BKA-Erhebung zu den Auswirkungen des Wegfalls der Vorratsdatenspeicherung wird teilweise unzutreffend interpretiert

Die statistische Erhebung des Bundeskriminalamtes (BKA) zu den Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung wird in der Berichterstattung der Medien teilweise unzutreffend interpretiert. So wird der Schluss gezogen, Telefon- und Handydaten seien für die Ermittler kriminalistisch uninteressant und marginal. Diese Einschätzung ist falsch.

Das BKA stellte im Zeitraum vom 2. März 2010 bis zum 26. April 2011 Auskunftsersuchen zu 5082 Anschlüssen beziehungsweise IP-Adressen, die die Telekommunikationsanbieter in 4292 Fällen (rund 84 Prozent) nicht beauskunfteten. Hauptanwendungsfälle waren mit rund 90 Prozent Erhebungen der hinter einer IP-Adresse stehenden Kundendaten (Internet). Mit rund 10 Prozent waren retrograde Verkehrsdatenerhebungen (Festnetz/Mobilfunk) nach § 100g StPO in weitaus weniger Fällen Gegenstand der Auskunftsersuchen.

Hieraus abzuleiten, Telefoniedaten seien kriminalistisch von marginaler Bedeutung, ist falsch. Die Anzahl von Anfragen zu Telefonanschlüssen ist schon aus technologischer und kriminalistischer Sicht zwingend kleiner als die Anzahl der Auskunftsersuchen zu Anschlussinhabern bei IP-Adressen. Während Telefonnummern grundsätzlich statisch vergeben und in der Regel einem Anschluss fest zuzuordnen sind, werden IP-Adressen zumeist dynamisch vergeben und sind damit quantitativ deutlich häufiger Gegenstand von Auskunftsersuchen.

Das Max-Planck-Institut hat in einer Studie zu Verkehrsdaten (§ 100g StPO) aus dem Jahre 2008 bereits festgestellt, dass in den Phänomenbereichen der Banden- und Schwerkriminalität retrograde Telefondaten in bestimmten Konstellationen für die Ermittlungen von zentraler Bedeutung sind.

Richtig ist, dass ausweislich der Erhebung des BKA in circa 80 Prozent der angefragten Telefonanschlüsse auf Auskunftsersuchen retrograde Verkehrsdaten von den Anbietern übermittelt wurden. Dieses Ergebnis muss allerdings richtig interpretiert werden:

Die Qualität und Vollständigkeit der Antworten, d. h. -ob nur eingehende oder auch ausgehende Verbindungen oder -ob Daten lediglich mit unvollständigen Rufwahlnummern mitgeteilt wurden, wie es aktuell bei den Ermittlungen gegen die sog. Zwickauer Terrorzelle festzustellen ist, und -insbesondere wie lange zurück in die Vergangenheit die mitgeteilten Daten reichten, war nicht Gegenstand der Erhebung. Insofern bleibt offen, ob den Ermittlern nicht dennoch ermittlungsrelevante retrograde Daten aus den letzten sechs Monaten fehlten.

Im Erfassungszeitraum der BKA-Erhebung waren 498 Ersuchen bezüglich Telefoniedaten gestellt worden, 97 (rund 20 Prozent) davon gingen vollständig ins Leere. Somit kann der Rückschluss, dass das BKA bei retrograden Verkehrsdatenauskünften zu Telefonanschlüssen fast immer auf vollständige Daten zurückgreifen konnte, nicht gezogen werden.

Zur Dauer der Speicherung von IP-Adressen ist festzustellen, dass die Polizei zügig nach Kenntniserlangung über das Vorliegen ermittlungsrelevanter Verkehrsdaten Auskunftsersuchen stellt, oftmals innerhalb von sieben Tagen. Trotzdem gehen die Auskunftsersuchen ausweislich der BKA-Erhebung gerade bei IP-Adressen in rund 90 Prozent der Fälle ins Leere. Die Ergebnisse zeigen, dass zwischen dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung über das Vorliegen ermittlungsrelevanter Verkehrsdaten und der Stellung des Auskunftsersuchens in der Regel (in 86 Prozent der Fälle) maximal sieben Tage lagen. Das bedeutet: Nicht die polizeiliche Reaktionszeit, sondern das Alter der Verkehrsdaten bestimmt den erforderlichen Speicherzeitraum. Die Strafverfolgungsbehörden haben häufig keinen Einfluss darauf, wie schnell sie von einem Fall und dem Vorliegen eventuell ermittlungsrelevanter Verkehrsdaten erfahren.

BKA Präsident Jörg Ziercke: „Die Ergebnisse der BKA-Erhebung spiegeln die Erfahrungswerte des BKA wider und treffen Aussagen über Ermittlungsmaßnahmen des Bundeskriminalamtes im Rahmen seiner besonderen Zuständigkeiten. Das BKA führt in der Regel Verfahren aus dem Bereich der Schwerstkriminalität. Dabei ist die Erhebung retrograder Verkehrsdaten für uns oft der entscheidende Ermittlungsansatz, auch zur Aufhellung der Kommunikationsstrukturen und der kriminellen Netzwerke international agierender Straftätergruppierungen.“

Bundeskriminalamt - Pressestelle