Berlin, 03.02.20 – Zu dem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Einzelhandel und der Ernährungsindustrie zum Thema „faire Preise“ für Lebensmittel erklärt Martin Rücker, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch…
„Wenn der Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel zu günstigen Preisen führt, ist das ein erwünschter Marktmechanismus und gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Viele Menschen wollen in Anerkennung der bäuerlichen Arbeit faire Preise bezahlen und für gute Qualität auch gerne mehr ausgeben – aber sie wollen nicht an der Supermarktkasse drauflegen, nur damit die Lebensmittelindustrie oder Handelskonzerne größere Profite einstreichen können. Ein höheres Preisschild an Lebensmitteln ist eben kein verlässlicher Indikator für eine höhere Qualität, eine bessere Tierhaltung oder eine faire Bezahlung der Landwirtinnen und Landwirte – und mit ihren Kaufentscheidungen haben die Menschen praktisch keinen Einfluss auf die Auszahlungsbeträge für Bauern und einen verschwindend geringen auf die Produktionsbedingungen. Sonderangebote etwa für Fleisch entstehen nicht, weil die beworbenen Produkte plötzlich zu noch niedrigeren Tierhaltungsstandards hergestellt wurden, sondern weil der Handel die Preise quersubventioniert.
Im Dieselruß der protestierenden Trecker verschwinden die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher anscheinend aus dem Blickfeld. Wenn Angela Merkel und Julia Klöckner gegen den angeblichen Geiz der Menschen und eine angeblich unmoralische Preispolitik mobil machen, dann will die Bundesregierung nur von den eigentlichen Problemen und von ihrem eigenen Versagen ablenken. Günstige Preise im Supermarkt sind nicht das Problem, sondern allenfalls das Symptom einer fehlgeleiteten Politik: Eine falsche Kartellpolitik hat zu monopolartigen Strukturen im Lebensmittelhandel geführt und die Bauern in eine schwache Position gebracht. Ein Versagen in der Verbraucherpolitik sorgt dafür, dass die Menschen die Qualität von Produkten nicht prüfen können und noch immer nicht vor Täuschung geschützt sind – beides ist aber Voraussetzung für die eingeforderte Wertschätzung. Eine verfehlte Agrar- und Subventionspolitik gibt geradezu den Anreiz zu einer möglichst umwelt- und klimaschädlichen Produktion. Und: Das Versäumnis, akzeptable gesetzliche Mindeststandards etwa in der Tierhaltung zu setzen, hat die Billig-Produktion auf Kosten der Tiere überhaupt erst ermöglicht.
Angela Merkel und Julia Klöckner sollten mit der fatalen Politik der vergangenen Jahrzehnte aufräumen, statt mit dem Finger auf andere zu zeigen und damit von der eigenen Verantwortung abzulenken.“
Aussender: Andreas Winkler. foodwatch e.V.
Redaktion: Torben Gösch