Repräsentative Umfrage: 82 Prozent der Verbraucher sind gegen Gesundheitswerbung für ungesunde Lebensmittel – foodwatch fordert Nestlé, Aldi Nord & Co auf, Werbelügen zu stoppen

Berlin, 17.04.17 – 82 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland lehnen Gesundheitswerbung für ungesunde Lebensmittel ab. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Emnid-Umfrage im Auftrag der Verbraucherorganisation foodwatch. Lebensmittelhersteller dürfen bisher selbst Süßigkeiten oder zuckrige Getränke mit Gesundheitsversprechen vermarkten – wenn sie einfach Vitamine oder Mineralstoffe künstlich zusetzen…

Die laut foodwatch fünf dreistesten Gesundheits-Werbelügen sind die Frühstücksflocken „Nesquik“, die Traubenzucker-Tafeln „Dextro Energy“, die Mini Salami von „Ferdi Fuchs“, das Kakaogetränk „Ovomaltine“ und das Joghurt-Getränk von Aldi Nord „Vollfit“. foodwatch forderte die Hersteller auf, die irreführende Werbung für ihre Produkte zu stoppen und startete eine entsprechende E-Mail-Protestaktion unter www.aktion-gesundheitsschwindel.foodwatch.de.

„Die Lebensmittelindustrie setzt ihren Produkten künstlich Vitamine zu, um Süßigkeiten, Zuckergetränken oder anderem Junkfood einen gesunden Anstrich zu verpassen. Mit ihren Werbelügen torpedieren die Hersteller das Bemühen der Menschen, sich gesund zu ernähren“ , erklärte Sophie Unger von foodwatch. „Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben den dreisten Gesundheitsschwindel im Supermarkt satt. Höchste Zeit für Nestlé, Aldi Nord und Co. ihre Werbelügen zu beenden.“

foodwatch kritisierte fünf Produkte als die dreistesten Gesundheitslügen:

1. Nesquik Frühstücksflocken (Hersteller: Nestlé)

Mit großen Hinweisen auf den Gehalt von Vollkorngetreide, Vitaminen und Mineralstoffen will Hersteller Nestlé seinen Nesquik-Frühstücksflocken einen gesunden Anstrich verpassen. Tatsächlich besteht das Schoko-Frühstück aber zu einem Viertel aus Zucker – und ist damit keineswegs ein ausgewogener Start in den Tag für Schulkinder, sondern schlicht eine Süßigkeit.

2. Dextro Energy (Hersteller: Dextro Energy)

Die kleinen Täfelchen suggerieren, der Mensch müsse Traubenzucker konsumieren, um geistige und körperliche Leistung zu erbringen. Die Wahrheit: Wer regelmäßig hohe Mengen Zucker zu sich nimmt, wird nicht leistungsfähiger, sondern hat ein höheres Risiko für Übergewicht und Diabetes. Den Traubenzucker, den der Mensch tatsächlich braucht, kann der Körper aus Stärke selbst aufspalten.

3. „Ferdi Fuchs Mini Salami“ (Hersteller: Stockmeyer)

Hersteller Stockmeyer bewirbt seine „Ferdi Fuchs Mini Salami“ wie ein Wundermittel für die Kindergesundheit: für das Immunsystem, für geistige Leistung und Zellschutz sowie gegen Müdigkeit. Doch die Salami enthält mehr Fett und sogar doppelt so viel Salz wie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Kinderlebensmittel empfohlen.

4. Ovomaltine (Hersteller: Wander)

Der Schweizer Hersteller „Wander“ bewirbt sein bekanntes Kakaopulver als „tägliche Energie für körperliche und geistige Leistungsfähigkeit“. Doch zahlreiche zugesetzte Vitamine, Mineralstoffe und der charakteristische Malzgehalt ändern nichts daran: Ein Getränk mit umgerechnet fast sieben Zuckerwürfeln pro 200-Milliliter-Glas ist eine Süßigkeit und kein gesunder Energielieferant.

5. Vollfit Joghurt Drink Erdbeere-Banane von Milsa+ (Hersteller: Nöm AG für Aldi Nord)

Aldi Nord bewirbt das Kinder-Joghurt-Getränk seiner Eigenmarke als Beitrag für das Immunsystem sowie für Knochen und Zähne. Doch die umgerechnet sechs Zuckerwürfel pro 125-Gramm-Fläschchen begünstigen Übergewicht und Karies.

Laut einer repräsentativen Emnid-Umfrage im Auftrag von foodwatch lehnen mehr als 80 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher Gesundheitswerbung auf solchen ungesunden Produkten ab: Der Aussage „Verarbeitete Lebensmittel mit sehr viel Zucker, Fett oder Salz sollten nicht als gesund beworben werden“ stimmten 57 Prozent „sehr zu“, 25 Prozent stimmten ihr „eher zu“. 17 Prozent lehnten die Aussage ab.

Zwar müssen sich Lebensmittelhersteller seit 2012 ihre gesundheitsbezogenen Werbeaussagen durch die EU genehmigen lassen – erlaubt sind derzeit rund 250 „Health Claims“. Doch welche Produkte die Hersteller mit dieser Werbung schmücken dürfen, ist bislang nicht geregelt. Eigentlich hätte die Europäische Union schon 2009 sogenannte Nährwertprofile mit Mindestanforderungen an die Nährwertzusammensetzung vorlegen müssen. Doch das ist bis heute nicht passiert. Auf Druck der Lebensmittellobby sollen die Nährwertprofile nun sogar komplett aus der Verordnung zu Health-Claims gestrichen werden. Die EU-Kommission plant ihre Entscheidung im Laufe dieses Jahres zu fällen. foodwatch forderte die Kommission auf, das Nährwertmodell der WHO umgehend umzusetzen: Nur jene Produkte, die die Kriterien für ausgewogene Lebensmittel der Weltgesundheitsorganisation erfüllen, sollten künftig mit Vitaminwerbung vermarktet werden dürfen.

Das WHO-Regionalbüro für Europa hatte Anfang 2015 konkrete Vorgaben für ernährungsphysiologisch ausgewogene Produkte definiert. Dabei spielen unter anderem die Anteile von Fett, Zucker und Salz, aber auch der Kaloriengehalt oder zugefügte Süßstoffe eine Rolle. Die WHO hat das Modell ursprünglich für die Beschränkung von Kindermarketing entwickelt, empfiehlt den Einsatz von Nährwertprofilen jedoch auch in anderen Zusammenhängen zur Förderung einer gesunden Ernährung.

– E-Mail-Aktion gegen Gesundheitsschwindel: www.aktion-gesundheitsschwindel.foodwatch.de

Aussender: foodwatch e.V., Dario Sarmadi
Redaktion: Torben Gösch