Einkaufswagen: Konsum wichtiger als Infrastruktur (Foto: pixelio.de, P. Smola)

Irak: Ölboom löst Konsumrausch aus – Experten befürchten Mangel an Investitionen in Infrastruktur

Bagdad – Einkaufszentren im US-Stil sind erst spät im Irak entstanden, heute sind sie so beliebt wie die amerikanische Filmkomödie Valley Girls. Wie die New York Times schreibt, beginnt eine Konsumgesellschaft zu entstehen, die von den riesigen Profiten aus dem Ölgeschäft lebt. Shopping Malls werden in der ganzen Hauptstadt gebaut. Das größte wird über ein Fünf-Sterne-Hotel und ein Krankenhaus verfügen. Bereits in Betrieb ist eine Mall, in der jede Woche lastwagenweise gefrorene Big Macs aus Amman angeliefert werden.Einkaufswagen: Konsum wichtiger als Infrastruktur (Foto: pixelio.de, P. Smola)

 

300 Mrd. Dollar bis 2017

 

Der Bauboom wird als Fortschritt und Anzeichen für eine Rückkehr zur Normalität gesehen. Seit der US-Invasion sind über neun Jahre vergangen. Vor sechs Monaten sind die letzten Truppen abgezogen. Ökonomen sagen, dass der Aufstieg der Konsumkultur Probleme einer Wirtschaft zeigt, die wie in Saudi-Arabien und Katar, produktive Unternehmungen behindert und sich fast nur auf den Ölreichtum verlässt.

Dazu kommt noch, dass mit diesen Gewinnen über die Bezahlung der Beamtengehälter ein Großteil des herrschenden Patronagesystems aufrechterhalten wird. Laut Marie-Hélène Bricknell von der Weltbank http://worldbank.org im Irak versucht das Land eine Konsumgesellschaft aufzubauen und keinen staatlich gelenkten Kapitalismus wie in China, sondern einen Sozialismus.

Eines der Hauptziele der USA war es, im Irak einen freien Markt zu etablieren. Der Ölreichtum ist ein Grund dafür, warum die Führung des Landes bis jetzt nur wenig unternommen hat, um das Entstehen einer Privatwirtschaft zu fördern. Die Ölförderung nimmt zusätzlich zu. Über 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölgeschäft. Bis 2017 verdreifachen sich die Einnahmen daraus auf über 300 Mrd. Dollar.

Fünf Mio. Staatsbedienstete

Diplomaten sehen wenig Hoffnung, dass dieser Boom entweder in den privaten Sektor oder für ein ambitioniertes Programm zur Verbesserung der Infrastruktur eingesetzt wird. 40 Prozent der Iraker haben auch heute noch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Experten befürchten, das mehr von dem bereits Vorhandenen finanziert wird: Korruption und ein riesiges Beamtenheer.

Die meisten Industrien sind in Staatshand und die größte Ambition vieler ist es, sich einen Job bei der Regierung zu sichern. Derzeit arbeiten in diesem Sektor mehr als fünf Mio. Menschen, Tendenz steigend. „Die Zahl der Staatsbediensteten hat massiv zugenommen. Dabei handelt es sich aber nicht um Technokraten, sondern um Parteifunktionäre“, so Toby Dodge von der London School of Economics http://lse.ac.uk .

Dem Fachmann zufolge erkauft sich der Staat damit die Loyalität der Partei, unterstreicht der Beobachter kürzlich bei einer Fachtagung. Da die staatlichen Löhne viel höher sind als die bei den privaten Unternehmen, haben es unabhängige Firmen auch viel schwerer. Sie können es sich einfach nicht leisten, die besten Mitarbeiter zu beschäftigen.

pressetext.redaktion
Ansprechpartner: Michaela Monschein
Einkaufswagen: Konsum wichtiger als Infrastruktur (Foto: pixelio.de, P. Smola)