Kiel, 09.08.19 – Der Reiz an der Haltung exotischer Haustiere scheint ungebrochen und weiter anzusteigen…
Für die exotischen Wildtiere, die hier zu Haustieren werden, birgt dies einen oft langen Leidensweg. Der Begriff der exotischen Haustiere ist in Deutschland nicht klar definiert. In den Niederlanden existieren Positivlisten, aus denen hervorgeht, welche Arten Privatpersonen halten dürfen. Solche Listen fordern viele internationale und nationale Tierschutzorganisationen seit langem von der Politik. Aber eine politische Regelung ist bisher leider nicht in Sicht.
In diesem rechtlich kaum geregelten Raum boomt der Handel mit exotischen Tieren. Die Vielzahl der gehaltenen Arten ist groß und umfasst neben Reptilien auch Säugetiere, Vögel, Amphibien, Spinnen und andere. Klassiker sind derzeit Kornnattern, Boa constrictor, Bartagamen, Land- und Wasserschildkröten, Krallenäffchen, Papageien und Vogelspinnen.
2014 waren in Schleswig-Holstein 8.000 Halter mit 95.000 exotischen Tieren bei den zuständigen Behörden gemeldet. Die Dunkelziffer wird um ein Vielfaches höher sein.
Exotische Tiere sind über das Internet, die zahlreich stattfindenden Tierbörsen oder auch durch den Zoofachhandel leicht und ohne Vorkenntnisse des Halters zu erwerben. Die Kosten für die Anschaffung sind relativ gering: Neonfische für 50 Cent, Geckos für 8 Euro oder Boa constrictor für 20 Euro. Diese günstigen Preise sind auch bedingt durch private Züchter, die ohne Halteerlaubnis oder Sachkundenachweis ihre Tiere anpreisen. Bei einem erheblichen Teil handelt es sich aber auch um legal oder illegal importierte Wildtiere aus weltweiten Naturentnahmen. Deutschland ist innerhalb der EU der mit Abstand größte Importeur und Absatzmarkt für lebende Wildtiere. Dieser Wildtierhandel ist immer mit einer hohen Sterblichkeitsrate verbunden. Lange Verweildauern bei Zwischenhändlern, Exporteuren und Großhändlern führen laut Studien zu den größten Verlusten. In den Herkunftsländern schwinden durch Ausplünderung die Naturbestände.
Viele Tierhalter informieren sich nicht ausreichend und haben falsche Vorstellungen von der Haltung dieser Arten. Eine Sachkenntnis wird zwar vorausgesetzt, aber nicht verbindlich verlangt. Der private Onlinehandel erfolgt in der Regel ohne jedwede Klärung der Fachkompetenz der Käufer. Zusätzlich ist die Beratung der Händler oft mangelhaft.
Exotische Wildtierarten haben aufgrund ihres natürlichen Lebensraums und ihrer Lebensweise hohe Anforderungen, die nur schwer hierzulande in Privathaushalten nachempfunden werden können. So benötigen Terrarien, Käfige oder Aquarien für eine artgerechte Haltung eine ausreichende Größe und meist auch eine Ausstattung mit UV- und Wärmelampen, was oftmals unterschätzt wird und hohe laufende Kosten bedingt. Viele exotische Tierarten sind Futterspezialisten, so dass durch unsachgemäße Futtergaben Mangelerscheinungen und Krankheiten entstehen. Die Fütterungs- und Haltungsfehler wirken sich bei vielen Tieren erst mit langer Verzögerung aus und werden vom Besitzer häufig nicht rechtzeitig erkannt, da die Tiere keine erkennbaren Anzeichen geben. So leiden die Tiere oft jahrelang.
Ein anderes Problem besteht darin, dass mache Tiere (z.B. bestimmte Schlangen) Lebendnahrung bevorzugen und sich nur schwer auf die Fütterung von toten Tieren umstellen lassen. Dies bedeutet für die Beutetiere wie Mäuse oder Küken erheblichen Stress und einen oft grausamen Tod.
Viele Exoten werden günstig als Jungtiere angeschafft. Wachsen diese Tiere dann zu einer normalen Größe heran, sind sie in einem Privathaushalt kaum noch unterzubringen. Einige Schlangenarten können eine Länge von über 3 Metern schnell erreichen.
Viele Tierarten haben ein ausgeprägtes Territorialverhalten (Leguane, Rennmäuse usw.). Bei übermäßigem Besatz in zu kleinen Terrarien leben sie unter Dauerstress – fehlende Zehen oder Schwänze sind die Folge von Kämpfen bei Überbesetzung. Andere Arten benötigen eine soziale Haltung mit Artgenossen, wie z.B. Papageien, Degus oder Chinchillas. Sie leiden über Jahre, wenn sie in Einzelhaltung leben. Die Vergesellschaftung mit anderen Tierarten ersetzt keine Artgenossen.
Vielfach sind Halter von exotischen Tieren durch die hohen Ansprüche der Tiere und die hohen Unterhaltungskosten auf Dauer überfordert. So landet eine Vielzahl von ihnen in Tierheimen oder Auffangstationen. Für die meist gemeinnützigen Einrichtungen bedeuten die aufgenommenen Exoten jedoch eine zusätzliche finanzielle, personelle und räumliche Herausforderung, die kaum zu bewältigen ist. Aus diesem Grund können sie Abgabetiere häufig nicht mehr aufnehmen.
Größere Tierheime und Auffangstationen nehmen Exoten als Fundtiere auf. Das Wildtier- und Artenschutzzentrum in Klein Offenseth-Sparrieshoop am Hamburger Stadtrand nimmt jährlich ca.
100 exotische Wildtiere auf und bemüht sich um eine Vermittlung in kompetente Hände. Das Kieler Tierheim Uhlenkrog versorgt pro Jahr im Schnitt zwischen 30 und 120 exotische Wildtiere.
Um die Tierheime zu entlasten, hat der Deutsche Tierschutzbund in Weidefeld bei Kappeln 2017 eine Reptilienstation mit einer Fläche von 400 Quadratmeter eingeweiht. In über 60 Terrarien einschließlich einer Kranken- und einer Quarantänestation, 4 Innen- und 3 Außenteichen, sowie einer teilweise überdachte Schildkrötenanlage für Land- und Wasserschildkröten, werden die Tiere hier bis zur Vermittlung tierschutzgerecht gehalten. Wegen des großen Bedarfs wurde dort 2018
eine zweite Anlage in Betrieb genommen. Seit 2018 nahm die Weidefelder Reptilienstation über 200 Tiere verschiedenster Arten auf: 42,6% sind Schmuck- und andere Wasserschildkröten, 11,3%
Griechische und andere Landschildkröten; 13,7% Kornnattern, 9,3% Königspythons und 7,8% Boa constrictor; 5,4% Bartagamen und 3,9% Leopardgeckos. Die Vermittlungsquote ist sehr schlecht, da
bei zukünftigen Haltern auf gute Bedingungen für die Tiere geachtet wird und im Internet die Beschaffung einfacher ist. Die Kapazitäten sind vielfach fast vollständig ausgelastet. Nur einige Notfallreserven für behördliche Beschlagnahmen werden freigehalten.
Da es im Internet ungebremsten Nachschub an Jungtieren bei häufig wechselnden Trends gibt, wird die Vermittlung von exotischen Tieren aus Tierheimen zusätzlich erschwert. Viele verbleiben den Rest ihres Lebens dort und verursachen hohe Kosten. Zu befürchten ist außerdem, dass Tausende einfach ausgesetzt werden, da es an geeigneten Pflegestellen für diese Tiere mangelt.
Um das Leid dieser Tiere einzudämmen, wären aus Sicht des Tierschutzbeirates schnell und zwingend erforderlich: Einen verpflichtender Nachweis der Sachkunde für Halter und Händler und
eine deutlich stärkere Kontrolle und Regulierung der Händler und Halter, eine verstärkte Aufklärung, um in der Bevölkerung für das Leid und die Bedürfnisse der Tiere zu sensibilisieren, länder- und
bundeseinheitliche Regelungen durch die Erstellung von Positivlisten, massive Limitierung von privaten Zuchten und ein Verbot von gewerblichen Händlern bei Tierbörsen. Der Verkauf von
Wildtieren auf Börsen sollte generell kritisch diskutiert werden, da die Präsentation der Tiere in engen Transportbehältern und das Besuchergedränge extrem belastend für die Tiere sind.
Exoten zu halten, gilt bei Vielen immer noch als exklusives Hobby. Wir brauchen dringend einen Imagewandel, denn eine artgerechte Haltung exotischer Wildtiere ist in privaten Haushalten so gut wie unmöglich. Daher sollten sich alle, die über eine Anschaffung von Exoten nachdenken, sehr kritisch fragen, ob sie den Bedürfnissen dieser Wildtiere tatsächlich für deren gesamte Lebensdauer gerecht werden können und wollen.
Aussender: Sabine Petersen, Vorsitzende des Tierschutzbeirats (SH); Katharina Erdmann, Landestierschutzbeauftragte (SH)
Redaktion: Torben Gösch