Planung des Generationswechsels: Vorweggenommene Erbfolge zu Lebzeiten

Nach dem Volksmund soll es besser sein, mit „warmer Hand“ zu geben als „mit kalter Hand“. Damit ist ein Vorgang angesprochen, bei dem Eltern einen wesentlichen Teil ihres Vermögens bereits zu Lebzeiten auf eines ihrer Kinder übertragen. Häufig handelt es sich dabei um Grundstücke oder Unternehmen.

Die Gründe für eine „vorweggenommene Erbfolge“ können unterschiedlicher Art sein und haben manchmal keinen erbrechtlichen Bezug. Häufig ist das Sparen von Erbschaftsteuer ein Grund für die „vorweggenommene Erbfolge“. Weitere Motive sind zum Beispiel die Versorgung des Bedachten und seiner Familie, der Vorbehalt eines Nießbrauchs sowie einer Renten- oder Pflegeverpflichtung, eine gewünschte Pflichtteilsminderung oder das Erhalten von Familienvermögen. Zur Ausführung der „vorweggenommenen Erbfolge“ müssen Verträge mit entsprechenden Ausführungen abgeschlossen werden. Bei zahlreichen Verträgen handelt es sich um einen Schenkungsvertrag, mit denen der Erblasser auf den Erben erhebliche Vermögenswerte überträgt.

 

„Schenkungen zur Minderung der zukünftigen Erbschaftsteuer unter Nutzung der 10-Jahres-Frist sind ein beliebtes Mittel, um bereits zu Lebzeiten steuergünstig Vermögen auf die Lieben zu übertragen“, weiß Georg Rankers vom Family Office, Rankers Finanzstrategien. „Der Schenker sollte jedoch bedenken, dass die eigene Altersvorsorge durch die Schenkung nicht gefährdet ist. Zwar gewährt das bürgerliche Recht (§ 528 BGB) dem Schenker einen Anspruch auf Rückforderung bei Verarmung des Schenkers. Wenn das verschenkte Vermögen aber bereits verprasst ist, geht der Anspruch ins Leere.“

 

Nach § 14 Abs. 1 ErbStG werden alle Erwerbe, die eine Person innerhalb von 10 Jahren erhält, zusammengerechnet. Daher spielt es keine Rolle, ob die Erwerbe durch eine Schenkung oder durch einen Erbfall erfolgen. Von dieser Gesamtsumme ist der jeweilige Freibetrag abzusetzen. Mit einer langfristig geplanten Schenkungsstrategie kann daher die mehrfache Nutzung der persönlichen Freibeträge und des Versorgungsfreibetrages erreicht werden. Je nach Gestaltung der „vorgenommenen Erbfolge“ lässt sich auch die Pflichtteilslast reduzieren, weil sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach der neuen Fassung des § 2325 Absatz 3 Satz 1 BGB jedes Jahr um 1/10 reduziert. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Übergeber nicht zu viel zurückbehalten. Insbesondere ein Nießbrauch ist hier schädlich.

 

In einer Vielzahl notarieller Verträge taucht sinngemäß folgende Formulierung auf: „Der Übergeber überträgt sein Haus / sein Unternehmen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an den Übernehmer.“ Das Gesetz kennt den Begriff „vorweggenommene Erbfolge“ nur in einer Spezialnorm des Landpachtrechts, die den Eintritt des Übernehmers in Pachtverträge über zugepachtete Flächen regelt. Die „vorweggenommene Erbfolge“ hat somit unmittelbar auch nichts mit dem Erbrecht zu tun – sie kann jedoch Fernwirkungen auf das Erbrecht entfalten.

 

Für den Übernehmer stellt sich die Frage, ob er aufgrund der „vorweggenommenen Erbfolge“ weniger erhält. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn er risikobelastete Gegenstände – etwa ein Unternehmen – erhält. In diesem Zusammenhang ist vielfach unbekannt, dass die Formulierung „im Wege vorweggenommener Erbfolge“ von der Rechtsprechung im Zweifel als Ausgleichungsanordnung nach § 2050 Absatz 3 BGB ausgelegt wird. Die Ausgleichungsanordnung hat zur Folge, dass die Geschwister des Übernehmers wesentlich besser dastehen, wenn es zur gesetzlichen Erbfolge kommt oder wenn Pflichtteilsansprüche im Raum stehen.

 

Welche Risiken sind mit der vorweggenommenen Erbfolge verbunden?

 

Was weg ist, ist weg. Hiervon gibt es nur Ausnahmen in Extremfällen. Der Übergeber verliert grundsätzlich seine Rechtsmacht über das Verschenkte. Der Übernehmer kann damit tun und lassen, was er will. Gemindert werden kann diese Rechtsfolge dadurch, dass dem Übergeber Rücktrittsrechte eingeräumt werden. Üblich sind zum Beispiel Rücktrittsrechte für den Fall des Vermögensverfalls oder des Vorversterbens des Beschenkten oder für den Fall, dass der Übergeber das Grundstück veräußern will.

 

„Wichtig ist die rechtliche Beratung bei der ‚vorweggenommenen Erbfolge'“, empfiehlt Claudia Rankers vom Family Office, Rankers Finanzstrategien. „Teilweise werden Ziele nicht erreicht, weil die Vermögensübergabe nicht richtig durchdacht wurde. Oder es lässt sich von zwei gegenläufigen Zielen nur eines erreichen. So kann der Übergeber sich durch umfangreiche Nießbrauchs- und Rückforderungsrechte absichern. In diesem Fall wird es ihm aber nicht gelingen, Pflichtteilsergänzungsansprüche zu vermeiden. Ein gefährlicher Fehler besteht auch darin, dass Mitunternehmeranteile zerrissen und damit einkommensteuerrechtliche Entnahmen geschaffen werden. In diesen Fällen müssen Steuern auf Erträge gezahlt werden, die tatsächlich nicht in Geld vorhanden sind. Es gilt also, bei der Planung einer „vorweggenommenen Erbfolge“ die Gefahr einer nachträglichen Vermögensumverteilung zu berücksichtigen und gegebenenfalls Vorkehrungen zu treffen, um eine solche zu verhindern.“

 

Inwieweit die Vorteile der „vorweggenommenen Erbfolge“ deren Nachteile übertreffen, bedarf im Einzelfall genauer Erörterung. Dabei ist bei einer Unternehmensübergabe das Augenmerk nicht in erster Linie auf die steuerlichen Konsequenzen zu richten, sondern insbesondere auch darauf, wie dem zu übertragenden Unternehmen eine zukunftsfähige Führungs- und Gesellschafterstruktur erhalten bleiben kann. Bei der „vorweggenommenen Erbfolge“ kommt es dazu, dass der sein Unternehmen auf Nachfolger Übertragende regelmäßig ein Interesse daran hat, sein Unternehmen nicht restlos aufzugeben, sondern sich die Möglichkeit erhalten möchte, bei sich abzeichnenden negativem Verlauf der getroffenen Nachfolgeregelung „die Notbremse zu ziehen“.

 

Rankers Finanzstrategien