Es ist erfreulich, dass der Transport von Rindern in bestimmte Drittstaaten beendet werden soll, es ist jedoch nicht zu erklären, warum die Türkei davon ausgenommen werden soll…
Auch für die Türkei muss es einen Transportstopp geben, da dort Mindeststandards zum Tierschutz nachweislich nicht eingehalten werden.
Grundsätzliche Bewertung
Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt, dass sich das bayerische Umweltministerium entschlossen hat, eine Negativliste von Drittstaaten herauszugeben, in die keine Transporte von Rindern mehr stattfinden sollen.
Damit wird die überfällige Konsequenz, aus der seit Langem vorgebrachten Kritik an derartigen Langstreckentransporten und auch Schlachtmethoden, in zahlreichen Drittstaaten gezogen, die mit durch nichts zu rechtfertigenden Grausamkeiten den Tieren gegenüber verbunden sind.
Diesem Beispiel sollten alle Bundesländer folgen. Transporte in die genannten Drittstaaten müssen bundesweit untersagt werden. Die anderen EU-Mitgliedsländer sollten diesem positiven Beispiel folgen und die Exporte ebenfalls beenden.
Umfangreiche Dokumentationen belegen, dass die EU-Transportvorschriften in den Drittstaaten nicht eingehalten werden. Bei der Abfertigung der Transporte kann die Behörde in Deutschland nicht sicherstellen, dass die Vorgaben der EU-Transportverordnung bis zum Bestimmungsort im Drittland eingehalten werden. De facto ist es außerhalb der EU-Grenzen nicht möglich zu kontrollieren, ob die Verordnung eingehalten und durchgesetzt wird. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 2015 bestätigt hingegen, dass genau das gewährleistet werden muss.
Es gelten in Drittstaaten mehrheitlich andere Auffassungen zum Umgang mit Tieren; Tierschutzgesetze oder sonstige Tierschutzvorgaben existieren nicht in jedem Land.
Auch der Beschluss des EU-Parlamentes vom 14.02.2019 fordert dazu auf, Langstreckentransporte zu beschränken und durch den Handel mit Fleisch bzw. genetischem Material zu ersetzen. Der Deutsche Tierschutzbund ist der Ansicht, dass es keine Transporte lebender Tiere über lange Strecken geben darf. Langstreckentransporte stellen immer eine enorme Belastung für die Tiere dar und sollten komplett verboten werden.
Stellungnahme zum Vorschlag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 19.02.2019 zu Tiertransporten in Drittstaaten Transporte in die Türkei
Abgesehen davon ist nicht nachvollziehbar, weshalb bestimmte Drittstaaten, wie die Türkei, Irak oder Jordanien, bisher nicht in die Liste aufgenommen wurden, womit sie weiterhin als Exportländer genehmigungsfähig sind. Transporte in die Türkei müssen unverzüglich beendet werden. Die Transportbedingungen in die Türkei sind keineswegs tierschutzkonformer, als die in andere Drittländer, welche entsprechend der Negativliste nicht mehr beliefert werden sollen. Hingegen sind die Probleme gerade bei Transporten in die Türkei besonders gut dokumentiert.
Im Jahr 2017 wurden 81.000 sogenannte Zuchtrinder aus Deutschland in Drittstaaten exportiert, davon 30.000 in die Türkei.
Wenn diese Transporte gesetzeskonform ablaufen, dauern sie ca. 91 Stunden, liegt der Bestimmungsort in der Osttürkei, dauern diese entsprechend länger. Das bedeutet, die Rinder werden 29 Stunden lang transportiert, bevor sie den LKW das erste Mal verlassen. Wie bekannt ist, versuchen Rinder so lange zu stehen, wie es ihre Kräfte ihnen erlauben, obwohl es besonders erschöpfend ist, die Fahrtbewegungen auszubalancieren. Eine ausreichende Versorgung mit Wasser und Futter ist auf dem Lastwagen nicht möglich. Nach 29 Stunden Fahrt werden sie abgeladen und es muss ihnen eine Versorgungspause von 24 Stunden gewährt werden. Danach kann der Transport für weitere 29 Stunden fortgesetzt werden, dieser Zyklus darf beliebig oft wiederholt werden.
Der bulgarisch-türkische Grenzübergang ist seit Jahren dafür bekannt, dass es dort regelmäßig zu langen Wartezeiten kommt. Im günstigsten Fall kann die Grenze innerhalb von sechs Stunden passiert werden, oft dauert es jedoch tagelang. Die wartenden LKW stauen sich, die Tiere verbleiben auf den Lastwagen, es gibt keinen Schatten und kein Wasser. Diese Zustände wurden erst im Audit der Generaldirektion Gesundheit der EU-Kommission im September 2017 wieder beschrieben.
Haben die Transporter die Grenze passiert, gibt es keine Versorgungsstationen für die weiteren Versorgungspausen. So kam 2018 eine türkische Delegation nach Deutschland, um sich über die Einrichtung von Versorgungsstationen zu informieren.
Schlachtmethoden in der Türkei Während der Schutz der Tiere in der EU in der Tierschutz-Schlachtverordnung geregelt ist, fehlt ein vergleichbares Werk in der Türkei. Es existiert kein gesetzlicher Schutz für die Tiere. Die Tiere werden grundsätzlich ohne Betäubung geschlachtet. Wie z. B. im Filmbeitrag „37 Grad – Geheimsache Tiertransporte“ im November 2017 dokumentiert wurde, erfolgt nicht einmal in Schlachthöfen ein schonendes und schnelles Schlachten – sofern dies beim Schächten überhaupt gegeben sein kann. Wie die Tierärztin Lesley Moffat, die für die Tierschutzorganisation „Eyes on Animals“ berichtet, gibt es zwar Schlachthöfe in der Türkei, die einer Beratung und Schulung aufgeschlossen gegenüberstehen, das ist jedoch nicht die Regel. Der Umgang mit den Tieren vor der Schlachtung ist gewaltsam, sämtliche Grundsätze der Tierschutz-Schlachtverordnung und der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) werden missachtet. Auch die Dissertation von E. Eser aus dem Jahr 2012 belegt erhebliche Wissensdefizite beim Schlachtpersonal und tierschutzwidrige Arbeitsweisen. Rinder werden unbetäubt an den Hintergliedmaßen aufgehängt, anschließend werden ihnen die Halsschlagadern durchtrennt. Wenn das mit einem sehr scharfen und sehr großen Messer erfolgt, sind die Schmerzen für das Tier geringer, als wenn mit einem kurzen Messer in mehreren sägenden Schnitten geschlachtet wird. Gerade das geschieht jedoch sehr häufig in diesen Schlachthöfen. Der Tod und die Bewusstlosigkeit treten oft erst nach 20 bis 30 Minuten ein, das Tier erleidet in dieser Zeit größte Schmerzen.
Hinzu kommt, dass Rinder auch außerhalb von Schlachthöfen geschlachtet werden dürfen. Durch eine Änderung der Gesetzeslage wurde das Schlachten durch Privatpersonen außerhalb von Schlachthöfen erleichtert, wie aus dem USDA-Bericht von 2017 hervorgeht. Das „Hinterhofschlachten“ ist unweigerlich mit massiven Tierschutzverstößen verbunden.
Zwar werden die aus Deutschland importierten Rinder ursprünglich als Zuchttiere gehandelt, jedoch geht der Milchkonsum in der Türkei zurück. Die Schlachtzahlen hingegen steigen, da die Nachfrage nach Rindfleisch wächst. Somit werden die aus Deutschland importierten Zuchtrinder und ihre Kälber über kurz oder lang geschlachtet.
Die in den Leitlinien der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) festgelegten Mindeststandards zum Umgang mit Tieren, zu Transport- und Schlachtmethoden hat auch die Türkei unterzeichnet. In der Praxis werden diese Grundsätze jedoch in jeder Hinsicht ignoriert.
Aussender: Deutscher Tierschutzbund
Redaktion: Torben Gösch