Beschneidung bleibt künftig möglich

Zu dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen „Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“ erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Das Bundeskabinett hat heute eine Regelung verabschiedet, die die unterschiedlichen Interessen in einen angemessenen Ausgleich bringt. Der ausgewogene Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums eröffnet die große Chance, die durch das Urteil des Landgerichts Kölns entstandene rechtliche Verunsicherung zu beseitigen.

Die Regelung ist das Ergebnis intensiver Arbeit und Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure, die in Expertengesprächen wie in der Ressortbefassung ihr Wissen und ihre Erfahrung eingebracht haben. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung orientiert sich auf der Grundlage des Beschlusses des Deutschen Bundestages auch weitgehend an den Überlegungen des Deutschen Ethikrates.

 

Der neue § 1631d BGB stellt klar, dass die Beschneidung in Deutschland auch künftig möglich ist. Die rechtssystematische Einordnung in das Personensorgerecht des Bürgerlichen Gesetzbuches stellt klar, dass eine Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen Jungen im Rahmen des elterlichen Sorgerechts unter Voraussetzungen möglich ist. Dem Gesundheitsschutz des Kindes wird durch die Bindung an die Regeln der ärztlichen Kunst, die davon umfasste effektive Schmerzbehandlung und das Erfordernis umfassender Aufklärung Rechnung getragen. Die Regelung zwingt die Gerichte nicht zu einer Erforschung religiös motivierter Beschneidung.

Der heutige Beschluss des Kabinetts ist bereits ein wichtiges Signal, um die entstandene Verunsicherung zu beseitigen. Die parlamentarischen Beratungen können jetzt intensiv aufgenommen werden.

Zum Hintergrund:

Nach dem Grundgesetz haben Eltern das Recht auf Erziehung. Die Erziehung liegt primär in der Verantwortung der Eltern. Dazu gehört auch, dass sie sämtliche Fragen, die ihre Kinder betreffen, entscheiden können – auch eine Beschneidung des Jungen nach Regeln der ärztlichen Kunst. Der Staat hat dann ein Wächteramt, wenn im Einzelfall eine Kindeswohlgefährdung droht. Das Bundesjustizministerium hat eine Regelung vorgelegt, die nur auf die Beschneidung von Jungen beschränkt ist, die noch nicht selbst entscheiden können.

In einem Urteil vom 7. Mai 2012 hat eine kleine Strafkammer des Landgerichts Köln die Auffassung vertreten, bei einer an einem vierjährigen Jungen ohne medizinische Indikation vorgenommenen Beschneidung handele es sich trotz Einwilligung der Eltern um eine rechtswidrige Körperverletzung. Die Einwilligung der Eltern sei unbeachtlich, weil die Beschneidung entgegen den Anforderungen des Kindschaftsrechts nicht dem Kindeswohl diene.

Durch die Entscheidung des Landgerichts Köln ist erhebliche Rechtsunsicherheit entstanden, denn bis zu deren Bekanntwerden Ende Juni 2012 war in der Rechtspraxis unbestritten, dass Eltern grundsätzlich auch in eine nicht medizinisch indizierte, zum Beispiel religiös motivierte, Beschneidung einwilligen können. Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung deshalb am 19. Juli 2012 aufgefordert, „im Herbst 2012 … einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist.“

Mit dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf hat die Bundesregierung den Auftrag des Deutschen Bundestages erfüllt. Nach dem Regelungsvorschlag soll im Recht der elterlichen Sorge klargestellt werden, dass die Personensorge der Eltern grundsätzlich auch das Recht umfasst, bei Einhaltung bestimmter Anforderungen in eine nicht medizinisch indizierte Beschneidung ihres nicht einsichts- und urteilsfähigen Sohnes einzuwilligen. Voraussetzungen, unter denen die Eltern in eine Beschneidung ihres Sohnes einwilligen können, sind danach:

Erstens: Die Beschneidung muss fachgerecht und deshalb möglichst schonend und mit einer möglichst effektiven Schmerzbehandlung durchgeführt werden.

Zweitens: Die Beschneidung darf nur nach einer vorherigen umfassenden Aufklärung erfolgen.

Drittens: Eltern müssen den Kindeswillen bei dieser Frage entsprechend mit einbeziehen.

Viertens: Eine Ausnahmeregelung greift, wenn im Einzelfall das Kindeswohl gefährdet wird, z.B. bei gesundheitlichen Risiken.

Bundesministerium der Justiz – Referat Presse- und Öffentlichekeitsarbeit