Das neue Projekt „Internet Privacy“ der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften entwirft Vorschläge für eine Kultur des Vertrauens im Interne.
Sorgen um die Sicherheit neuer Dienste im Internet gehören ebenso zum virtuellen Alltag wie völlig sorglos verbreitete persönliche Daten. Das Spannungsverhältnis zwischen den Bedürfnissen nach Offenheit einerseits und Sicherheit anderseits erfordert eine neue Kultur der Privatsphäre und des Vertrauens im Internet und entsprechende politische Rahmenbedingungen. Ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Projekt von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften erarbeitet jetzt Empfehlungen sowie exemplarische Technik, wie sich diese Kultur etablieren lässt.
Das Projekt „Internet Privacy – Eine Kultur der Privatsphäre und des Vertrauens im Internet“ wird von einer interdisziplinären Projektgruppe unter Leitung von Johannes Buchmann, Direktor des Center for Advanced Security Research Darmstadt (CASED) und Professor für Informatik an der Technischen Universität Darmstadt realisiert.
„Wie soll das Internet der Zukunft aussehen? Diese gesellschaftliche und technische Frage steht am Anfang unserer Politik“, sagt Georg Schütte, Staatssekretär im BMBF. „Nutzer, Wirtschaft und Politik müssen gemeinsame Vorstellungen und Werte für ein vertrauenswürdiges Internet entwickeln. Der Schutz der Privatsphäre und das Vertrauen im Netz werden daher zentraler Gegenstand zukünftiger Forschungsprojekte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sein.“
Die Projektgruppe nimmt vor allem die gesellschaftliche Dimension in den Blick: „Das Internet ist mit wichtigen Zukunftstechnologien verwoben. Es ist systemkritisch – politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich. Deshalb müssen wir uns der Debatte um eine Kultur des Vertrauens im Internet stellen: eine Kultur, die nicht zwischen Vertrauensseligkeit und übertriebenem Argwohn pendelt, sondern Nutzerverhalten und -erwartungen mit den technisch machbaren, rechtlich durchsetzbaren und in der Praxis sinnvollen Lösungsansätzen in Einklang bringt“, sagt Henning Kagermann, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften.
Der Projektleiter Johannes Buchmann möchte die Debatte nicht auf technische und rechtliche Lösungen verengen: „Sobald persönliche Daten auf vielen Seiten und Servern rund um den Globus verteilt sind, lassen sie sich kaum löschen oder herausklagen.“ Jede Gesellschaft müsse das Verhältnis von Informationsfreiheit und Datenschutz im Internet austarieren. „Wir entwickeln Vorschläge, wie sich eine für Deutschland sinnvolle und verbindliche Kultur der Privatsphäre und des Vertrauens im Internet etablieren lässt. In unterschiedlichen Kontexten müssen Internetnutzer ein adäquates Maß an Privatheit finden, Risiken einschätzen und sich angemessen verhalten können. Dafür müssen wir Ethik, Recht, Wirtschaft und Technik weiterentwickeln.“
Unklare kulturelle Verhaltensnormen und rechtliche Regeln verunsichern Nutzer und Anbieter von Diensten gleichermaßen. Die Auswirkungen gefährden die Entwicklung der Internettechnologien in Deutschland, denn das Internet ist mit vielen Schlüsseltechnologien verwoben: Intelligente und vernetzte Systeme, die sogenannten Smart Grids, steuern die Stromnetze der Zukunft. Sie können den Verkehr sicherer und die medizinische Versorgung effizienter machen. In der Produktion könnten intelligente vernetzte Systeme eine industrielle Revolution auslösen. Kurz: Das Internet ist die Infrastruktur der Infrastrukturen des 21. Jahrhunderts. Eine Vertrauenskrise im Internet würde das gesamte Innovationsklima drastisch verschlechtern.
Im Projekt der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften arbeiten Wissenschaftler aus Soziologie, Informatik, Ethik, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften mit Experten aus der Wirtschaft zusammen. Die Projektgruppe wird zunächst den Status Quo der Vertrauenskultur in Deutschland erheben: Was sind die individuellen und gesellschaftlichen Vorstellungen zur Privatsphäre im Internet? Wie passen sie zu den bestehenden rechtlichen, technischen und ökonomischen Rahmenbedingungen? Auf dieser Grundlage erarbeitet die Projektgruppe dann für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Vorschläge für gesamtgesellschaftliche Weichenstellungen und individuelle Verhaltensregeln. Dazu entwickelt sie beispielhafte technische Lösungen.
Die erste Analyse des Status Quo wird im Frühjahr 2012 im Rahmen eines Symposiums öffentlich vorgestellt. Die Laufzeit des vom BMBF geförderten Projektes endet zum 31. Januar 2013. Die finalen Ergebnisse werden bis Juli 2013 vorgelegt.
Das Projekt wird getragen von Wissenschaftlern des Instituts für Soziologie und des Fachbereichs Informatik an der TU Darmstadt, des Instituts für Informatik und Gesellschaft an der Universität Freiburg, der Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung an der Universität Kassel, des Karlsruher Instituts für Technologie sowie der Capurro-Fiek-Stiftung für Informationsethik. Weitere Projektpartner sind die Deutsche Post, Google Germany und IBM.
BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung