Am 12. November 1911 weihten Kaiser Wilhelm II. und Oberbürgermeister Paul Fuß feierlich das neu erbaute Kieler Rathaus ein. Ganz Kiel war auf den Beinen, um bei diesem Ereignis dabei zu sein. Die Kieler-Woche-Sonderausstellung im Stadtmuseum Warleberger Hof will das Lebensgefühl dieser Zeit spürbar machen und zeigen, wie nach jahrzehntelangem Ringen um Standort, Finanzierung und Ausstattung das neue Rathaus als große gestalterische Leistung entstand. Die Ausstellung „Das Kieler Rathaus von 1911. Ein neues Zentrum für die Großstadt“ wird am Freitag, 17. Juni, um 17 Uhr von Oberbürgermeister Torsten Albig eröffnet. Sie läuft vom 17. Juni bis 16. Oktober im Kieler Stadtmuseum Warleberger Hof. Präsentiert werden rund 100 historische Objekte wie Pläne, Fotos, Möbel und Silberarbeiten aus der Zeit um 1911.
Seit 100 Jahren prägt das Kieler Rathaus, das von 1907 bis 1911 erbaut wurde, das Bild der Stadt. Sein Turm mit der 27 Meter hohen Kupferhaube ist weithin sichtbar, viele Straßen der Innenstadt scheinen direkt auf ihn zuzulaufen. Im Rathaus wird seit 100 Jahren Kieler Stadtpolitik gemacht. Es dient als Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie als Schaltzentrale für die umfangreichen Verwaltungsaufgaben einer Großstadt. Grund genug für das Stadtmuseum, dem Rathaus anlässlich des 100-jährigen Bestehens die erste Einzelausstellung zu widmen.
Die Erhebung Kiels zum Reichskriegshafen im Jahr 1871 führte zu einem explosionsartigen Wachstum der Stadt. Von 24.000 Einwohnern im Jahre 1867 stiegen die Zahlen auf über 200.000 Einwohner im Jahre 1910. Damit wuchsen auch die Anforderungen an die Verwaltung. Das mittelalterliche Rathaus am alten Markt war den neuen Aufgaben nicht mehr gewachsen. Doch das neue Rathaus sollte mehr sein als ein Bürogebäude: Es sollte den neuen Status Kiels als moderne Großstadt weithin sichtbar machen.
Aus dem 1903 ausgeschriebenen Architektenwettbewerb, für den 70 Entwürfe eingereicht wurden, ging der Karlsruher Architekt Hermann Billing (1867-1946) als Sieger hervor. 1906 legte Billing den Ausführungsentwurf vor. Sein Mitarbeiter Albert Hofmann zog nach Kiel, um die Bauarbeiten vor Ort zu leiten. Die Stadtkollegien genehmigten 2,475 Millionen Mark für den Bau, mussten später den Kostenvoranschlag auf 3,9 Millionen Mark anpassen.1907 begann die Mannheimer Firma Grün & Bilfinger mit der Fundierung des Rathauses. Die Kieler Firmen Carl Imhoff, Karl Brix und F.W. Förster errichteten ab 1908 den Bau. Im November 1909 war das Gebäude, im Oktober 1910 der Turm richtfertig.
1910 begann der Innenausbau. Die Repräsentationsräume wurden mit edlen Materialien wie Marmor, Brokat und Mahagoni ausgestattet. Zahlreiche Künstler aus Nord- und Süddeutschland trugen zur Ausstattung bei. Billing selbst entwarf die Möbel, mehrere Glasfenster, Skulpturen und Leuchten. Im September 1911 konnten die Verwaltungsbeamten ihre neuen Büros beziehen, mussten jedoch ihre bisherigen Möbel weiter verwenden. Sie konnten neueste Technik nutzen: Jedes Büro bekam einen Telefonanschluss, der mit der Hauszentrale verbunden war. Elektrisches Licht, fließendes Wasser und eine Zentralheizung gehörten ebenso zum neuen Standard wie Toiletten mit Wasserspülung. Der gesamte Bau hatte letztlich 3,7 Millionen Mark gekostet.
Billings für die damalige Zeit unkonventioneller Bau mit dem prägnanten Rathausturm schuf in idealer Weise den Rahmen für die Repräsentationsaufgaben der Stadtoberhäupter ebenso wie für zeitgemäße Verwaltungsarbeit. Damit setzte er auch neue Maßstäbe für eine junge Generation von Architekten in Kiel. Als Kompromiss zwischen Sparwunsch und Platzbedarf angegangen, wurde das Rathaus dank großzügiger Bürgerspenden und glücklicher künstlerischer Entscheidungen zu einem Gesamtkunstwerk, das heute in Kiel einzigartig ist.
Die Ausstellung
Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der Entstehungszeit des Rathauses, von den ersten Planungen über den Architektenwettbewerb, die Bauarbeiten und die Ausstattung bis hin zur Einweihung durch Kaiser Wilhelm II. am 12. November 1911. Gezeigt werden neben den eigenen Beständen auch Leihgaben von der Landesbibliothek Schleswig-Holstein und aus dem Nissenhaus in Husum sowie vom Architekturmuseum der TU München und dem Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau in Karlsruhe.
Die Ausstellung präsentiert Billings Entwürfe und Skizzen sowie zwei Aquarelle des Architekten (1. Entwurf Kieler Rathaus und Ansicht der Rotunde), dazu Akten und Pläne sowie zum ersten Mal einige historische Fotos von der Baustelle und den repräsentativ eingerichteten Innenräumen des Rathauses. Zu sehen sind auch einige von Billing entworfene Möbel (Sessel des Oberbürgermeisters aus dem Ratssaal, Schreibtisch für das Büro des Oberbürgermeisters nebst Besuchersessel und Aktenregal sowie zwei Stenografenstühle aus dem Ratssaal). Von dem von Billing entworfenen Majolika-Säulen-Paar vom Haupteingang des Rathauses ist lediglich eine obere Spitze erhalten. Im Sammlungsbestand des Museums befindet sich auch das hinter dem Schreibtisch des Oberbürgermeisters angebrachte Gemälde „Die Schlacht bei Eckernförde“ von dem in Kiel ansässigen Marinemaler Lüder Arenhold (1854-1915). Von der feierlichen Einweihung des Rathauses zeugen in der Ausstellung neben Fotografien die Original-Marmorbüste des Kaisers von Adolf Brütt (1855-1939) aus der Rotunde des Rathauses, der silberne Pokal für den kaiserlichen Ehrentrunk, das Goldene Buch nebst Tintenfass und ein fünfarmigem Silberleuchter. Der auf dem Ausstellungsplakat dargestellte silberne Tafelaufsatz mit dem Rathausturm ist erst 1912 entstanden. Die Einflüsse des Jugendstils auf Billings Entwurfsarbeit demonstrieren ausgewählte Exponate aus der Museumssammlung wie Fliesen, schmiedeeiserne Zaungitter, drei Kleider sowie Glasfenster aus einem Kieler Restaurant.
Begleitpublikation zur Ausstellung und zum Rathausjubiläum
Wissenschaftlich fundiert, in unterhaltsamer Form und reichhaltig bebildert informiert die Jubiläumsbroschüre „100 Jahre Kieler Rathaus. 1911 – 2011“ über das Kieler Rathaus. Rathausexpertin und Autorin Eva-Maria Karpf, gleichzeitig Kuratorin der Ausstellung im Stadtmuseum, hat aus Fakten, Anekdoten, persönlichen Berichten und viel Archivmaterial ein umfassendes Bild des Rathauses von der Entstehung bis heute gezeichnet. Die Broschüre kostet drei Euro Schutzgebühr.
Kieler Stadtmuseum Warleberger Hof
Dänische Straße 19
geöffnet täglich 10-18 Uhr
Das Kieler Rathaus von 1911. Ein neues Zentrum für die Großstadt
17. Juni bis 16. Oktober 2011
Eröffnung am 17. Juni, 17 Uhr. Es sprechen Oberbürgermeister Torsten Albig, Dr. Doris Tillmann, Museumsdirektorin des Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum, und die Ausstellungskuratorin und Autorin Eva-Maria Karpf M.A.
Sonderführungen während der Kieler Woche (18. bis 26. Juni)
Während der Kieler Woche lädt das Stadtmuseum Warleberger Hof werktags um 12 Uhr zu Kurzführungen und sonntags zu „Langführungen“ durch die Ausstellung ein.
Sonntag, 19. und 26. Juni, jeweils 11.30 Uhr:
Führung durch die gesamte Ausstellung (Führung 1 Euro)
Montag, 20. Juni, bis Sonnabend, 25. Juni, 12 Uhr:
Kurzführungen zu wechselnden Themen (Führung kostenfrei)
Begleitprogramm zur Ausstellung
Kuratorenführung, Vortrag und Rundgänge
Dienstag, 26. Juli und 23. August, 20 Uhr
Sonderführung durch die Ausstellung mit der Kuratorin Eva-Maria Karpf M.A.
Donnerstag, 1. September, 19.30 Uhr
„Allerhöchste Auszeichnung“ – Der Kaiserbesuch als Krönung des Rathaus-Baus 1907-1911
Vortrag von Eva-Maria Karpf M.A.
Dienstag, 13. September und Donnerstag, 15. September, 17 Uhr
Rundgang durch das Rathaus mit Eva-Maria Karpf M.A.
Treff: Rotunde am Eingang Rathausplatz
Führungen für Schulklassen:
Das museumspädagogische Team des Stadt- und Schifffahrtsmuseums bietet das ganze Jahr über Führungen durch das Rathaus an.
Die Führung wendet sich an alle Klassenstufen:
Grundschulklassen: Früher und Heute erforschen – das Rathaus als Zentrum der Gemeinde
Sekundarstufe I: Rundgang und Geschichte des Rathauses: Bau und Eröffnung, das Rathaus im Nationalsozialismus, Wiederaufbau; Aufgaben der Kommune, Kommunalpolitik und wie sie gemacht wird
Sekundarstufe II: Rundgang und Geschichte des Rathauses (wie oben); kommunalpolitische Handlungsträger und Möglichkeiten von politischem Engagement in der Kommune
Treffpunkt: Schwertträger-Statue auf dem Rathausplatz
Kosten: 1 Euro pro Person, mindestens 15 Euro
Anmeldung: Telefon 0431/901-3488 (Kerstin Dronske)
Landeshauptstadt Kiel - Amt für Kommunikation, Standortmarketing und WirtschaftsfragenTelefax zu versenden.