Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerks Krümmel: Vattenfall hat Sicherheitsbericht vorgelegt

KIEL. Das Verfahren zu Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerks Krümmel geht voran: Die Vattenfall-Betreibergesellschaft hat bei der schleswig-holsteinischen Reaktorsicherheitsbehörde den Sicherheitsbericht und einen Vorschlag für den Rahmen einer Umweltverträglichkeitsuntersuchung eingereicht. Damit sind zwei wesentliche Grundlagen für den Rückbau gelegt…

„Wir bauen die Atomkraftwerke zurück und beenden damit ein elendes Kapitel dieser Risikotechnologie. Der Rückbau ist ohne Frage ein Mammutprojekt, aber der Atomausstieg wird in absehbarer Zeit sichtbar werden – dann auch in Krümmel“, sagte Energiewendeminister Robert Habeck heute (20. Mai 2016) in Kiel.

Das Kernkraftwerk Krümmel hatte seine Berechtigung zum Leistungsbetrieb bereits Mitte 2011 durch Atomgesetzänderung in Folge der Atomkatastrophe von Fukushima verloren. Den Stilllegungs- und Abbauantrag stellte Vattenfall allerdings erst vier Jahre später: im August 2015.

Umso wichtiger ist es nach Überzeugung des Energiewendeministeriums, dass das Verfahren jetzt Zug um Zug vorankommt. „Der Sicherheitsbericht ist hierfür ein elementarer Schritt, dem aber die nächsten folgen müssen. Weitere Verzögerungen, etwa durch Personalreduzierungen, darf es nicht geben“, so Habeck.

Habeck: „Gut, dass Vattenfall sich für den direkten Abbau entschieden hat.“

Positiv bewertete der Minister, dass Vattenfall sich in Krümmel – wie auch in Brunsbüttel – für den direkten Abbau des Kernkraftwerks entschieden hat. „Wer der Meinung ist, man könnte das Kernkraftwerk einmotten und noch 20, 30 oder mehr Jahre mit dem Abbau warten, muss sich fragen, ob die notwendigen Finanzmittel, das Know-how oder die verantwortliche Betreibergesellschaft dann überhaupt noch da sind“, sagte Minister Habeck. Deshalb ist nach Überzeugung des Ministeriums ein zügiger Abbau – unter strenger Beachtung des Strahlenschutzes – dem sogenannten „sicheren Einschluss“ vorzuziehen.

Der nach dem Atomgesetz derzeit noch mögliche „sichere Einschluss“ würde bedeuten, dass das Kernkraftwerk zunächst für Jahrzehnte stehenbleibt, inklusive des Weiterbetriebes wichtiger Systeme, Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten sowie einer Überwachung durch die Atomaufsicht. Der Abbau könnte erst danach beginnen. Ein dauerhafter, zeitlich unbegrenzter Einschluss ist rechtlich schon jetzt nicht zulässig.

Das Energiewendeministerium bevorzugt den direkten Abbau aus zwei Gründen: Zum einen kann so noch möglichst lange die Erfahrung des Betriebspersonals genutzt werden. Das Durchschnittsalter der Vattenfall-Beschäftigten liegt derzeit bei knapp 48 Jahren. Zum anderen würde ein jahrzehntelanges Abwarten bis zum Beginn der Abbaumaßnahmen unweigerlich die Frage aufwerfen, ob hierfür dann überhaupt noch die notwendigen Geldmittel zur Verfügung stehen.

Der sogenannte „sichere Einschluss“ soll nach den Vorschlägen der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Atomausstiegs (KFK) außerdem künftig verboten werden. „Diese einstimmige Empfehlung begrüße ich ausdrücklich“, sagte Habeck.

Habeck: „Betreiber muss klar machen, wo die schwach- bis mittelradioaktiven Abfälle zwischengelagert werden sollen.“

Kritisch am Sicherheitsbericht für den Rückbau des Kernkraftwerks Krümmel sieht der Minister, dass darin keine klaren Aussagen zur Lagerung der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle enthalten sind. Die Betreibergesellschaft hält sich hierzu mehrere Möglichkeiten offen. Dazu gehören die Mitnutzung des Zwischenlagers für Brennelemente, ein Anbau an dieses Gebäude oder eine mögliche Lagerung an anderen Standorten. „Das ist eine zentrale Frage des Entsorgungskonzepts; sie muss noch vor dem Erörterungstermin geklärt werden“, so Minister Habeck. Eine externe Lagerung hielte er für die schlechteste der Lösungen.

Weitere Schritte im Stilllegungs- und Rückbauverfahren

Mit der Vorlage des Sicherheitsberichts und des Vorschlags zum Rahmen für die Umweltverträglichkeitsuntersuchung können in einem nächsten Schritt beteiligte Behörden, Umweltverbände und Bürgerinitiativen in das Verfahren einbezogen werden. Im sogenannten Scoping-Termin Ende Juni 2016 sollen Umfang und Inhalt der Umweltverträglichkeitsuntersuchung und der noch beizubringenden Unterlagen erörtert werden. Der Erörterungstermin mit denjenigen, die Einwendungen gegen das Vorhaben erheben, wird voraussichtlich im Jahre 2017 stattfinden.

Mit einer Entscheidung über die Genehmigung rechnet das Ministerium nach jetzigem Stand nicht vor Ende 2018. Der Zeitpunkt hängt wesentlich davon ab, wie zügig die Betreibergesellschaft den jetzt vorliegenden Sicherheitsbericht durch konkrete Planungsunterlagen ergänzt. Nach einer Genehmigung rechnet der Betreiber mit 10 bis 15 Jahren, bis das Kernkraftwerk aus dem Atomrecht entlassen werden kann. Anschließend ist der Abriss der Gebäude mit rund drei Jahren veranschlagt.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Rückbau-Genehmigung wird nach Antragslage die Brennelementfreiheit des Kernkraftwerks sein. Deshalb müssen vor Beginn von Stilllegung und Abbau alle 1.002 Brennelemente, die sich noch im Kernkraftwerk befinden, entfernt sein. Dabei sollen die 990 bestrahlten Brennelemente in das Zwischenlager am Standort (SZL) verbracht und die 12 unbestrahlten Brennelemente an noch im Leistungsbetrieb befindliche Kernkraftwerke abgegeben werden.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens müssen auch noch rund 200 „Sonderbrennstäbe“ – einzelne Brennstäbe, die im Laufe der Betriebszeit insbesondere wegen Brennstab- oder Brennelementschäden aus den Brennelementen entnommen wurden – in speziell hierfür geeigneten Behältereinbauten (Köchern) im SZL gelagert werden; hierfür hat die Betreibergesellschaft beim zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz eine Genehmigung beantragt. Erst danach, also bei vollständiger Kernbrennstofffreiheit, kann der Abbau von Reaktordruckbehälter, Biologischem Schild und weiteren aktivierten Anlagenteilen sowie der Bereiche um das Brennelement-Lagerbecken, den Abstell- und den Reaktorraum erfolgen.

Habeck: „Transparenz und Sicherheit stehen beim Rückbau oben.“

Die Gesamtmasse des Kernkraftwerks Krümmel beträgt nach Angaben Vattenfalls etwa 541.000 Tonnen. Davon entfällt der weitaus größte Teil auf Gebäudestrukturen (z.B. Gebäudemassen, Setzsteine und Armierungsstahl). Der Rest entfällt im Wesentlichen auf Anlagen- und Einrichtungsmassen (z.B. Armaturen, Behälter, Pumpen, elektrische Einrichtungen, Kabel, Lüftungsanlagen, Rohrleitungen, Isolierungen, Hebezeuge, Reaktordruckbehälter und -einbauten, Stahlschale des Sicherheitsbehälters, Filter).

Rund 1,5 Prozent der Gesamtmasse müssen nach derzeitiger Abschätzung als nicht Wärme entwickelnder radioaktiver Abfall konditioniert und bis zur Abgabe an ein bundesweites Endlager für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle zwischengelagert werden.

Etwa 1 Prozent der Gesamtmasse soll nach Angaben Vattenfalls eine Freigabe zur Beseitigung erhalten, d.h. im Wesentlichen, dass sie entsprechend dem Kreislaufwirtschaftsgesetz an geeignete Deponien abgeliefert werden. Für die weitaus größte Menge des Materials, etwa 97,5 Prozent der Gesamtmasse, ist letztlich die Entlassung aus der atomrechtlichen Überwachung und anschließend die Weiterverwendung oder Rezyklierung nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz vorgesehen.

Beim Rückbau durchlaufen alle Materialien ein strenges Messverfahren, das von der Atomaufsicht und von Sachverständigen überwacht wird. Damit wird sichergestellt, dass alles, was das Kernkraftwerk verlässt, die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung einhält.

„Weder von diesen Abfällen noch von denen, die deponiert werden müssen, geht eine Gefahr aus“, sagte Minister Habeck. „Ich weiß aber, dass alles, was mit Atomkraft zusammenhängt, leicht Sorgen auslöst, auch ein Rückbau. Deshalb stehen bei allen Schritten Sicherheit und Transparenz oben“, sagte Minister Habeck.

Für die Deponierung von freigemessenen Abfällen führt das Energiewendeministerium seit geraumer Zeit breit angelegte Gespräche mit der schleswig-holsteinischen Abfallwirtschaft, Kommunen und Verbänden, um zu vernünftigen Lösungen im eigenen Land zu kommen.

Der Sicherheitsbericht sowie der Vorschlag zum voraussichtlichen Untersuchungsrahmen für die Umweltverträglichkeitsuntersuchung können im Internet heruntergeladen werden: http://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/R/reaktorsicherheit/kkwKruemmel.html

Gleiches wird auch im weiteren Verlauf des Verfahrens für die ergänzenden technischen Unterlagen gelten.

Aussender: Nicola Kabel, Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (SH)
Redaktion: TG