Washington – In den USA wurde vor den Luftangriffen auf Libyen im März 2011 darüber diskutiert, ob man die Luftabwehr der Gaddafi-Truppen mit einer Cyber-Attacke ausschalten soll, wie die New York Times berichtet. Für den Verzicht zugunsten konventioneller Angriffe werden mehrere Gründe angeführt. „Ich halte die Aussagen der Regierung für Blendgranaten. Die USA wollen international demonstrieren, dass sie über die entsprechenden Möglichkeiten verfügt hätten“, sagt Cybersecurity-Experte Alexander Klimburg vom Österreichischen Institut für Internationale Politik http://www.oiip.ac.at im Gespräch mit pressetext. Alte Technik
Das Ziel eines Cyber-Angriffes wäre gewesen, die Flugabwehr Libyens zu zerstören, um das Risiko für die folgenden Kampfflugzeuge zu minimieren. „Die US-Airforce verfügt schon seit acht Jahren über die Technologie für einen solchen Angriff. Die Flugabwehr Gaddafis war aber nie eine echte Gefahr für die Kampfjets. Der Großteil der libyschen Technologie ist so alt, dass ein Cyber-Angriff möglicherweise gar nicht möglich gewesen wäre“, sagt Klimburg. Als Gründe für den Verzicht auf eine Cybe-Attacke werden die knapp bemessene Vorlaufzeit, die unklare Rechtslage und das Vermeiden der Schaffung eines internationalen Musterbeispiels angeführt.
Nach einem US-Gesetz aus der Zeit des Vietnam-Kriegs ist die Exekutive verpflichtet, den Kongress zu informieren, wenn es Ressourcen in Auseinandersetzungen einführt. „Cyber-War wurde bisher immer als Geheimmission klassifiziert, weshalb er nicht unter diese Regelung fiel. Hätten die USA dieses Mittel gegen Libyen eingesetzt, hätten sie womöglich einen Präzedenzfall geschaffen, der sie verpflichtet hätte, ihre Operationen im Cyberspace auch rückwirkend offenzulegen“, erklärt Klimburg. Die anderen Gründe scheinen eher fadenscheinig. Da die Technologie schon länger existiert, kann sie sicher mit wenig Vorlaufzeit eingesetzt werden. Die Vorbildwirkung der USA hat bisher auch niemanden vom Einsatz moderner Technologien abgehalten.
Großer Nachholbedarf
„Cyber-War wird derzeit noch nicht geführt. Allerdings werden zwischenstaatliche Konflikte immer häufiger im Internet ausgetragen. In 80 bis 90 Prozent der Fälle erfährt die Öffentlichkeit nichts davon“, so Klimburger. Cyber-Attacken richten sich meist gegen zivile Ziele, da die militärischen weitaus besser geschützt sind. „Beim Schutz ihrer Infrastruktur haben die Staaten großen Nachholbedarf. Cyber-War kann potenziell sehr gefährlich sein. Der Medien-Hype ist aber übertrieben. Viele der Attacken, über die berichtet wird, fallen eigentlich nicht in die Kategorie Cyber-War“, so Klimburg.
Ein großes Problem bei Attacken aus dem Internet ist, dass die Urheber kaum auszuforschen sind. Man kann zwar feststellen, aus welchem Land ein Angriff kommt, aber nicht, ob offizielle Stellen oder nur experimentierfreudige Jugendliche dafür verantwortlich sind. Vergeltungsmaßnahmen sind also wenig vernünftig. In Österreich arbeitet man schon seit etwa acht Jahren an einer Cyber-Strategie. Momentan wird wieder an einem Entwurf gearbeitet. Allerdings kochen mehrere Behörden ihr eigenes Süppchen, wie Insider berichten.
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