Unterbauchschmerzen werden häufig durch Verwachsungen im Bauchraum ausgelöst
Angela Bauer kämpft nicht nur gegen ihre Schmerzen im Unterbrauch, sondern auch für die Rechte Betroffener und leistet Aufklärungsarbeit. Sie hat die Selbsthilfegruppe Verwachsungsbauch gegründet. Mittlerweile melden sich immer mehr Menschen – auch Männer – aus dem ganzen Bundesgebiet. Das macht ihr Leiden nicht einfacher, zeigt ihr aber, dass sie nicht allein ist mit ihrem seit 30 Jahren anhaltenden Leidensweg.
3,8 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Unterbauchschmerzen – mindestens sechs Monate anhaltenden, bei Frauen zyklusunabhängigen Schmerzen. Das entspricht der Zahl der
Patienten, die unter Migräne und Rückenschmerzen leiden. In den USA sind rund 15 Prozent der Frauen zwischen dem 18.-50. Lebensjahr betroffen, zehn Prozent der ambulanten Patientinnen suchen wegen dieses Symptoms ihren Frauenarzt auf.1
Unter den Betroffenen in Deutschland ist auch Angela Bauer, die bereits einen kaum vorstellbaren Leidensweg hinter sich hat. Die wesentliche Ursache ihrer Beschwerden kennt sie: Verwachsungen im Bauchraum. Eine Lösung für die Probleme hat sie jedoch immer noch nicht gefunden.
Auch nach fast 30-jährigem Martyrium noch keine Lösung Ihre erste Operation kam 1977 wegen einer kombinierten Entzündung von Eierstock und Eileiter in Verbindung mit einer Leistenbruchoperation. Nur ein Jahr später der nächste Eingriff: eine Blinddarmentfernung – mit Entzündung der Bauchhöhle. Schon damals gab es schwere Komplikationen. Die Schmerzen hielten an. Eine 1979 durchgeführte Bauchspiegelung brachte neben einer Zyste eine diffuse, sehr derbe Verdickung an der Stelle der Operation vom Vorjahr zum Vorschein. Nach einer weiteren Bauchspiegelung äußerten die behandelnden Ärzte erstmals den Verdacht auf Verwachsungen und Endometriose, der Ablagerung von Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter. Dennoch geht Angela Bauer 1983 das Risiko einer Schwangerschaft ein. Sie freut sich über die Geburt eines gesunden Kindes, doch ihre Probleme halten an: Zysten, Myome (gutartige Tumoren der Gebärmutter), massive Darmprobleme usw. Sie bekommt Schmerzmittel, geht zur Krankengymnastik, unterzieht sich einer Darmspiegelung. Nichts hilft: 2004 werden vier Unterleibsoperationen aufgrund eines komplett verwachsenen Bauchs erforderlich. 2005 soll wieder operiert werden, doch das Risiko wird als zu hoch eingeschätzt. Verschiedenste Untersuchungen und
Schmerzmittel sind ihre ständigen Begleiter. Die Beschwerden werden immer stärker – dazu gehört chronische Verstopfung, die 2008 die Entfernung eines Teils des Darms erforderlich macht. Nun wird auch der Beckenboden erfasst. Die Harnblase und weitere eigentlich vom Beckenboden gehaltene
Organe senken sich, fallen teilweise sogar in die Scheide vor. 2010 müssen im Rahmen von zwei Not- Operationen überschüssige bzw. defekte Teile des Mastdarms, die sich über den After geschoben hatten, entfernt und ein Schmerzpunkt in der Scheide verödet werden. Auch dieses Jahr wird Angela
Bauer nicht um erneute Operationen herumkommen. Rehabilitationsmaßnahmen zwischen den Operationen bieten ihr die Möglichkeit, für kurze Zeit aufzutanken. Doch über ihre Schmerzen und
Bewegungseinschränkungen hinaus hat die Krankheit ihr Leben völlig verändert: Sie ist psychisch angegriffen, die Beziehungen zu Freundeskreis und Familie haben gelitten.
Meist Folge von Operationen oder Entzündungen
Der medizinische Fachbegriff für Verwachsungen zwischen bauchfellüberzogenen Eingeweiden oder am Bauchfell ist Adhäsion. Etwa zehn Prozent der Verwachsungen sind angeboren und bereiten
typischerweise keine Probleme. In 90 Prozent der Fälle sind sie jedoch die Folge von Operationen oder Entzündungen im Bauchraum. Bei operativen Eingriffen wird das Bauchfell notgedrungen verletzt. Direkt im Anschluss setzt der Körper seine eigenen Wundheilungsprozesse in Gang. Dabei produziert er eine klebrige Substanz, Fibrin. Berühren sich nach der Operation benachbarte Organe, kann diese Substanz die Organe im Regelfall vorübergehend, bei krankhaftem Verlauf aber auch dauerhaft verbinden. Somit kann durchaus die längst vergessene Blinddarm-Operation Ursache einer Verwachsung sein – und damit von Beschwerden wie sie Angela Bauer erlebt. Weiterhin sind
chronische Schmerzen, Unfruchtbarkeit, Bewegungseinschränkung mögliche Folgen von Verwachsungen. Studien haben gezeigt, dass Verwachsungen innerhalb des Bauchraums nach 50- 100 Prozent aller Operationen auftreten, wobei Risikopatienten insbesondere die sind, die an Eileitern, Eierstöcken, Gebärmutter oder am Darm operiert werden. „Meist können die Verwachsungen direkt gelöst werden“, sagt Prof. Dr. Dr. Hans-Rudolf Tinneberg, Direktor der Universitätsfrauenklinik Gießen. „Bei einigen Patienten sind sie so ausgeprägt, dass ein vollständiges Lösen mit einem hohen Verletzungsrisiko der Bauchorgane verbunden wäre und die
Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Verwachsungen im Bauch nach einiger Zeit wieder auftreten“, ergänzt er.
Vielfältige Ursachen erschweren Diagnose
Eine Analyse von 11 Studien mit fast 1.000 Patienten, die an chronischen Unterbauchschmerzen litten, hat gezeigt, dass bei 40 % der Patienten Verwachsungen bestanden.2 Verwachsungen infolge von operativen Eingriffen in den Bauch- oder Beckenraum verursachen 60–75 % aller
Darmverengungen und Darmverschlüsse.3 Diese Zahl bestätigt auch der Professor aus Gießen: „Bis zu 76 Prozent aller Passagestörungen des Dünndarms sind auf Verwachsungen zurückzuführen.“ Damit tritt er auch entschieden dem Vorurteil entgegen, Patienten mit Unterbauchschmerzen seien Simulanten.
Dennoch warnt der Experte davor, vorschnell eine Diagnose zu stellen: Verwachsungen sind zwar eine häufige Ursache für Unterbauchschmerzen, doch längst nicht die einzige: Ablagerungen von Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter (Endometriose) gehören dazu, Myome (gutartige
Tumore), chronische Entzündungen, Zysten, aber auch psychosomatische Beschwerden. Dr. Andreas Hackethal, Oberarzt an der Universitätsfrauenklinik in Gießen, rät daher, chronische Durchfälle oder Blähungen ärztlich abklären zu lassen. „Oft greifen Patienten zu frei verkäuflichen Schmerzmitteln, die kurzfristig Linderung bringen, aber dazu führen, dass der Schmerz sich zu einer eigenständigen Krankheit entwickelt – dem chronischen Schmerz“, so Dr. Hackethal.
Sichere Diagnose meist nur durch operativen Eingriff
Den Anfang der Behandlung bildet eine sorgfältige Auseinandersetzung mit der Krankheitsgeschichte des Patienten. Mit bildgebenden Untersuchungsverfahren wie Röntgen, Magnetresonanztomographie
und Ultraschall müssen schwerwiegendere Diagnosen, die mit ähnlichen Schmerzen im Bauchraum einhergehen können, ausgeschlossen werden. Verwachsungen innerhalb des Bauchraumes sind meistens nicht mit den heutigen bilddiagnostischen Möglichkeiten nachzuweisen. Eine sichere
Diagnose erfordert fast immer den Blick in den Bauchraum – ein Grund mehr, warum Verwachsungen oft erst während einer Operation entdeckt werden.
Interdisziplinärer Ansatz gefordert
Die Chirurgie ist wie im Fall von Angela Bauer lediglich ein Teil der Behandlung von Adhäsionen. Gefragt ist ein interdisziplinärer Ansatz. Gynäkologen, Hausärzte, Chirurgen, Urologen, Gastroenterologen, Psychosomatiker, aber auch Psychologen, Homöopathen, Osteopathen und
natürlich Selbsthilfegruppen wie die von Angela Bauer können dazu beitragen, die Beschwerden zu lindern – wobei Schmerztherapie und psychosomatische Betreuung im Vordergrund stehen sollten.
Prävention ist alles
Da die operative Therapie mit hoher Wahrscheinlichkeit neue Verwachsungen nach sich zieht – amerikanische Studien4 sprechen von 85 Prozent -, sollte die Vorbeugung im Vordergrund stehen, um das Problem erst gar nicht oder in möglichst geringem Umfang aufkommen zu lassen. „Die Gefahr,
dass benachbarte Organe miteinander verwachsen, besteht besonders innerhalb der ersten fünf Tage nach der Operation“, erklärt Prof. Tinneberg. Vor diesem Hintergrund hat sich an seiner Klinik die sogenannte CARE Group (Clinical Adhesion Research and Evaluation Group) zusammengefunden.
Die interdisziplinäre Expertengruppe will die Versorgung der Patienten durch die Zusammenführung aktueller Strategien zur Adhäsionsreduktion sowie die Erforschung weiterer adhäsionsreduzierender Maßnahmen optimieren.
Flüssige Barrieren im Vorteil
„Wir müssen die Organflächen in der kritischen Phase nach einer Operation durch sogenannte Adhäsionsbarrieren voneinander getrennt halten, um Verklebungen zu verringern“, so der Professor aus Gießen. Zur Verfügung dafür stehen einerseits feste Barrieren, mit denen die Wundflächen
abgedeckt werden, um ein Zusammenkleben zu verhindern. Der Körper baut das biologische Material später vollständig ab. Andererseits gibt es flüssige, ebenfalls vom Körper selbständig abgebaute Barrieren, zum Beispiel das nachweislich wirksame5, sichere6 und einfach anwendbare7 Hyalobarrier® Gel Endo. Die Ärzte an der Universitätsfrauenklinik geben den flüssigen Barrieren bei Laparoskopien, Hysteroskopien und Laparotomien den Vorzug: „Die Lösungen werden in den Bauchraum gegeben und bilden um die Organe herum einen Schutzfilm, der Verklebungen verhindert. Studien haben
gezeigt, dass sie das Verklebungsrisiko nicht ausschließen, aber deutlich senken können und gut verträglich sind.“
Umgang mit Verwachsungsrisiko vor einem Eingriff abklären
Wer einen operativen Eingriff im Bauch- oder Beckenraum vor sich hat, sollte sich also unbedingt vorab erkundigen, ob und mit welchen Mitteln die jeweilige Klinik postoperative Verwachsungen vermeidet. Ansonsten sollten die Patienten aktiv darauf drängen, so Prof. Tinneberg. Wer bereits
unter Adhäsionen leidet, dem rät Angela Bauer, nicht aufzugeben, sondern sich an eine Selbsthilfegruppe zu wenden oder wie sie eine eigene zu gründen. „Dort kommen Betroffene zusammen, die zum Austausch und Unterstützung für ein besseres Leben beitragen.“
Nordic Pharma GmbH