Sinn: EU-Peripherie bleibt zu teuer (Foto: S. Renlom)

Hans-Werner Sinn: „Euro-System ist Explosion nahe“ – Experte fürchtet „Horrorszenario“ und sieht Europas Frieden in Gefahr

Wien – Finanzkrisen sind historisch betrachtet keine Seltenheit, „abenteuerlich“ allerdings findet Hans-Werner Sinn, Präsident des Institutes für Wirtschaftsforschung der Universität München (ifo) http://www.cesifo-group.de , das Bündel falscher Reaktionen der EU. Anlässlich eines Symposiums in der österreichischen Akademie der Wissenschaften http://www.oeaw.ac.at plädiert der Experte für den Wechsel auf das bewährte US-Modell, wonach Staaten auch pleite gehen könnten. „Die Finanzindustrie will davon aber nichts wissen, weil es ihr um die Rettung eigener Anlagen geht“, meint der ifo-Vertreter gegenüber pressetext.Sinn: EU-Peripherie bleibt zu teuer (Foto: S. Renlom)

Gegenteil von Rettung

 

„Wir verlinken unsere Staatsbudgets und sitzen damit als Retter selbst in der Falle“, sagt Sinn. Aktuell würden die Haftungssummen der EU-Länder 2.121 Mrd. Euro betragen – ein „Horrorszenario“ findet der Wirtschaftsforscher. Die EZB http://www.ecb.int habe ihr Maß längst überschritten und mache Politik wie Staaten. „Wir können nur erahnen, was da mit uns passiert“, zeigt sich Sinn betroffen und sieht zudem Europas Frieden gefährdet.

„Wir kaufen den Südländern ihre toxischen Papiere ab und lagern diesen Schrott in einer Bad Bank. Aber unsere Kinder werden eines Tages gezwungen sein, sich das Geld in bar zurückzuholen“, meint Sinn. Diese Aussicht solle Frieden stiften, entrüstet sich der Deutsche. Aus befreundeten Nachbarn seien zwischenzeitlich Gläubiger und Schuldner geworden. Das Gegenteil von Rettung sei der Fall, die „Nazi-Bilder“ erst der Anfang. „Jene Länder müssten ihre Steuern erhöhen, unsere Hilfe perpetuiert nur falsche Preise.“

Tricks der EZB stoppen

„Das Euro-System ist nahe der Explosion“, kann es der Ökonom nicht anders interpretieren. Schuld seien die sogenannten Target-Salden als tatsächliche Kredite zwischen den Ländern, die laut Sinn schon strukturellen Charakter haben. Gehe nun die Euro-Zone kaputt, entstünden Geldforderungen an ein System, das es nicht mehr gibt. Das bisherige „Anwerfen der Notenpresse“ sei völlig abzulehnen und führe sogar zur Einführung von Eurobonds. „Damit sind wir dann in einem anderen Regime.“

Die Krisen-Länder der EU-Peripherie brauchen nach Sinn unbedingte Preisabwertungen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden: Portugal 35 Prozent, Griechenland 30 Prozent, Spanien und Frankreich 20 Prozent. „Das ist das Problem Europas“, sagt Sinn. Einzig Irland habe in der Vergangenheit entsprechend reagiert. Die EZB andererseits müsse mit Tricks aufhören wie ELA-Krediten und ABS-Papieren von Banken. Sogar Verträge mit einer Laufzeit bis ins Jahr 9.999 wurden geschlossen.

Deutschland kein Profiteur

„Nichts könnte absurder sein, als dass Deutschland Gewinner des Euro ist“, so der ifo-Präsident. Die gegenwärtige „Flucht ins Betongold“ sei Auswuchs historisch niedriger Zinsen sowie der Furcht vieler Anleger, ihr Geld zu verlieren, geschuldet. Selbst der oft zitierte Exportüberschuss sei selbstfinanziert und eine „klassische Fehlinterpretation“. Eine Fiskalunion mit Eurobonds und Target-Krediten – rund 616 Mrd. Euro allein für Deutschland – könne nicht funktionieren.

pressetext.redaktion
Ansprechpartner: Jürgen Molner
Sinn: EU-Peripherie bleibt zu teuer (Foto: S. Renlom)