Berlin. Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard sieht Schleswig-Holstein auf gutem Weg zur finanziellen Konsolidierung. Bei einem Symposium zur Haushaltskonsolidierung in der schleswig-holsteinischen Landesvertretung in Berlin erklärte er heute, die eingeleiteten Konsolidierungsmaßnahmen zeigten bereits deutliche Wirkung.
So wurde die Neuverschuldung von 1,37 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 553 Milliarden Euro in 2011 abgesenkt und erneut ein Überschuss im operativen Ergebnis erzielt. Konsequente Ausgabendisziplin und Konzentration auf wesentliche Zukunftsaufgaben seien die Voraussetzung dafür. Die Investitionen bewegten sich auf hohem Niveau. „Mit dem Doppelhaushalt für 2013 und 2014 setzen wir diese erfolgreiche Politik fort: wir machen weniger neue Schulden und investieren gleichzeitig in die Zukunft des Landes“, so der Finanzminister. So stellt das Land für wachstumswirksame Investitionen in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und Breitbandversorgung zusätzlich 20 Millionen Euro zur Verfügung, weitere 30 Millionen Euro verbessern die Unterrichtsversorgung und die Schulsozialarbeit. Die Zuschüsse des Landes zu den laufenden Kosten der Kinderbetreuung in den Kommunen werden auf über 120 Millionen Euro jährlich gesteigert. Die übrigen Sachausgaben werden auf dem Niveau des Jahres 2012 eingefroren. Un-geplante Mehreinnahmen wurden zur Senkung der Neuverschuldung eingesetzt.
Dennoch nannte Wiegard die finanzielle Lage Schleswig-Holsteins angesichts der hohen Altschulden ausserordentlich schwierig. „Die Schulden des Landes, der Kommunen und unser rechnerischer Anteil an den Bundesschulden lagen 2010 zusammen bei knapp 100 Prozent des schleswig-holsteinischen Bruttoinlandsproduktes – das entspricht fast dem griechischen Schuldenstand vor der Finanzkrise.“ Die Erfahrungen mit der Schuldenkrise in den Euroländern hätten überdeutlich gezeigt, dass rechtzeitig gegengesteuert werden müsse. „Um dauerhaft handlungsfähig zu sein reicht es nicht, keine neuen Schulden mehr zu machen. Es muss ein klares Konzept zur Tilgung von Altschulden geben, um die künftige Zinslast zu mildern und mehr Spielraum für notwendige Zukunftsinvestitionen zu schaffen“, erklärte Wiegard. Ein solches Vorgehen sei auch ein klares Signal zur Stabilisierung der Finanzmärkte.
Der Finanzminister fordert deshalb Bund und Länder auf, die deutschen Staatsschulden von derzeit über zwei Billionen Euro um ein Viertel zu reduzieren. Dazu will Wiegard 500 Milliarden Euro Altschulden von Bund und Ländern in einen gemeinsamen Altschuldentilgungsfonds einbringen, der über 25 Jahre mit jährlich 20 Milliarden Euro ge-tilgt werde.
Wiegard: „Die staatliche Neuverschuldung zu begrenzen war ein erstes notwendiges Ziel, das nun von allen konsequent umgesetzt werden muss. Schleswig-Holstein hat seinen klaren Kurs auf Haushaltskonsolidierung eingestellt. Aber nur die Zunahme des Schuldenberges zu begrenzen reicht nicht aus, um dauerhaft handlungsfähig zu sein. Die derzeitige Staatsschuldenkrise zeigt uns, dass wir uns unabhängiger machen müssen von der Zinsentwicklung am Kapitalmarkt. Und das bedeutet neben allen Regularien: Runter mit den Schulden!“
Am Beispiel Schleswig-Holsteins erläuterte Wiegard, dass für den Altschuldenberg des Landes mit 27 Milliarden Euro derzeit fast eine Milliarde Euro Zinsen jährlich aufgewendet werden müssen, die für Zukunftsaufgaben nicht mehr zur Verfügung stehen. „Wir müssen jeden sechsten Steuer-Euro nur für die Vergangenheit ausgeben.“ Der jährliche Kreditbedarf für die Anschlussfinanzierung auslaufender Verpflichtungen betrage etwa 3,5 Milliarden Euro. Derzeit profitiere Schleswig-Holstein von den für Deutschland günstigen Zinskonditionen, die bei etwa 1,5 bis 2 Prozent bei Laufzeiten von drei bis sieben Jahren lägen. Wenn sich nach Auslaufen dieser Verpflichtungen der Zinssatz marktgerecht nur verdoppeln würde, stände Schleswig-Holstein vor der Aufgabe, fast 100 Millionen Euro zusätzlich erforderliche Zinsen durch weitere Einsparungen bei Zukunftsaufgaben zu erwirtschaften. Wiegard: „Zinsen fressen Leistung – Vergangenheit frisst Zukunft.“
Die Rückführung der aufgelaufenen Verschuldung auf die für alle Mitgliedstaaten geltenden 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sei kein besonders ambitioniertes Ziel für eine führende Wirtschaftsmacht. Deutschland müsse die staatliche Verschuldung von derzeit mehr als 80 Prozent auf deutlich unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückführen.
Der Schleswig-Holsteinische Finanzminister knüpft mit seinem erneuten Vorschlag an die Beratungen im Rahmen der Föderalismusreform an. Bereits 2007 hatte Wiegard den Versuch unternommen, Bund und Länder von einem gemeinsamen Altschuldentilgungsfonds zu überzeugen, dem sich kein Land „auch nicht in Wahlzeiten“ entziehen kann. In den gemeinsamen Altschuldentilgungsfonds sollen nach dem Vorschlag Wiegards alle Schulden eingebracht werden, die derzeit den Betrag von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen. Das sind rund 500 Milliarden Euro, davon etwa zwei Drittel vom Bund und ein Drittel von den Ländern und ihren Kommunen. Während der Zinsdienst vom Bund und den Ländern entsprechend ihrem Schuldenanteil zu bedienen wäre, soll die regelmäßige Tilgung von jährlich 20 Milliarden Euro zur Hälfte durch die nicht mehr benötigten Mittel des Solidarpaktes „Aufbau Ost“ erfolgen. Die andere Hälfte der Tilgung will der schleswig-holsteinische Finanzminister durch einen Vorwegabzug bei der Umsatzsteuer vor einer Verteilung auf Bund, Länder und Kommunen erbringen.
Mit diesem Altschuldentilgungsfonds würde sich die jährliche Zinslast bereits ab 2020 um jahrlich etwa eine Milliarde Euro reduzieren und nach 25 Jahren, wenn die letzte Tilgungsrate gezahlt sei, um 20 Milliarden Euro verringert haben – und die Schulden um 500 Milliarden.
Der Minister bezeichnete zugleich das Jahr 2020 als wichtige finanzpolitische Wegmarke, da dann die Regelungen für den für den Solidarpakt „Aufbau Ost“ ausgelaufen sind und der Länderfinanzausgleich und die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu geregelt werden müssen. Wiegard ist der Auffassung, dass mit den Beratungen dazu alsbald begonnen werden sollte, um rechtzeitig Klarheit und Planungssicherheit für alle Beteiligten zu erhalten. Dabei will er mehr Transparenz herstellen und den Ländern mehr Autonomie einräumen. „Wir sollten den Ländern ein Zuschlagsrecht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer innerhalb eines definierten Korridors ermöglichen“, sagte der Minister. Vor allem aber müsse die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern auf den Prüfstand gestellt werden: „Der Länderfinanzausgleich kann deutlich einfacher und transparenter gestaltet werden, wenn der Bund die von ihm gewollten Aufgaben auch selbst bezahlt“, so Wiegard. Die Neuregelung sollte nach Ansicht des schleswig-holsteinischen Finanzministers den Ländern mehr Anreize für ein gesamt-staatlich sinnvolles Handeln bieten. „Länder, die durch besondere Anstrengungen ihre Wirtschafts- und ihre Steuerkraft stärken, müssen davon einen größeren Nutzen haben“, forderte Wiegard.
Verantwortlich für diesen Pressetext: Matthias Günther| Pressestelle | Finanzministerium, 24105 Kiel