Das Verarmungsrisiko in Deutschland wächst. Am meisten betrifft es Menschen, die bereits geringe Einkommen haben. In den unteren Einkommensschichten stieg die Verarmungsquote von 1984 bis 2007 von zehn auf 15 Prozent. In der Mittel- und Oberschicht änderte sich im untersuchten Zeitraum die Quote kaum. Dies zeigen die Sozialwissenschaftler Martin Ehlert und Jan Paul Heisig in einer Analyse für die Vierteljahreszeitschrift des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB).
Trennung, Scheidung, Kinder
„Die Armutsrisikoschwelle liegt bei circa 900 Euro pro Person – wenn ein Haushalt ein Nettoeinkommen unter diesem Betrag hat, zählen wir ihn als verarmt“, erklärt Ehlert im pressetext-Gespräch. Zwischen 900 und 1.200 Euro ist niedriges Einkommen angesiedelt. Als mittleres Einkommen werden Einkünfte zwischen 1.200 und 2.200 Euro gerechnet. Diese Einkommensgrenzen beziehen sich auf Singlehaushalte. Kinder und Partner werden mit 0,3 beziehungsweise 0,5 dazugerechnet.
„Klassische Gründe für eine Einkommensarmut sind Arbeitslosigkeit, Trennung, Scheidung, selten aber auch die Geburt eines Kindes“, sagt Ehlert. Risikogruppen sind Niedriggebildete und Alleinerziehende. Im Niedriglohnsektor sind die Löhne in den vergangenen Jahren sogar noch gefallen. „Es ist sehr viel ungemütlicher in diesem Bereich geworden“, sagt Ehlert.
Alleinerziehende besonders gefährdet
Alleinerziehende – ganz gleich mit welchen Bildungsgrad – haben es wesentlich schwerer, sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Insgesamt sind Akademiker weniger vom finanziellen Abstieg bedroht als weniger gebildete. „Das Problem der Armut liegt nicht bei Menschen mit höherem Bildungsabschluss, sondern bei Menschen mit Hauptschulabschluss oder weniger“, sagt der Sozialwissenschaftler.
Um gegen die Misere anzugehen, sollte das Bildungssystem in Deutschland die jungen Menschen früher auffangen, damit es erst gar nicht zur Verarmung kommen kann, so die Forscher. Zudem würde ein flächendeckender Ausbau der Kinderbetreuung helfen, Alleinerziehende wieder ins Berufsleben zu integrieren. Mit der Verbesserung der Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie könnte die Armut Alleinerziehender verbessert werden.
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Sozialwissenschaftler Martin Ehlert (Foto: Ingeborg Weik-Kornecki)