Wer dachte, der „braune Spuk“ sei 50 Jahre nach Kriegsende vorbei, wurde Anfang der neunziger Jahre schmerzhaft eines Besseren belehrt. Neo-Nazi-Aufmärsche, Brandanschläge auf Asylbewerberheime und zuletzt auf die Synagoge in der St. Annen-Straße schreckten die Bürger in Lübeck auf…
Doch diese ließen sich nicht davon einschüchtern, noch verzagten sie. Zahlreiche Einzelpersonen und unterschiedliche Initiativen standen dagegen auf und setzten dem Wüten dieser Brandstifter ganz entschieden ein Erinnern, Mahnen und Nachdenken entgegen. Seit dem hat sich vieles in unserer Gesellschaft zum Guten entwickelt, andererseits hat sich an der Notwendigkeit des Wachsamseins gegenüber rechtsradikaler Aktivitäten in unserer Gesellschaft nichts geändert.
Zum mittlerweile 26. Mal veranstalten in diesem Jahr Bürgerinnen und Bürger, Kirchengemeinden, Museen und Vereine Lübecks vielfältige Aktionen zum Gedenken an die Opfer nationalsozialistische Gewalt aber auch zugleich zur Stärkung des Bewussteins politischen Verantwortlichkeit aller in unserer Stadt. Heute wurde das umfangreiche Programm der „Zeit des Erinnerns“ im Rahmen eines Pressegesprächs von Senatorin Kathrin Weiher und Vertretern der beteiligten Institutionen im Haus der Kulturen vorgestellt. Die Dichte der Erinnerung in den Novembertagen in Lübeck ist eine in dieser Form in Deutschland einmalige Art des Gedenkens – breite Teile der Bevölkerung sind aktiv darin einbezogen.
Erstmalig gibt es in diesem Jahr ein richtiges Programmheft, in dem die einzelnen Aktionen kurz und anschaulich vorgestellt werden: Im Mittelpunkt der Reihe steht das Gedenken am 9. und 10. November, das in erster Linie der jüdischen Bevölkerung sowie dem Andenken an die vier Lübecker Märtyrer gilt. Darüber hinaus wird aber auch an viele andere Gruppen und einzelne Personen erinnert, die von den Nationalsozialisten ausgegrenzt, verfolgt und ermordet wurden; von denen aber doch auch Spuren ihres Lebens und Wirkens für uns heute Lebenden bewahrt wurden. Im Haus der Kulturen trägt beispielsweise Volker Schauer Jüdische Lieder von Schmerz, Trauer und Glück vor. Der Historiker Marcus Velke erklärt, warum das „Dritte Reich“ 1945 für Homosexuelle nicht zu Ende war. In einem abendfüllenden Workshop geht es um Diskriminierung und Gewalt. In der Hanseschule wird das Schicksal von Malka Rosenthal erzählt, die live aus Israel zugeschaltet wird. Und zum Abschluss der Reihe wird am Abend des 6. Dezembers an den 75. Jahrestag der Deportation jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus Lübeck gedacht.
Aussender: Presseamt Lübeck
Redaktion: TG