetzt eingereisten Personen dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden wird. Diese Personen müssen möglichst schnell in die deutsche Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die deutschen Landkreise bekennen sich insoweit zu ihrer Mitverantwortung. Sie sind in besonderer Weise befähigt und durch bewährte Vorgehensweisen prädestiniert, die Integration von Personen mit Bleibeperspektive zu gewährleisten. Ziel muss es sein, dass die Betroffenen durch Erwerbstätigkeit Einkommen erzielen und ihr Leben eigenverantwortlich gestalten können. Mit frühzeitigen Integrationsmaßnahmen kann verhindert werden, dass die Flüchtlinge und Asylbewerber über längere Zeit Empfänger staatlicher Sozialleistungen werden. Es ist daher richtig, dass Asylsuchende mit Bleibeperspektive jetzt Zugang zu den Integrationskursen erhalten sollen.

2. Die Bevölkerung vor Ort in den Landkreisen, Städten und Gemeinden engagiert sich in bislang nicht gekanntem Ausmaß bei der Betreuung und Integration, wofür ihr unser ganz besonderer Dank gebührt. Die Landkreise, insbesondere die Mitarbeiter in den Sozial-, Ausländer und Gesundheitsbehörden, leisten mit hohem Engagement unter großen Belastungen ihre Arbeit bei der Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge. Allerdings nimmt sowohl bei den zahlreichen ehrenamtlich Tätigen wie bei den Mitarbeitern der Kreisverwaltungen die Sorge spürbar zu, wie der derzeitige Zustrom bewältigt werden kann. Dies haben Landräte aus verschiedenen Teilen des Bundesgebiets in jüngster Zeit zu Recht auch öffentlich nachdrücklich zum Ausdruck gebracht.

II. Heutiges Gesetzespaket ist ein erster Meilenstein

3. Am heutigen 15.10.2015 verabschiedet der Deutsche Bundestag das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz. Die beschlossenen Maßnahmen entsprechen in weiten Teilen Forderungen des Deutschen Landkreistages. Sie sind ein wichtiger Schritt zur Lösung der aktuellen Flüchtlingsproblematik.

· Der Deutsche Landkreistag begrüßt die Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten.

· Wir begrüßen auch die Verlängerung der Höchstaufenthaltsdauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen, insbesondere für Antragssteller aus sicheren Herkunftsstaaten.

· Hinsichtlich der Aufnahme und Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ist es richtig, dass diese nunmehr bundes- und landesweit verteilt werden können. Auf diese Weise werden die besonders betroffenen Länder und Landkreise entlastet.

· Der Deutsche Landkreistag hält die Maßnahmen zur Beschleunigung der Rückführungen für erforderlich. Es ist richtig, dass der Termin der Abschiebung den Betroffenen künftig kraft Bundesrechts nicht mehr im Voraus mitgeteilt werden darf. Darin sehen wir einen Beitrag zur dringend erforderlichen Effektuierung des Verfahrens zur Rückführung von Ausländern, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Richtig ist es auch, dass die Frist für eine Aussetzung der Abschiebung aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen auf drei Monate verkürzt wird.

· Der Deutsche Landkreistag unterstützt ferner die im Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehenen Leistungskürzungen und die Änderungen hinsichtlich des Vorrangs des Sachleistungsprinzips in den Erstaufnahmeeinrichtungen.

· Der Deutsche Landkreistag begrüßt, dass Asylsuchende mit Bleibeperspektive frühzeitig von Integrationsmaßnahmen des Bundes profitieren können. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Öffnung der Integrationskurse für diesen Personenkreis, bislang allerdings nur im Rahmen verfügbarer Kapazitäten. Diesem Personenkreis sollte schon während ihres Anerkennungsverfahrens ein Rechtsanspruch auf Teilnahme am Integrationskurs eingeräumt werden.

4. Der Zustrom von Asylbewerbern, Flüchtlingen und Migranten nimmt derzeit dennoch weiter zu. Allein für den Monat September ist von gut 200.000 Menschen auszugehen, die in Deutschland um Schutz, Unterkunft, medizinische Versorgung und soziale Betreuung nachsuchen. Die vom Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz umfassten Maßnahmen zur Beschleunigung des Anerkennungs- und des Rückführungsverfahrens und zum Abbau von Fehlanreizen bei den Aufnahmebedingungen sind deshalb ein wichtiges Signal an alle Asylbewerber, Flüchtlinge und Migranten, weil sie verdeutlichen, dass Deutschland nicht uneingeschränkt zur Aufnahme in der Lage ist. Der Deutsche Landkreistag geht davon aus, dass diese Maßnahmen insbesondere Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten davon abhalten werden, nach Deutschland zu kommen, um hier einen Asylantrag zu stellen.

III. Zuzugsbegrenzende Maßnahmen sind unausweichlich

5. Die bislang beschlossenen Maßnahmen führen allerdings nicht zu einer unmittelbaren Begrenzung des Zuzugs. Daher sind wegen der begrenzten Aufnahme- und Integrationsfähigkeit Deutschlands weitere Maßnahmen unausweichlich, die eine unmittelbare Begrenzung des Zuzugs bewirken und die Zurückweisung von Asylbewerbern, Flüchtlingen und Migranten möglichst schon an der Grenze erlauben. Das setzt die Beibehaltung sowie nötigenfalls die weitere Verschärfung von Grenzkontrollen voraus. Ebenso wichtig wie die Begrenzung des Zuzugs ist es, Schutzsuchende, deren Asylantrag abgelehnt wurde, schnell wieder in ihre Herkunftsländer zurückzuführen.

6. Ein nicht unerheblicher Teil der bereits aufgenommenen Flüchtlinge wird für lange Zeit in Deutschland leben. Angesichts dessen stellen sich in Kürze auch zahlreiche Fragen in Bezug auf nachziehwillige Familienangehörige. Auch unter Wahrung des Schutzes von Ehe und Familie kann nicht jegliche Familienzusammenführung in Deutschland erfolgen.

7. Dem Deutschen Landkreistag ist bewusst, dass die aktuelle Flüchtlingsproblematik nicht allein mit nationalen Maßnahmen zu lösen ist. Erforderlich ist ein gesamteuropäischer Ansatz. Allerdings hat die Europäische Union derzeit als Rechts- wie als Wertegemeinschaft keine angemessene Antwort auf die jetzige Lage gefunden. Das Schengen-Dublin-System, das einerseits offene Binnengrenzen und Grenzkontrollen dem Grunde nach nur an den Außengrenzen vorsieht, andererseits demjenigen Mitgliedstaat der EU die Zuständigkeit für die Durchführung eines Asylverfahrens überträgt, in dem der Asylbewerber erstmals europäischen Boden betreten hat, hat sich als nicht krisenfest erwiesen. Vor diesem Hintergrund tritt der Deutsche Landkreistag für ein gesamteuropäisches Asyl- und Flüchtlingssystem auf neuer Grundlage ein. Wichtiges Element eines solchen neuen Systems muss die Sicherung der EU-Außengrenzen und die Unterstützung der Mitgliedstaaten mit solchen Grenzen insbesondere durch folgende Maßnahmen sein:

· In diesen Ländern sind – wie bereits angekündigt – besondere Ankunftszentren einzurichten, in denen ankommende Flüchtlinge erstregistriert werden und in denen geprüft wird, ob ihr Asylbegehren überhaupt Aussicht auf Erfolg haben kann.

· Insbesondere bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten ist das gesamte Asylverfahren in diesen grenznahen Einrichtungen durchzuführen.

· Flüchtlinge mit Bleibeperspektive müssen sodann nach einer festen Quote auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verteilt werden. Dieser Verteilmechanismus ist so auszugestalten, dass er für die betroffenen Flüchtlinge verbindlich ist.

· Eine Aufgabe, die Europa nur im Ganzen bewältigen kann und muss, ist die Verbesserung der Lebenssituation in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Oberste Priorität muss es sein, die Fluchtgründe in den Herkunftsländern, insbesondere den Bürgerkriegsstaaten des Nahen und Mittleren Ostens, zu beseitigen. Im Übrigen ist sicherzustellen, dass die Bedingungen in den Flüchtlingslagern in den Anrainerstaaten wie dem Libanon, Jordanien und der Türkei verbessert werden.

8. Sollte sich ein Schutz der EU-Außengrenzen nicht wirksam umsetzen lassen, ist ein Ende des Schengen- Systems sowie eine Rückkehr zur nationalstaatlichen Sicherung der Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Außengrenzen unumgänglich.

9. Auf nationaler Ebene sind über das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz hinaus folgende einfachgesetzlich Maßnahmen erforderlich:

· Es sind die gesetzlichen und faktischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Asylverfahren von Flüchtlingen und Migranten aus sicheren Herkunftsstaaten schon an der Grenze bzw. in der Transitzone und beschleunigt durchgeführt werden können. Die Realisierung dieser – europarechtlich zulässigen – Verfahrensgestaltung stellt ein Element für eine deutliche Verfahrensbeschleunigung dar und ist ein wichtiges Signal in Richtung auf Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten.

· Die Länder sind zu verpflichten, Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat bis zur Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags bis zur Ausreise in einer Erstaufnahmeeinrichtung – ggf. in Grenznähe – unterzubringen. Erst eine solche Rechtspflicht der Länder ermöglicht es, dass überhaupt nur die Flüchtlinge und Asylbewerber mit Bleibeperspektive auf die kommunale Ebene verteilt werden. Zudem sollten auch Asylbewerber mit Bleibeperspektive erst dann auf die Landkreise, Städte und Gemeinden verteilt werden, wenn das Asylverfahren bereits eingeleitet wurde.

· Bund und Länder müssen sicherstellen, dass Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, deren Antrag abgelehnt wurde, unmittelbar aus den Erstaufnahmeeinrichtungen zügig zur Ausreise veranlasst bzw. abgeschoben werden.

· Welche Leistungen unbegleitete Minderjährige vor dem Hintergrund ihrer Fluchterfahrung neben der Inobhutnahme im Einzelfall benötigen, ist nicht gesetzlich vorzugeben, sondern der verantwortlichen Entscheidung des zuständigen Jugendamts zu überlassen. Dabei dürfte es sich häufig um andere Leistungen als klassische Angebote der Hilfen zur Erziehung handeln.

IV. Modifizierung des Art. 16a Abs. 3 GG ist kein Tabu

10. Sollten das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz sowie die zuvor genannten weitergehenden einfachgesetzlichen Regelungen nicht zeitnah zur dringend erforderlichen Begrenzung des Zuzugs führen, sind darüber hinaus Staatsangehörige sicherer Herkunftsstaaten – wie bereits in Art. 16a Abs. 2 GG nach geltendem Verfassungsrecht Ausländer, die aus einem sicheren Drittstaat eingereist sind – vom Anwendungsbereich des Asylgrundrechts auszunehmen. Das führt für Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten rechtlich zu einer Einschränkung des Asylgrundrechts. Da diese Antragsteller aber schon heute faktisch niemals als Asylberechtigte im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG anerkannt werden, wird das Asylgrundrecht durch einen solchen Schritt in seiner Substanz nicht berührt. Art. 16a Abs. 3 GG könnte demgemäß lauten: Auf Abs. 1 können sich auch die Staatsangehörigen von Staaten nicht berufen, die durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder durch Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu sicherer Herkunftsstaaten bestimmt werden. Zu sicheren Herkunftsstaaten im Sinne von Satz 1 dürfen durch Gesetz nur Staaten bestimmt werden, bei denen aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet scheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.

Eine solche Beschränkung des Asylgrundrechts ist verfassungs- und europarechtlich zulässig.

V. Fazit

Der Deutsche Landkreistag erwartet von Bund und Ländern, dass das beschlossene Asylgesetzespaket vollständig und zügig umgesetzt wird. Darüber hinaus müssen weitere Maßnahmen angegangen werden, um den Zustrom von Asylbewerbern, Flüchtlingen und Migranten wirksam zu begrenzen.

Aussender: Dr. Markus Mempel, Deutscher Landkreistag
Redaktion: TG