EHEC: Was macht das BfR im aktuellen EHEC-Ausbruchsgeschehen?

Stellungnahme Nr. 020/2011 des BfR vom 6. Juni 2011

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist in Deutschland für wissenschaftliche Risi-kobewertungen im gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständig. Das Institut bewertet ge-sundheitliche Risiken, erarbeitet Empfehlungen zur Risikobegrenzung und kommuniziert diese Prozesse transparent an die Öffentlichkeit. Das BfR ist aktuell an der Aufklärung des derzeitigen EHEC-Ausbruchsgeschehens beteiligt. Dabei stützt es seine Arbeit auf mehrere Säulen: Entwicklung von Labortests und Untersuchungen von Isolaten und Proben, Analyse des Ausbruchsgeschehens sowie gesundheitliche Risikobewertung des Keims EHEC O104:H4. Darüber hinaus übernimmt es eine wichtige Rolle in der Risikokommunikation zwi-schen den Behörden und Gremien des Bundes, der Länder und der Europäischen Union. Das BfR wurde im November 2002 errichtet, um den gesundheitlichen Verbraucherschutz zu stärken. Es ist die wissenschaftliche Einrichtung der Bundesrepublik Deutschland, die Gut-achten und Stellungnahmen zu Fragen der Lebens- und Futtermittelsicherheit sowie zur Si-cherheit von Chemikalien und Produkten erarbeitet. Das BfR gehört zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). In seiner wissenschaftlichen Bewertung, Forschung und Kommunikation ist es unabhängig.

Das BfR arbeitet unter anderem gemeinsam mit dem Robert Koch-Institut (RKI) am aktuellen Ausbruchsgeschehen. Das RKI ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums für Gesundheit und für die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten, insbesondere der Infektionskrankheiten, zuständig.

Das am 01. Januar 2001 in Kraft getretene Infektionsschutzgesetz (IfSG) regelt, welche Krankheiten bei Verdacht, Erkrankung oder Tod und welche labordiagnostischen Nachweise von Erregern meldepflichtig sind. Weiterhin legt das Gesetz fest, welche Angaben von den Meldepflichtigen gemacht werden und welche dieser Angaben vom lokalen Gesundheitsamt weiter übermittelt werden. Mit der Einführung des IfSG wurden in Deutschland Falldefinitio-nen zur routinemäßigen Übermittlung der meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten einge-führt.

Im aktuellen EHEC/HUS-Ausbruchsgeschehen arbeiten die Überwachungsbehörden der Länder auf Hochtouren, um die Ausbruchsquelle ausfindig zu machen. Das BfR ist an dieser Ausbruchsaufklärung durch umfangreiche Analysen, Datenlieferungen und gesundheitliche Risikobewertungen beteiligt. Ein wesentlicher Baustein in der Klärung des Ausbruchsge-schehens ist es, die Kontaminationsquelle für die betroffenen Lebensmittel ausfindig zu ma-chen und zu verschließen. Dazu muss auf dem Gemüse der Ausbruchsstamm nachgewie-sen werden, der im Stuhl der Erkrankten als Krankheitsursache identifiziert wurde.

Das BfR führt Laboruntersuchungen durch und entwickelt ein Test-System zur Identi-fikation von EHEC-Keim O104:H4 in Lebensmitteln

Das Nationale Referenzlabor für Escherichia coli des BfR ist eng in die Aufklärung einge-bunden. Es hat den Untersuchungslaboratorien der Länder eine neue Untersuchungsmetho-de zur Verfügung gestellt, um den Ausbruchsstamm in verdächtigten Isolaten identifizieren zu können. Diese Methode wurde zusammen mit Experten der französischen Lebensmittel-agentur ANSES entwickelt und evaluiert.

Damit die Infektketten schnellstmöglich aufgeklärt werden können, untersucht derzeit das Nationale Referenzlabor für Escherichia coli außerdem Isolate aus dem Ausbruchsgeschehen, die von den Überwachungsbehörden der Länder an das BfR eingesandt werden. Als Referenzlabor hat es die Funktion, die Untersuchungsergebnisse der Labore der Landesüberwachungsbehörden zu bestätigen.

Weiterhin führt das Nationale Referenzlabor für Escherichia coli Untersuchungen an unterschiedlichen Proben durch, die es von den amtlichen Überwachungsbehörden bekommt: Umfeldproben, Bodenproben, Tupferproben aus Gullis, Wasserproben aus verdächtigten Betrieben sowie Proben aus Haushalten, in denen Menschen an dem EHEC-Keim O104:H4 erkrankt sind. Im Referenzlabor werden diese Proben mit aufwändigen analytischen Verfahren systematisch untersucht, um den vermuteten Erreger zweifelsfrei nachweisen zu können.

Das Nationale Referenzlabor für Escherichia coli arbeitet auch eng mit dem europäischen Referenzlabor für Escherichia coli zusammen. Zur zweifelsfreien Typisierung von Isolaten werden diese nach Untersuchung im BfR an das europäische Referenzlabor geschickt. So konnte bei den verdächtigten Lebensmitteln wie Gurken mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sie den Keim tragen.

Das BfR arbeitet an der Aufklärung des Lebensmittelausbruchs…

In Deutschland werden jährlich mehr als 200 000 Erkrankungsfälle beim Menschen gemeldet, von denen anzunehmen ist, dass sie über Lebensmittel übertragen wurden.

Der Verdacht auf einen lebensmittelbedingten Krankheitsausbruch besteht bei Erkrankungen von zwei oder mehr Personen, welche im Zusammenhang mit demselben Lebensmittel aufgetreten sind.

BfR-Experten unterstützen derzeit die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Landesbehörden bei Betriebsbesichtigungen vor Ort und bei der Datenerhebung zur Identifizierung von ursächlich beteiligten Lebensmitteln. Sie führen ebenso Interviews im Rahmen der epidemiologischen Fallkontrollstudien des Robert Koch-Instituts (RKI) durch.

Teams des BfR und des RKI reisen in die Städte und Kommunen, in denen der verdächtigte Erreger vermutet wird, um gemeinsam mit den Lebensmittelüberwachungsbehörden und den Untersuchungsämtern vor Ort Erkenntnisse zu möglichen Kontaminationswegen zu gewinnen.

Dabei werden Proben von Rohstoffen und Arbeitsgegenständen genommen, die u.a. an das Nationale Referenzlabor für Escherichia coli im BfR zur Abklärung geschickt werden.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BfR versorgen eine diesbezüglich eingerichtete „Task Force“ kontinuierlich mit aktuellen Daten, um die Ausbruchsaufklärung voran zu bringen. An dieser „Task Force“, in der die länderübergreifende Aufklärungsarbeit koordiniert und systematisiert wird, ist unter anderem auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) beteiligt. Dort werden die gesammelten Daten zu Lieferlisten und Vertriebswegen, Erkrankungsfällen, Interviewangaben, etc. betrachtet und gewichtet.

Durch eine sog. Clusterbildung von Erkrankungen und verdächtigen Lebensmittelbefunden erhoffen sich die Experten, das Ausbruchsgeschehen zurück zu verfolgen und auf die Quelle des Erregers schließen zu können.

Die Ursachenforschung bei Ausbruchsgeschehen ist wichtig, um die Lebensmittelsicherheit in Deutschland und der Europäischen Union weiterhin zu verbessern und die Anzahl von Lebensmittelinfektionen und -intoxikationen reduzieren zu können. Dazu führt das BfR das bundesweite System zur zentralen Erfassung von Lebensmitteln, die bei Krankheitsausbrü-chen beteiligt sind (BELA).

Das BfR führt gesundheitliche Risikobewertung zu EHEC-Keim O104:H4 durch…

Das BfR führt regelmäßig mikrobiologische Risikobewertungen für an Ausbrüchen beteiligten Lebensmitteln und Erregern durch.

Im gegenwärtigen Fall hat das BfR frühzeitig aufgrund der vorliegenden Daten zum Ausbruchsgeschehen gemeinsam mit dem RKI eine Verzehrsempfehlung erlassen. Diese stützt sich auf Hypothesen aus den epidemiologischen Fallstudien des RKI und folgt dem Ansatz des vorsorgenden Gesundheitsschutzes, da die Datenlage noch keine abschließende Bewertung zulässt.

Die Experten des BfR geben Teilrisikobewertungen zu Einzelfragen, u.a. zur Sicherheit von Tiefkühlkost, Stillen, Dekontamination und Desinfektion von Lebensmitteln hinsichtlich einer Erkrankung mit dem EHEC-Keim O104:H4.

Wenn die Quelle des aktuellen Ausbruchsgeschehens identifiziert worden ist, kann das BfR auf Grundlage der epidemiologischen Daten des RKI und einer Expositionsschätzung eine Risikobewertung zum EHEC-Keim O104:H4 vornehmen.

Zur Minimierung des Risikos hat das BfR auch Empfehlungen zum richtigen Umgang mit Lebensmitteln und zur Küchenhygiene erarbeitet.

Das BfR wird von den BfR-Kommissionen für Hygiene und für Expositionsabschätzung beraten…

Die Komplexität des Phänomens „Lebensmittelinfektionen“ erfordert erfolgreiche Strategien zur Prävention. Deswegen wurden 2008 die BfR-Kommissionen für Hygiene und für Expositionsabschätzung eingerichtet. Sie koordinieren ein multidisziplinäres Zusammenwirken von verschiedenen externen Experten (Epidemiologen, Mikrobiologen, Lebensmitteltechnologen, Human- und Veterinärmediziner).

Das BfR betreibt aktive Risikokommunikation…

Das BfR hat auch den gesetzlichen Auftrag, die Öffentlichkeit über mögliche, identifizierte und bewertete Risiken zu informieren, die Lebensmittel für den Verbraucher bergen können. Das BfR aktualisiert täglich seine Internetseite zu den Ergebnissen des aktuellen Ausbruchsgeschehens.

Die Risikokommunikation richtet sich aber nicht nur an die Öffentlichkeit. Auch im Rahmen der nationalen, europäischen und internationalen Zusammenarbeit (in die auch die WHO eingebunden ist) der verschiedenen Gremien von Bundesministerien und -behörden, Landesministerien und -behörden sowie der europäischen und internationalen Ebene übernimmt das BfR eine wichtige Mittlerfunktion im Austausch der Daten und Informationen zum aktuellen EHEC-Ausbruch. Als nationale Kontaktstelle für die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) versorgt es die europäischen Mitgliedsstaaten kontinuierlich mit aktuellen Informationen zum Stand der Ausbruchsaufklärung.

Bundesinstitut zur Risikobewertung