Save the Children warnt vor geplantem EU-Libyen-Deal: Tausenden Kinderflüchtlingen drohen Festsetzung, Gewalt und Missbrauch – im kriegszerrütteten Land herrschen unmenschliche Zustände

Berlin, 2. Februar 2017. Die EU-Staatenchefs versammeln sich morgen, 3. Februar, zu einem informellen Ratstreffen in Malta. Es wird erwartet, dass dort eine Einigung über einen neuen Plan für die Flüchtlingspolitik erreicht wird. Dieser sieht vor, dass libysche Küstenwachen künftig Ausreisen von Flüchtlingen und Migranten verhindern sollen, indem sie die Schiffe blockieren und die Menschen zwangsweise zurückbringen in das vom Krieg erschütterte Land. Sollte der Vorschlag angenommen werden, besteht die Gefahr, dass Kinder Opfer von Misshandlungen werden durch Menschenhändler und bewaffnete Kriegsmilizen…

Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass libysche Küstenwachen darin ausgebildet werden, das Ablegen von Flüchtlingsbooten zu verhindern, die auf dem Weg nach Europa sind. Ziel der EU sei es, das „Geschäftsmodell der Menschenhändler zu zerstören“. Ohne solide menschenrechtliche Garantien und Schutzmechanismen für diejenigen, die in Libyen zurückbleiben müssen, führt dieser Plan aber vielmehr dazu, dass Kinder für eine längere Zeit dem Risiko ausgesetzt sind, Opfer von Gewalt zu werden.

„Push-back-Aktionen mit Kindern in ein Land, das viele als Hölle beschreiben, sind keine Lösung”, sagte Ester Asin, Leiterin des Brüsseler Büros von Save the Children. „Wieder einmal lagert die EU ihre Verantwortung aus, die Rechte von Migranten und Flüchtlingen zu schützen – ohne sich zu vergewissern, was mit den vielen Menschen geschehen wird, sobald sie wieder nach Libyen gebracht werden“, so Asin weiter. „Flüchtlinge werden in Libyen in Abschiebegefängnissen eingesperrt. Die Bedingungen dort sind unmenschlich. Uns liegen Berichte vor von Menschen, die dort geschlagen, ausgepeitscht und an Bäumen aufgehängt werden. Wir haben zahllose Fälle von Frauen und Kindern, die verfolgt, geschlagen und vergewaltigt wurden.“

„Wir sind außerdem besorgt über die Familien, die zwangsweise in die Länder zurückgeschickt werden, aus denen sie vor Verfolgung, Krieg, Vergewaltigung, Folter und Ausbeutung geflohen sind.“

Die Such- und Seenotrettungsaktionen von Save the Children im Mittelmeer haben derweil mehr als 2.700 Menschen das Leben gerettet seit September, darunter mehr als 400 Kinder. Viele dieser Kinder waren alleine unterwegs.

Rob MacGillivray, Leiter des Search-and-Rescue-Programms von Save the Children: „Viele der geretteten Kinder haben uns von physischen und sexuellen Misshandlungen durch die Menschenhändler berichtet, oder dass sie zur Zwangsarbeit und Kriegsdiensten durch bewaffnete Gruppen gezwungen worden seien. Andere erzählen uns von dem Alptraum, in Libyen gefangen zu sein. Die Gewalt sei allgegenwärtig, selbst Kinder mit halbautomatischen Waffen würden durch die Straßen laufen. Zwar enthält der EU-Vorschlag Pläne, die Bedingungen in Flüchtlingsunterkünften zu verbessern. Es ist aber höchst besorgniserregend, dass er diesbezüglich keinerlei verbindlichen Garantien enthält.“

MacGillivray weiter: „Menschenwürdige Neuansiedlungen in Drittstaaten, humanitäre Visa, aber auch mehr Möglichkeiten für temporäre Migration im Rahmen von Arbeits- und Studentenvisa müssen geschaffen werden, um zu verhindern, dass Menschen ihr Leben auf dem Weg über das Meer riskieren. Mehr Geld sollte investiert werden, um die Zustände zu verbessern, die Menschen dazu zwingen, ihre Heimatländer zu verlassen.“

Save the Children hat zudem, gemeinsam mit mehr als 100 weiteren Nichtregierungsorganisationen, wiederholt den sogenannten Migrationspartnerschaftsrahmen EU kritisiert: „Dieser Partnerschaftsrahmen, von dem dieser neue Vorschlag nur ein weiteres Puzzlestück ist, sieht größere Kooperationen der EU mit Ländern in Afrika und dem Mittleren Osten vor. Unser Eindruck ist, dass er allein ein Ziel verfolgt: Migration zu reduzieren, auf Kosten der europäischen Glaubwürdigkeit. Fundamentale Werte und Menschenrechte werden hier zur Verhandlungsmasse“, sagt Ester Asin, Leiterin des Brüsseler Büros von Save the Children.

Aussender: Save the Children Deutschland e.V., Anna Blässer
Redaktion: Torben Gösch