Netz-Kollektiv: Suchmaschinen kennen Wünsche (Foto: pixelio.de, G. Altmann)

Suchmaschinen verraten heimliche Interessen – Autovervollständigung gibt Einblick in kollektives Bewusstsein

New York – Die Autovervollständigungs-Funktion, die inzwischen bei fast allen Suchmaschinen zur Standardausstattung gehört, bietet interessante Einblicke in die menschliche Psyche, wie die New York Times berichtet. Die Eingabe eines oft als Einleitung für eine Frage verwendeten Wortes wie „ist“ gibt nämlich bereitwillig Auskunft darüber, welche Auskünfte die Gesamtheit der Nutzer einer Suchmaschine gerade am liebsten hätte. Für die User ist ihre bevorzugte Suchmaschine wie ein enger, persönlicher Freund. Politisch korrekt sind die Fragen, die am häufigsten gestellt werden, deshalb oft nicht.Netz-Kollektiv: Suchmaschinen kennen Wünsche (Foto: pixelio.de, G. Altmann)

 

Sexuelle Orientierung

 

Die englischsprachigen Varianten von Google und Bing beispielsweise vervollständigen den unverdächtigen Satzanfang „ist“ überraschend häufig zu einer Frage über die sexuelle Orientierung einer mehr oder weniger bekannten Persönlichkeit. Dasselbe Ergebnis liefern die Vorschläge bei der Eingabe der Vergangenheitsform „war“. Sehr viele Menschen würden anscheinend gerne wissen, ob Personen wie Dschingis Kahn, George Clooney oder Ellen Page homosexuell sind.

„Da es sich um eine Maschine handelt, ist die Hemmschwelle, Fragen zu stellen vermutlich geringer, da keine persönlichen Befindlichkeiten verletzt werden können“, sagt Olaf Kopp von SEM Deutschland http://sem-deutschland.de gegenüber pressetext. Eine kurze Überprüfung bei Google.at führt jedenfalls zum Ergebnis, dass das Interesse an der sexuellen Orientierung hierzulande geringer ist. Zumindest im Augenblick der Entstehung dieses Textes.

Die Eingabe von „ist“ liefert zwar kuriose Ergebnisse wie „… Xavier Naidoo verheiratet“, aber keine Fragen nach den Schlafzimmer-Gewohnheiten von Promis. Allerdings muss zur Verteidigung der US-Amerikaner gesagt werden, dass sich die Vorschläge ständig ändern. Ein Algorithmus bestimmt, welche Fragen gerade am beliebtesten sind und damit die Liste der wahrscheinlichsten Ergänzungen anführen. „Die Auto-Complete-Funktion repräsentiert die kollektive Neugier unserer Nutzer“, sagt Bing-Manager Nick In’t Ven gegenüber der New York Times.

Geheime Berechnungen

Wie oft eine Frage gestellt werden muss, damit sie in der Autovervollständigung auftaucht, ist ein Geheimnis. Für Suchanfragen aus einzelnen Wörtern liegt die Schwelle aber bei einigen Mio. verlangten Auskünften. Neben sehr allgemeinen Vorgaben führen auch konkretere Eingaben aus mehreren Wörtern zu seltsamen Vorschlägen. Die Wortkombination „Warum sind Amerikaner“ wird von Google sowohl auf englisch als auch auf Deutsch mit den Vorschlägen „fett“, „dumm“ und „patriotisch“ bedacht. Auch andere Vorurteile, etwa gegen Anhänger des jüdischen Glaubens oder Afroamerikaner, tauchen in den Ergänzungen auf.

In einer Google-Stellungnahme zu dem Thema heißt es, die Vorschläge seien ein Spiegel der Such-Aktivitäten aller Internet-Nutzer. Google versuche, diese Diversität akkurat abzubilden, egal ob gut oder schlecht. Vor Manipulation gefeit ist das System allerdings nicht. Motivierte Scherzbolde können durchaus versuchen, die Reihung zu beeinflussen. Einfach ist das allerdings nicht, wie zuletzt der Fall Bettina Wulff gezeigt hat. Sie hat es trotz hartnäckiger Versuche nicht geschafft, anzügliche Vervollständigungsvorschläge zu ihrem Namen verschwinden zu lassen.

„Im Bereich Reputation Management ist die Manipulation der Suchmaschinen-Vorschläge durchaus ein Thema. Ich weiß, dass es von Firmenseite gezielte Anfragen zu dem Thema gibt. Mittels mehrerer neuer Domains, die entsprechend optimiert werden, können negative Vorschläge aus der Vorschlagsliste gedrückt werden“, so Kopp.

pressetext.redaktion
Ansprechpartner: Markus Keßler
Netz-Kollektiv: Suchmaschinen kennen Wünsche (Foto: pixelio.de, G. Altmann)