Tahrir-Platz: Al-Jazeera war meist nah am Geschehen (Foto: Al-Jazeera)

Al-Jazeera begeht 15. Geburtstag – Experte: „Der Sender half, Hoffnungslosigkeit zu durchbrechen“

Der pan-arabische TV-Sender Al-Jazeera http://aljazeera.net feiert seinen 15. Geburtstag. Der inzwischen zu einem Netzwerk angewachsene Rundfunk war die erste Alternative zu staatlich kontrollierten Kanälen in einer mehrheitlich von Diktaturen und Monarchien kontrollierten, politischen Landschaft und spielte bei den Revolutionen der vergangenen Monate eine tragende Rolle. Jochen Hippler, Experte für den arabischen Raum am Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen http://inef.uni-due.de , analysiert die Bedeutung von Al-Jazeera im pressetext-Gespräch.Tahrir-Platz: Al-Jazeera war meist nah am Geschehen (Foto: Al-Jazeera)

Gegengewicht zu staatlicher Zensur

Die Gründung des Senders selbst gleicht ein wenig einer Revolution. Al-Jazeera ist der inoffzielle Nachfolger eines von BBC und dem saudi-arabischen Unternehmen Orbit gemeinschaftlich betriebenen TV-Kanals, der im April 1996 infolge zunehmender Zensurmaßnahmen seine Pforten schloss. 17 der damals entlassenen Mitarbeiter fanden sieben Monate später wieder einen Arbeitsplatz, als Scheich Hamad bin Chalifa Al Thani Al-Jazeera gründete. Am 1. November 1996 wurde der Sendebetrieb über Satellit gestartet.

„Al-Jazeera kam vor 15 Jahren eine sehr, sehr wichtige Funktion zu, denn er bot erstmals eine Alternative zu den staatlich kontrollierten Medien“, schildert Hippler gegenüber pressetext. „Er übernahm damit auch eine Vorreiterrolle.“ Mittlerweile gibt es mehrere unabhängige TV-Stationen, die sich gezielt des arabischen Raums annehmen, wie etwa Al-Arabiya http://english.alarabiya.net .

„Diese Sender erfüllen bis heute eine bedeutende Rolle, denn sie thematisieren Probleme wie Korruption, die im staatlichen TV keine Erwähnung fanden“, erklärt der INEF-Experte. „Eine weitere Durchbrechung der staatlichen Mediendominanz findet heute zusätzlich durch die sozialen Netzwerke statt.“

Fenster zum Frühling

„Wir feiern zum Geburtstag auch den ‚Arabischen Frühling‘, denn unsere Berichterstattung hat geholfen, die Araber mehr auf ihre eigenen Rechte und Anliegen aufmerksam zu machen“, erklärt Mustafa Sawaq, Direktor des 24-Stunden-Nachrichtenkanals des Al-Jazeera-Netzwerks gegenüber der AFP.

Ähnlich sieht das auch Hippler. „Die Menschen sahen, dass ihre als persönlich wahrgenommenen Probleme eigentlich Gesellschaftsprobleme waren. Und nachdem man ihnen über Jahrzehnte Hoffnungslosigkeit beigebracht hatte, lernten sie durch die TV-Anteilnahme an den Protesten, dass es möglich ist, sich erfolgreich gegen das Regime aufzulehnen“, sagt der Wissenschafter. „Al-Jazeera und Co haben geholfen, die Hoffnungslosigkeit zu durchbrechen.“

Islamismus-Vorwürfe und aufstrebende Konkurrenz

Doch nicht alles ist eitel Wonne. Oftmals geriet der Sender ins Visier der US-Regierung, die den Verantwortlichen eine anti-amerikanische Ausrichtung vorwarf und die Ausstrahlung von Ansprachen von Osama bin Laden und anderen militanten Islamisten verurteilte. Anschuldigungen wie diese werden jedoch vom neuen Generaldirektor, Scheich Ahmad bin Jassim al-Thani, trotz Umbaus der Programmleitung stets zurückgewiesen.

Auch sieht sich Al-Jazeera mit einer immer stärkeren Konkurrenz im Kampf um Marktanteile konfrontiert. Neben Al-Arabiya ist mittlerweile auch BBC Arabic mit im Rennen. 2012 startet das Sky-Netzwerk einen eigenen Nachrichtensender auf der arabischen Halbinsel.

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