BERLIN, 18.06.2013 – „In Europa wird gerne vergessen, dass achtzig Prozent der Flüchtlinge von Entwicklungsländern aufgenommen werden“, sagt Franziska Vilmar, Asylexpertin von Amnesty International anlässlich des diesjährigen Weltflüchtlingstags am 20. Juni. Dieses Jahr sind so viele Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung wie zuletzt Mitte der 1990er Jahre. Nur ein Bruchteil wird von Industrieländern aufgenommen. „Angesichts dieser Zahlen muss Europa dringend mehr Aufnahmeplätze für besonders bedürftige Flüchtlinge anbieten“, fordert Vilmar. Bisher stellen die EU-Staaten nur knapp 5000 Plätze für das sogenannte Resettlement-Programm der UNO bereit.
„Aktuell werden über 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien von den Nachbarländern, vor allem in Jordanien, dem Libanon und der Türkei, aufgenommen“, sagt Vilmar. „Europa muss mehr tun, um diese Flüchtlinge zu unterstützen. Dass Griechenland nach wie vor Boote mit syrischen Flüchtlingen in türkische Gewässer zurückdrängt, ist ein Skandal.“
An Deutschland gerichtet, erklärt Vilmar: „Deutschland muss innerhalb von Europa endlich solidarischer für den Flüchtlingsschutz einstehen. Es genügt nicht, keine Asylsuchenden mehr nach Griechenland zurückzuschicken, weil dort das Asylsystem zusammengebrochen ist. Die EU-Staaten müssen dringend etwas gegen die massenhafte Inhaftierung von Asylsuchenden und Migranten in Griechenland unternehmen, darunter schutzbedürftige Syrer und Minderjährige.“
Auch das vergangene Woche vom Europaparlament beschlossene „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ sieht Amnesty kritisch. Die neuen europäischen Vorgaben könnten zu noch mehr Inhaftierungen von Asylsuchenden führen. Besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, etwa minderjährige oder Folteropfer, werden nach wie vor nicht von den verkürzten Verfahren, wie dem Flughafenverfahren ausgenommen. Kostenlosen Rechtsbeistand gibt es nur im Gerichtsverfahren und auch nur bei entsprechenden Erfolgsaussichten.
Vilmar betont: „Nationale Interessen waren bei den Verhandlungen wichtiger als das Ziel eines europaweiten wirksamen Flüchtlingsschutzes. Die vielen Ausnahmeregelungen verhindern gleiche Standards. Auch in Zukunft wird es einen Riesenunterschied machen, ob jemand in Ungarn, Schweden oder Italien seinen Asylantrag stellt.“
AMNESTY INTERNATIONAL Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.