- foodwatch und FragDenStaat kritisieren „Angriff auf Informationsrechte“
Berlin,01.04.19 – Mal werden 1.700 Euro Gebühren für eine Anfrage veranschlagt, mal werden Informationsanträge von vornherein abgelehnt…
Mehrere Behörden in Deutschland versuchen, die Herausgabe von Ergebnissen der Lebensmittelkontrollen zu verhindern – obwohl sie per Gesetz zur Antwort verpflichtet sind. Das haben die Verbraucherorganisation foodwatch und die Transparenz-Initiative FragDenStaat am Montag kritisiert. Auf dem Online-Portal „Topf Secret“ haben Bürgerinnen und Bürger seit Januar die amtlichen Hygiene-Kontrollergebnisse von deutschlandweit mehr als 20.000 Gaststätten, Bäckereien und anderen Lebensmittelbetrieben angefragt. Statt die Kontrollberichte, wie gesetzlich vorgeschrieben, herauszugeben, stellen sich jedoch mehrere der zuständigen Überwachungsämter quer, so die Organisationen. Manche Behörden drohten etwa mit hohen Kosten, verlangten Ausweisdokumente oder Meldebescheinigungen – andere lehnten die Herausgabe von Informationen über Hygienemängel komplett ab. Dass es anders geht, zeigen beispielweise Ulm, München oder Karlsruhe: Dort haben die Behörden den Antragsstellerinnen und Antragsstellern bereits Informationen zu Hygienemängeln zur Verfügung gestellt.
„Was manche Überwachungsbehörden hier betreiben ist ein Angriff auf die Informationsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Mit Drohungen und Einschüchterungen muss Schluss sein – die Ämter sind verpflichtet, die beantragten Infos zu Hygiene-Kontrollen herauszugeben. Ob sie es wahrhaben wollen oder nicht“, erklärte Arne Semsrott von FragDenStaat. „Die Behörden in Karlsruhe, München oder auch Ulm zeigen, dass es auch anders geht – dort werden die Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern ernst genommen.“
foodwatch und FragDenStaat haben das Mitmach-Portal „Topf Secret“ im Januar gestartet. Unter www.topf-secret.foodwatch.de können Bürgerinnen und Bürger bei den zuständigen Behörden mit wenigen Klicks einen Antrag auf Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Hygiene-Kontrollen stellen. Die gesetzliche Grundlage ist das Verbraucherinformationsgesetz (VIG), das Bürgerinnen und Bürgern das Recht gibt, bei staatlichen Stellen Informationen abzufragen. Während einige Behörden die Anfragen rechtmäßig und ohne Einschüchterungsversuche zur Verfügung stellen, versuchen andere die Herausgabe der Dokumente zu verhindern. Einige Beispiele:
- Übertriebene Kosten: Die Überwachungsbehörde in Helmstedt droht mit hohen Verwaltungskosten. Die Herausgabe eines Kontrollberichtes zu einer „Dönerstation“ soll rund 1.000 Euro kosten, der Bericht zu einer Lidl-Filiale sogar 1.757 Euro. Von den etwa 380 unterschiedlichen Behörden in Deutschland hat nach Kenntnis von foodwatch bislang keine andere solch hohe Kosten verlangt.
- Meldebescheinigung und Ausweisdokumente: Das zuständige Amt in Magdeburg will die Auskunft nur erteilen, wenn ein Antragsteller seine aktuelle Meldebescheinigung vorlegt. In Harburg verlangt das zuständige Amt eine Kopie des Personalausweises, um den Antrag bearbeiten zu können. Fakt ist: Bürgerinnen und Bürger sind gemäß VIG nicht verpflichtet, ihre Identität mit der Vorlage einer Ausweiskopie oder gar durch einen Besuch in der Behörde nachzuweisen.
- Unterstellungen: Die Behörde des Landkreises Mettmann verweigerte eine Informationsauskunft mit der Behauptung, eine Antragstellerin sei nicht an „Sinn und Zweck der Auskunftserteilung“ interessiert, sondern lediglich vom Online-Portal „an sich fasziniert“. Fakt ist: Antragsstellerinnen und Antragssteller sind nicht verpflichtet, ihr Informationsbegehren zu begründen. Vielmehr ergibt sich aus dem VIG ein voraussetzungsloser „Anspruch auf freien Zugang“. Es muss auch kein Interesse oder bestimmter Verwendungszweck nachgewiesen werden.
- Keine Anträge per E-Mail: Das zuständige Amt im Landkreis Börde lehnt Anträge per E-Mail ab, weil es grundsätzlich „keine elektronische Antragstellung“ ermögliche. Fakt ist: Antragsstellerinnen und Antragssteller dürfen seit der Novellierung des VIG im Jahr 2012 Anträge auch formlos, per Telefon oder E-Mail, stellen.
- Auskunft verweigert: Das Verbraucherschutzamt in Lübeck will nur solche Hygiene-Kontrollen herausgeben, die „derart schwerwiegende Beanstandungen enthalten, dass sie ohnehin durch die Lebensmittelüberwachungsbehörden veröffentlich werden müssen“. Fakt ist: Jede und jeder hat gemäß VIG Anspruch auf freien Zugang zu Ergebnissen der Lebensmittelkontrollen – egal wie schwer etwaige Hygienemängel sind. Die Informationsrechte nach dem VIG sind getrennt von der Frage, welche Hygienemängel die Behörden aufgrund besonderer Schwere selbst aktiv veröffentlichen müssen.
Positivbeispiele sind hingegen Karlsruhe, München, Ulm, Landsberg am Lech und der Landkreis Harz: Dort haben die Behörden bereits Kontrollberichte mit Hygienemängeln an Antragsstellerinnen und Antragssteller übermittelt – ohne, dass die Bürgerinnen und Bürger dafür Verwaltungsgebühren zahlen oder einen Personalausweis einschicken sollten. foodwatch und FragDenStaat forderten alle Behörden dazu auf, diesen Beispielen zu folgen. Sollten einige Behörden weiter Anträge ablehnen, würden die Organisationen nicht zögern, die Antragstellerinnen und Antragsteller bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen – notfalls auch auf dem Rechtsweg.
„Erstmals wird das Verbraucherinformationsgesetz tatsächlich auch von Verbraucherinnen und Verbrauchern genutzt. So viele Anträge wie in den letzten Wochen hat es in den 10 Jahren zuvor nicht im Ansatz gegeben. Das darf nicht dazu führen, dass Behörden die Bürgerinnen und Bürger um ihre Informationsrechte beschneiden. Wir werden nicht tatenlos dabei zuschauen, wenn Behörden sich quer stellen – so viel ist sicher. Die Menschen haben ein Recht auf Informationen zur Lebensmittelüberwachung in Deutschland. Geheimniskrämerei in Amtsstuben hat im 21. Jahrhundert nichts mehr verloren“, sagte Oliver Huizinga von foodwatch.
Online-Plattform „Topf Secret“: www.topf-secret.foodwatch.de
Aussender: Dario Sarmadi, foodwatch e.V.
Redaktion: Torben Gösch