Umstrittener Cholesterinsenker: foodwatch stellt Antrag auf Entzug der Lebensmittelzulassung für Unilevers Becel pro.activ

Berlin, 1. September 2015. Die Verbraucherorganisation foodwatch hat bei der Europäischen Kommission den Antrag gestellt, der cholesterinsenkenden Margarine Becel pro.activ die Zulassung als Lebensmittel zu entziehen. Grund dafür sind eine Reihe wissenschaftlicher Studien. Diese bringen Produkte, die wie Becel pro.activ hochkonzentriert mit einem speziellen Wirkstoff (Phyto- bzw. Pflanzensterine) versehen sind, mit möglichen Nebenwirkungen in Verbindung.

Auf Betreiben Unilevers hatte die Europäische Kommission „gelben Streichfetten mit Phytosterinzusatz“ und damit Becel pro.activ im Jahr 2000 die Zulassung als sogenannte „neuartige Lebensmittel“ (novel food) erteilt – und dabei auch auf ihre Sicherheit überprüft. Die europäische Novel-Food-Verordnung macht zur Vorgabe: Neuartige Lebensmittel „dürfen keine Gefahr für die Verbraucher darstellen“ (EU VO 258/97, Art. 3 Abs. 1). Zum Zeitpunkt der Zulassung lagen die heute bekannten, kritischen Studien allerdings noch nicht vor. „Die daraus resultierende Risikobewertung steht im Widerspruch zur Novel-Food-Verordnung, nach der ein Risiko für die Gesundheit der Verbraucher ausgeschlossen werden muss“, heißt es in dem Antrag auf Aberkennung der Zulassung, den foodwatch am Montag an EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis übermittelte.

„Der Stand der Wissenschaft hat sich geändert. Es gibt ernstzunehmende Hinweise auf Nebenwirkungen, die Unilever und die anderen Hersteller nicht ausräumen können. Darauf muss die Europäische Kommission reagieren und den Produkten ihre Zulassung entziehen“, forderte Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer von foodwatch. „Die Novel-Food-Verordnung ist klar: Ein Lebensmittel darf nicht zugelassen werden, wenn es Zweifel an seiner Sicherheit gibt. Genau dies ist bei Becel pro.activ der Fall.“

In den Jahren nach der Lebensmittelzulassung wurden mehrere Studien publiziert, die nahe legen, dass hochkonzentriert zugesetzte Pflanzensterine das verursachen könnten, was sie eigentlich verhindern sollen: Ablagerungen in den Gefäßen und damit ein erhöhtes Risiko auf Herzkrankheiten. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt unter Verweis auf mögliche Gesundheitsrisiken seit 2008, dass der Verzehr von Lebensmitteln mit zugesetzten Pflanzensterinen von gesunden Menschen ohne Cholesterinproblem „ausdrücklich vermieden werden sollte“ – zugleich betont das BfR, dass diese Produkte eben „zu einem großen Teil von Personen verzehrt werden, die keinen erhöhten Cholesterinspiegel haben sowie auch von Kindern“.

foodwatch wehrt sich zudem presserechtlich gegen eine – nach Auffassung der Verbraucherorganisation nachweislich falsche – Aussage Unilevers, der zufolge es „aus wissenschaftlicher Sicht … keinen Hinweis“ auf Nebenwirkungen bei Becel pro.activ gebe. Nach einer Klage der Verbraucherorganisation wird das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg am heutigen Dienstag ein Urteil in zweiter Instanz fällen (Az 7 U 7/13; Termin zur Urteilsverkündung: Dienstag, 1. September 2015, 10 Uhr im Hanseatischen Oberlandesgericht, Sievekingplatz 2, 20355 Hamburg – Sitzungssaal 210, 1. Stock). Während der mündlichen Verhandlung Ende Juli tendierte der Vorsitzende Richter jedoch dazu, das Unilever-Zitat nicht als belegbare Tatsachenbehauptung einzustufen, sondern als reine „Meinungsäußerung“. Als solche wäre sie unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt zulässig.

Matthias Wolfschmidt von foodwatch erklärte: „Auch wenn das Presserecht es nicht verhindern kann, dass Unilever Hinweise auf Nebenwirkungen leugnet, sind die entsprechenden Studien in der Welt. Die Europäische Kommission darf an der einmal erteilten Zulassung nicht festhalten, wenn an der Sicherheit der Produkte Zweifel bestehen.“

Informationen und E-Mail-Aktion zu Becel pro.activ: tinyurl.com/becelproactiv

Aussender: Foodwatch e. V.
Redaktion: TG / Hallo-Holstein