KIEL/WIESBADEN. Beim Thema Steuervereinfachung arbeiten die Bundesländer Hessen und Schleswig-Holstein eng zusammen. Die Finanzminister Dr. Thomas Schäfer (Hessen) und Rainer Wiegard (Schleswig-Holstein) haben gemeinsam ein Papier verfasst, in dem sie ihre Vorstellungen deutlich machen. Dieses wird im Folgenden dokumentiert. Der Wunsch nach Steuervereinfachung zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Steuerpolitik und ist vermutlich so alt wie das Steuerrecht selbst. Nicht nur viele Bürgerinnen und Bürgern empfinden es als deutlich zu kompliziert, auch die mit dem Steuerrecht befassten Experten wie Steuerberater, Lohnsteuerhilfevereine und die Finanzverwaltung beklagen den Zustand. Leider ist der Wunsch nach Steuervereinfachung bislang aus vielerlei Gründen weitgehend unerfüllt geblieben. Dies könnte sich bald ändern, denn die Voraussetzungen für einen Einstieg in die Steuervereinfachung sind so gut wie nie zuvor. Steuervereinfachung ist zum Greifen nah, man darf nur nicht auf halbem Weg stehenbleiben.
Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP enthält viele Aussagen zur Vereinfachung des Steuerrechts. Einige Länder – darunter auch Schleswig-Holstein und Hessen – sind mit eigenen Vorstellungen zur Entschlackung des Steuerrechts an die Öffentlichkeit getreten. Letztlich haben die Länderfinanzminister in ihrer Jahreskonferenz am 20. Mai 2010 in Dresden eine Liste mit dreizehn konkreten Vereinfachungsmaßnahmen beschlossen. Das Bemerkenswerte hieran: alle dreizehn Vorschläge sind länder- und somit parteiübergreifend einstimmig gefasst worden. Sie reichen von Vereinfachungen bei der Entfernungspauschale und den Besteuerungsregelungen für Ehegatten, über die Erhöhung der Pauschbeträge für behinderte Menschen, die Einzelnachweise von Kosten zurückdrängen soll, bis hin zu erleichterten Anspruchsvoraussetzungen bei Kindergeld, Kinderfreibeträgen und Kinderbetreuungskosten. Gerade Letzteres verdeutlicht das massive Vereinfachungspotenzial: die heute dreiseitige „Anlage Kind“, die Eltern bei ihrer Einkommensteuererklärung für jedes Kind ausfüllen müssen, würde um eine ganze Seite kürzer.
Auch die Bundesregierung hat bereits Vereinfachungsschritte angekündigt. Aus Sicht der Länder bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung nicht hinter den die Vorschlägen der Jahreskonferenz der Länderfinanzminister zurückbleibt. Das von der Bundesregierung angestrebte finanzielle Entlastungsvolumen der Vereinfachungsreform von rund einer halben Milliarde Euro würde dies zulassen, denn die Ländervorschläge halten diesen Rahmen exakt ein.
Eine von Finanzpolitikern des Bundestags zusammengestellte Liste mit mehr als 90 Vorschlägen zeigt indes, dass dem Ideenreichtum in Sachen Steuervereinfachung kaum Grenzen gesetzt sind. An Grenzen stößt die Umsetzung der Ideen allein dann, wenn Vereinfachungen zu einer Reduzierung des Steuervolumens insgesamt führen würden. Dies kann bei einer Steuervereinfachung, die sich vom langjährig gepflegten Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit trennt und stattdessen auf Typisierungen, Generalisierungen und Pauschalierungen setzt, zwar der Fall sein. Es gibt aber auch durchaus Möglichkeiten, mutigere Vereinfachungsschritte innerhalb des Steuerrechts zu finanzieren, als es derzeit den Anschein hat. Zudem darf man bei der Betrachtung nicht den Aspekt von Einsparungen durch Bürokratieabbau bei den Bürgern und natürlich auch bei den Personalkosten in der Finanzverwaltung vergessen. Es ist also eine Frage der Ausgestaltung des Gesamtpaketes, wie der Wunsch nach Steuervereinfachung mit dem mindestens ebenso wichtigen Ziel der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in Einklang gebracht werden kann.
Für Schleswig-Holstein und Hessen ist es ein wichtiges Anliegen, dass gerade für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine durchgreifende Steuervereinfachung gelingt. Denn diese bilden mit 22,6 Millionen Steuerpflichtigen die weitaus größte Gruppe der rund 27 Millionen Steuerpflichtigen insgesamt. Schleswig-Holstein und Hessen wollen deshalb über die bereits bekannten Vorschläge der Bundesregierung und der Länderfinanzminister hinaus eigene Vorschläge für eine Vereinfachung des Werbungskostenabzugs bei Arbeitnehmern forcieren. Im Prinzip geht es darum, den heutigen Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 Euro in separate Pauschbeträge für Fahrtkosten und für übrige Werbungskosten aufzusplitten. Denn derzeit ist es so, dass in vielen Fällen bereits die Fahrtkosten den Arbeitnehmer-Pauschbetrag „aufzehren“ und somit sein Vereinfachungseffekt verloren geht. Hierzu ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer fährt an 220 Tagen zu seiner 14 Kilometer entfernten Arbeitsstätte. Die hierfür anzusetzende Entfernungspauschale von 924 Euro (220 Tage x 14 km x 30 Cent) übersteigt den Arbeitnehmer-Pauschbetrag, so dass der Arbeitnehmer weitere, betragsmäßig meist geringe berufliche Kosten, z. B. für die Anschaffung von Fachliteratur oder Abschreibungen für einen beruflich genutzten PC, einzeln nachweisen muss. Dieser Nachweis soll künftig durch separate Pauschbeträge für Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einerseits und für übrige Werbungskosten andererseits entfallen. Steuermindereinnahmen und Vereinfachungseffekte hängen von der Höhe der Pauschbeträge ab.
Neben all diesen materiell-rechtlichen Vereinfachungsüberlegungen sollte jedoch auch die Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung verbessert werden. Verständlichere und anwendungsfreundlichere Erklärungsvordrucke, eine für den Bürger vom Finanzamt bereits vorausgefüllte Einkommensteuererklärung, ein einfaches Besteuerungsverfahren für Rentnerinnen und Rentner sowie der generelle Verzicht auf Papierbelege sind Ziele im Koalitionsvertrag. Diese Vorschläge sind genauso zielstrebig wie die zuvor genannten Maßnahmen voranzutreiben. Die Länder Schleswig-Holstein und Hessen sind bereit, ihren Beitrag hierzu zu leisten.
In ihren Bemühungen zu weiteren Vereinfachungen werden die Länder Hessen und Schleswig-Holstein auch in Zukunft weiter eng zusammenarbeiten. Sie beabsichtigen auch für andere Steuerarten weitere Vereinfachungsvorschläge zu unterbreiten.
Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein | Düsternbrooker Weg 64, 24105 Kiel