Mit dem heute vom Kabinett beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression wird der Beschluss des Koalitionsausschusses vom 6. November 2011 umgesetzt, die Bürgerinnen und Bürger in den Jahren 2013 und 2014 von Wirkungen der kalten Progression zu entlasten. Der geplante Ausgleich hat ein Volumen von insgesamt sechs Milliarden Euro pro Jahr. Er wird 2013 und 2014 in zwei Schritten umgesetzt und umfasst folgende Eckpunkte:
Der Grundfreibetrag wird bis 2014 um insgesamt 350 Euro bzw. 4,4 Prozent auf 8.354 Euro angehoben. Dieser Betrag bleibt steuerfrei, erst höhere Einkommen werden besteuert.
Der Tarifverlauf wird bis 2014 ebenfalls um insgesamt 4,4 Prozent angepasst. Denn jedes Einkommen soll genau um den Betrag entlastet werden, um den es durch die kalte Progression belastet wird.
Die Bundesregierung wird künftig alle zwei Jahre überprüfen, wie die kalte Progression wirkt und ob nachgesteuert werden muss. Grundfreibetrag und Tarifverlauf können daraufhin entsprechend angepasst werden.
Höherer Grundfreibetrag
Allen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland wird ein Existenzminimum garantiert. Arbeitseinkünfte bleiben bis zu diesem Betrag steuerfrei. Dafür sorgt der so genannte Grundfreibetrag. Dessen Höhe wird alle zwei Jahre geprüft, damit er nicht unter das Existenzminimum sinkt. Diese Anpassung ist verfassungsrechtlich geboten. Schon heute zeichnet sich ab, dass in den Jahren 2013 und 2014 der Grundfreibetrag erhöht werden muss. Die vorgesehene Erhöhung des Grundfreibetrags um insgesamt 350 Euro erfolgt in zwei Schritten und entspricht dem heute absehbaren Anstieg des steuerlichen Existenzminimums. Der Grundfreibetrag steigt zunächst um 126 Euro zum 1. Januar 2013 und um weitere 224 Euro zum 1. Januar 2014.
Anpassung des Steuertarifs
Im Zusammenhang mit der Anhebung des Grundfreibetrags um insgesamt 4,4 Prozent erfolgt eine Anpassung der Steuertarife in gleichem Umfang. Wenn nur der Grundfreibetrag stiege, würde sich der Eingangssteuersatz erhöhen. Mit einer Veränderung der Steuertarife verschiebt sich die gesamte Steuerkurve und der Eingangssteuersatz bleibt gleich. Die Anpassung des Tarifverlaufs um einen festen Prozentsatz sorgt dafür, dass der Effekt der kalten Progression für alle in gleichem Umfang ausgeglichen wird. Damit bildet der Tarifverlauf den Aspekt der Leistungsfähigkeit genauso gut ab wie bisher.
Gerechte Verteilung
Das Steuersystem in Deutschland ist so aufgebaut, dass Besserverdienende im Verhältnis mehr Steuern zahlen als Menschen mit niedrigem Einkommen. Wer mehr Steuern bezahlt, wird in Euro-Beträgen durch die kalte Progression stärker belastet. Insofern führen die neuen Tarife auch zu einer betragsmäßig „höheren“ Entlastung. Prozentual werden höhere Einkommen jedoch deutlich weniger entlastet. Damit ist sichergestellt, dass auch künftig die hohen Einkommen wesentlich stärker zum Steueraufkommen beitragen als untere Einkommensgruppen.
Die prozentuale Entlastung sinkt ab Einkommen von 300.000 Euro und mehr im Jahr auf 0,29% der bisherigen Steuerzahllast. Hier wirkt im Ergebnis ausschließlich die verfassungsrechtlich gebotene Anhebung des Grundfreibetrags. Ein Ausgleich der kalten Progression für Einkommen oberhalb von 250.000 Euro/500.000 Euro (Alleinstehende/ Ehegatten), auf die der erhöhte Steuersatz von 45% (sog. Reichensteuer) zu zahlen ist, wird nicht erfolgen.
Der Effekt der kalten Progression
In Deutschland wird die Einkommensteuer nach einem so genannten progressiven Tarif berechnet. Wer mehr verdient, zahlt prozentual mehr Steuern. Das bedeutet: Für jeden Euro an zusätzlichem Einkommen wird ein höherer Steuersatz veranschlagt. Der Steuerbetrag steigt also nicht gleichmäßig, sondern überproportional. Starke Schultern tragen mehr – das ist der Grundsatz der deutschen Steuerpolitik. Mit der Steuerprogression gewährleistet der Staat, dass Menschen mit geringem Einkommen auch anteilig weniger belastet werden als Gutverdienende. So leistet jeder nach seinen Möglichkeiten einen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens.
Der progressive Steuertarif kann dann negative Effekte haben, wenn die Einkommensteuersätze nicht die Preisentwicklung, also die Inflation, berücksichtigen. Wenn das allgemeine Preisniveau beispielsweise um zwei Prozent steigt und die Löhne in gleichem Umfang nachziehen, dann sollte auch die Steuerlast nur um zwei Prozent steigen, damit die Kaufkraft nicht sinkt. Sonst kann es dazu führen, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer trotz einer Lohnerhöhung am Ende weniger kaufen kann als zuvor. Dieses Zusammenspiel von Inflation und Steuerprogression nennt man „kalte Progression“.
Was passiert, wenn nicht gegengesteuert würde?
Ohne eine Anpassung des Einkommensteuertarifs wirkt die Progression im Effekt wie eine Steuererhöhung. Wenn die Einkommen an die Inflation angepasst werden und steigen, der Tarifverlauf aber unverändert bleibt, rutschen immer mehr Lohnempfänger in höhere Steuertarife und haben dadurch eine Mehrbelastung zu tragen.
Ab dem 1. Januar 2013 sollen nun die Bürgerinnen und Bürger einen Teil des Geldes zurück erhalten, das sie durch diesen Effekt einbüßen. Ziel ist nicht, die Steuern zu senken, sondern den Bürgerinnen und Bürgern den Betrag zurückzugeben, den sie durch die kalte Progression weniger zur Verfügung haben. Ein Plus von 15 bis 25 Euro (Ledige) bzw. 30 bis 50 Euro (Verheiratete) jeden Monat bei mittleren Einkommen ist ein spürbarer Betrag.
Bundesministerium der Finanzen