Ausgrabung: Madelaine Böhme und Geologe Philipe Havlik (Foto: Madelaine Böhme)

Menschenaffen lebten länger als gedacht in Europa – Sieben Mio. Jahre alter Vor-Backenzahn eines Hominiden gefunden

Forscher aus Tübingen, Bulgarien und Frankreich können an einem Backenzahn belegen: Menschenaffen haben länger in Europa gelebt, als bisher angenommen. Nahe der bulgarischen Stadt Chirpan haben sie einen sieben Mio. Jahre alten Vor-Backenzahn eines Hominiden gefunden. An dem Projekt mit Forschern der „Bulgarischen Akademie der Wissenschaften“ http://www.bas.bg und des französischen „Centre National de la Recherche Scientifique“ http://www.cnrs.fr ist auch Madelaine Böhme vom Senckenberg Center for Human Evolution and Paleoecology an der Universität Tübingen http://senckenberg.de beteiligt. „Der Fund ist sensationell“, sagt Böhme gegenüber pressetext.Ausgrabung: Madelaine Böhme und Geologe Philipe Havlik (Foto: Madelaine Böhme)

Evolutionsgeschichte umschreiben

 

Der Backenzahn könnte Anlass sein, die Geschichte der Menschheit in wesentlichen Punkten zu revidieren. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass die Menschenaffen in Europa vor etwa neun Mio. Jahren wegen veränderter Klima- und Umweltbedingungen ausstarben. Als jüngster Menschenaffe galt bisher der 9,2 Mio. Jahre alte Ouranopithecus macedoniensis aus Griechenland.

Damals veränderten sich in Europa die Ökosysteme, savannenartige Landschaften mit saisonalem Klima entstanden. Menschenaffen als typische Fruchtfresser konnten, so glaubte man, durch ein saisonales Defizit an Früchten nicht überleben. Tatsächlich fand das Team in der Fundschicht des Zahnes auch Fossilien einer typischen Savannen-Fauna, darunter mehrere Elefantenarten, Giraffen, Antilopen, Nashörner und Säbelzahn-Katzen.

Der Fund des Backenzahns legt nahe, dass die Menschenaffen Europas sehr wohl in der Lage waren, sich an das wechselnde Klima einer Savanne anzupassen. Darauf deutet auch die rasterelektronenmikroskopische Untersuchung der Kaufacetten des Zahnes hin. Diese belegen, dass der bulgarische Menschenaffe härtere Nahrung wie Gräser, Samen und Nüsse zu sich nahm. Darin ähnelt seine Ernährungsweise jener der afrikanischen Vor-Menschen vor etwa vier Mio. Jahren.

Zehn Mio. Jahre Besiedlung Europas

„Auch was die Evolution des Menschen betrifft, muss man völlig neu darüber nachdenken, wo sie sich abgespielt hat“, sagt Böhme. Bisher gingen die Wissenschaftler davon aus, dass die Evolution des Menschen ausschließlich in Afrika stattfand und die Menschen von dort in andere Kontinente auswanderten.

„Es mehren sich aber die Hinweise, dass sich ein gewisser Teil der menschlichen Evolution auch außerhalb Afrikas, in Europa und Westasien, ereignete.“ Dass in den frühen Episoden der Menschheitsgeschichte mehr Migration stattgefunden hat, zeigten die Paläontologen des Senckenberg Center for Human Evolution and Paleoecology an der Universität Tübingen bereits im Juni 2011, als sie den ältesten Menschenaffen Europas präsentierten.

Auch bei diesem Fund war ein Backenzahn der Schlüssel: Ausgegraben südwestlich von Sigmaringen, im schwäbischen Alpenvorland, wurde er auf 17 Mio. Jahre datiert. Die Tübinger Arbeitsgruppe für Paläoklimatologie hatte unter Böhmes Leitung das damalige Klima der Region rekonstruiert und gezeigt, dass Menschenaffen bereits in dieser Zeit unter einem tropisch-subtropischen Feuchtklima von Afrika nach Eurasien ausgewandert waren. Beide Arbeiten belegen damit eine mindestens zehn Mio. Jahre währende Besiedlung Europas durch Menschenaffen.

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Ausgrabung: Madelaine Böhme und Geologe Philipe Havlik (Foto: Madelaine Böhme)