Festveranstaltung „50 Jahre deutsch-türkisches Anwerbeabkommen“ – Würdigung der Aufbauleistungen der ersten „Gastarbeitergeneration“ und Verleihung des neuen Schleswig-Holsteinischen Integrationspreises

KIEL. Im Rahmen einer Festveranstaltung zu „50 Jahre deutsch-türkisches Anwerbeabkommen“ im Schleswig-Holsteinischen Landtag sind heute (25. Oktober) die Verdienste der ersten Türkinnen und Türken gewürdigt worden, die in Folge des 1961 geschlossenen Abkommens in die Bundesrepublik gekommen waren. Rund 750.000 Türkinnen und Türken kamen allein bis 1973 nach Deutschland, um hier zu arbeiten. Landtagspräsident Torsten Geerdts lobte in seiner Begrüßung die Integrationsleistung damaliger und heutiger Zuwanderer als „außerordentlich“. Er sei deshalb „optimistisch“, dass die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund zukünftig unter einem anderen Blickwinkel gesehen und angegangen werde. „Es ist höchste Zeit, dass wir erkennen, dass Menschen gleich welchen kulturellen, ethnischen oder religiösen Hintergrundes in unserer deutschen und europäischen Gesellschaft gleichen Problemen gegenüberstehen und deshalb auch nur gemeinsam diese Herausforderungen meistern werden“, so Geerdts.

Integrationsminister Emil Schmalfuß verlieh im Rahmen der Festveranstaltung zum ersten Mal den neuen Schleswig-Holsteinischen Integrationspreis. Dazu sind in diesem Jahr unter dem Motto „Vielfalt macht stark“ insgesamt 74 Bewerbungen eingegangen. Die Wettbewerbsbeiträge umfassen insbesondere die Bereiche interkultureller/-religiöser Dialog, Bildung und Gemeinwesenarbeit.

Ausgezeichnet mit je 2.500,- Euro wurden 2011 folgende zwei Projekte:

1) In der Kategorie „Hauptamt“: Die Waldschule Flensburg

„Inklusion“ und „Partizipation“ sind an der Waldschule verbindende Elemente, die Menschen unterschiedlicher Nationalität, Begabung oder Sprache zusammenführen. 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Waldschule Flensburg besitzen einen Migrationshintergrund. 23 verschiedene Muttersprachen werden dort gesprochen. Die Waldschule löst diese Herausforderungen mit ihrem Leitmotiv: „Es ist normal verschieden zu sein.“ Schon vor der Einschulung gibt es eine enge Kooperation mit den örtlichen Kindertagesstätten, die Vorschulkinder werden bereits im Kindergarten besucht. Zusätzlich erhält die Waldschule Flensburg Entwicklungsberichte aus den Kindergärten.

Das Herzstück der Schule ist jedoch die jahrgangsübergreifende Eingangsphase mit dem Ziel, den Kindern zu Beginn ihrer Schulkarriere persönliche Lernzeit, individuelle Lernentwicklung und eigene Lernpläne in heterogenen Lerngruppen zu vermitteln.

In Zusammenarbeit mit der Universität Flensburg hilft das Zentrum für Deutsch als Zweitsprache den Kindern beim Erlernen der deutschen Sprache. Hinzu kommt für türkischstämmige Kinder ein muttersprachliches Förderangebot. Lehrkräfte der Waldschule Flensburg nehmen zudem am Projekt „Interkulturelle Kompetenz“ teil und bringen ihr Wissen ins Kollegium der Waldschule ein.

2) In der Kategorie „Ehrenamt“: Der Ambassador Club Concordia Lübeck

Der Ambassador Club Concordia Lübeck hat es sich zur Aufgabe gemacht, für Toleranz und Völkerverständigung zu werben. Die Haupttätigkeit des Clubs besteht darin, Fundraising zu betreiben. Es werden Spenden gesammelt und Benefizabende veranstaltet. Die gesammelten Gelder kommen verschiedenen Zielgruppen zugute. Eine dieser Zielgruppen sind türkischstämmige Frauen mit einem besonderen Hilfebedarf, weil sie zum Beispiel behinderte Kinder haben oder mit ihren Kindern in Frauenhäusern leben. Darüber hinaus besucht der Ambassador Club Concordia Lübeck auch einsame Migrantinnen und Migranten in Seniorenheimen.

Das Projekt beeindruckt durch den hohen sozialen Anspruch und das starke bürgerschaftliche Engagement. Es werden Menschen erreicht, die durch andere Projekte nicht unbedingt erreicht werden.

Einen Sonderpreis vergab die Investitionsbank Schleswig-Holstein an ein Wohnungsbau-Unternehmen, das ein integratives Wohnungsbauprojekt unterstützt. Dazu sagte Erk Westermann-Lammers, Vorstandsvorsitzender der Investitionsbank: „Für uns als Förderbank im Norden ist das Thema Integration nicht nur eine Heraus-forderung, sondern die Chance für wirtschaftlichen Erfolg in unserem Land.“ Der Sonderpreis in Höhe von 2.500,- Euro ging an die Frank Heimbau Nord GmbH für das Projekt „Gustav-Schatz-Hof“ in Kiel. Das Vorhaben umfasst einen Neubau von betreuten Seniorenwohnungen, einer Kindertagesstätte, einer ambulanten Demenzgruppe mit mehreren Wohneinheiten, einer Tagespflegestation und eines Mietertreffs. „Dieser neue konzeptionelle Ansatz zielt auf eine Erweiterung und Stärkung sozialer Vernetzung und sozialer Infrastrukturangebote. Das Wohnangebot im Gustav-Schatz-Hof passt sich dem demographischen und strukturellen Wandel der Gesellschaft an“, so Westermann-Lammers weiter.

Die Jury würdigte damit einen umfassenden Ansatz eines privaten Wohnungsbauunternehmens, sesshaft gewordene ältere Migrantinnen und Migranten mit ihren speziellen Bedürfnissen in ein generelles Wohnraum-Angebot für Seniorinnen und Senioren zu integrieren.

Integrationsminister Emil Schmalfuß dankte allen Teilnehmern für ihr Engagement: „Wir haben wunderbare Initiativen und ihre „Macher“ gewürdigt. Aber ich möchte an dieser Stelle allen Bewerberinnen und Bewerbern meinen herzlichen Dank aussprechen. Die Auszeichnungen werden auch stellvertretend für Ihr Engagement ausgesprochen. Ich danke allen in der Migrations- und Integrationsarbeit tätigen Bürgerinnen und Bürgern für ihr Engagement. Lassen Sie uns weiter gemeinsam daran arbeiten, dass Menschen mit Migrationshintergrund sich in Schleswig-Holstein willkommen und dazugehörig fühlen. Bei der Verankerung einer Willkommens- und Anerkennungskultur sind öffentliche Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen gefordert. Integration braucht eine politische, kulturelle und soziale Begleitung. Wir zusammen müssen dieser Willkommenskultur eine emotionale Grundlage geben, damit sie erfolgreich bestehen kann“, betonte Schmalfuß.

Oliver Breuer | Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration | Kiel | 
Carsten Maltzan | Landtag Schleswig-Holstein | 
Carola Rixen I Investitionsbank Schleswig-Holstein I