Ein Bienenstock im Glassturz, der im Wohnzimmer hängt und zur Entnahme des Frühstückshonigs bloß kurz geöffnet werden muss: Mit dieser Idee sorgt derzeit Philips in den weltweiten Hightech-Blogs für Furore. Unter Imkern sorgt sie allerdings bloß für Belustigung. Felix Muck, Sprecher der Initiative Stadtimker http://www.stadtimker.at , bringt es auf den Punkt: „Es ist eindeutig, dass so ein Konzept nicht funktionieren kann und daher nur eine künstlerische Designstudie darstellt“, so der Experte im pressetext-Interview. Honigmaschine für drinnen
Zunächst zum Philips-Bienenstock, der als Teil des „Microbial Home“-Wohnkonzepts präsentiert http://bit.ly/qv5IRZ wurde. Es besteht aus einem transparenten, tropfenförmigen Glasgefäß, in dem Platten in Wabenstruktur angeordnet sind. Bienen besiedeln deren Zellen und kleiden sie mit Wachs aus, so Philips, wobei sich Honig im unteren Teil des Stocks sammelt. Zur Entnahme zieht man an einem Schnürchen, erzeugt dadurch Rauch, der die Bienen besänftigt, und kann den Stock öffnen. Ein Röhrchen verbindet den Bienenstock mit dem Freien, wobei an der Außenwand ein Blumenstock als Lockköder angebracht wird.
Design ohne Funktion
Den Praxis-Check besteht das Bienenstock-Konzept allerdings nicht. Eine pressetext-Umfrage beim freien Imkerverband http://imkerverband.org liefert prompt eine Flut von Rückmeldungen – mit dem einhelligen Urteil: „Es funktioniert nicht.“ Zu viele Fragen lasse Philips in seinem Konzept ungeklärt: Das Plastikgehäuse besitzt keine ausreichende Lüftung – und somit keine Lösung bei Kondenswasser, Fäulnis, Schimmel oder Temperaturproblemen. Die Styling-Spirale ordnet die Wabengassen in viel zu weiten Abständen an, zudem würden Bienen den freien Spalt zum Gehäuse schnell verbauen und somit das Zusehen unmöglich machen.
Auch die Honigentnahme würde kaum funktionieren – schon deshalb nicht, da das dafür vorgesehene Herumstochern die Bienen bloß aggressiv machen würde und entstehende Löcher rasch harte Propolis-Stöpsel erhielten. „Ein durchschnittliches Bienenvolk liefert 20 Kilogramm Honig im Jahr. Die Wabenfläche, die das Philips-Konzept bietet, ist jedoch viel zu klein, um überhaupt ohne viel Zufüttern Erträge zu liefern. Zudem muss ein Bienenstock geöffnet werden können für die Brutkontrolle, Krankheitsbehandlung, zur Ablegerbildung und Kontrolle der Wadenproben. Mit diesem Konzept ist das nicht möglich“, ergänzt Muck.
Bienen sind keine Maschinen
Abgesehen davon, dass sich Bienen in dem Glassturz nur schwerlich ansiedeln würden, wäre selbst ein angesiedeltes Bienenvolk schon bald wieder über alle Berge, da Bienenvölker ohne Imker stets ausschwärmen, um sich zu vermehren, so die Fachexperten weiter. Problematisch sei, dass das Konzept die Bienenhaltung als etwas vollkommen Unproblematisches erscheinen lasse, während sie jedoch in Zeiten des Bienensterbens (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/20110311004 ) vielmehr zum Job für Spezialisten geworden ist.
Immerhin würdigen mehrere Imker, dass der holländische Technikriese die städtische Bienenzucht thematisiert. „Eine Folge des Bienensterbens ist, dass sich Honig- und Wildbienen, Hummeln und andere Insekten zunehmend in Städten ansiedeln. Sie finden an Stadträndern und Kleingärten in den Blühpflanzen und Bäumen Bienenweiden“, berichtet Muck.
Absicht war Kreativimpuls
Aktualisierung (15.11.2011, 10:30 Uhr): Ein Philips-Sprecher http://www.philips.de weist gegenüber pressetext überzogene Ansprüche an das Konzept, die in der Blogosphäre entstanden sind, zurück. Der Bienenstock sei eine rein explorative Designstudie, die auf kreative Weise neue Denkansätze anregen wolle, ohne jedoch dabei Funktionstüchtigkeit oder gar kommerzielle Umsetzung vor Augen zu haben. Auch eine Imkerfachmeinung sei im Zuge der Erstellung eingeholt worden.