Wien (pte/12.10.2011/06:10) Menschen werden für andere attraktiver, wenn sie ihre sexuellen Triebe in Zaum halten können. Das erklärt der Wiener Psychotherapeut und Psychiater Raphael Bonelli im pressetext-Interview. „Wer seinen Trieb aus freien Stücken aufschieben kann, stärkt damit seine innere Freiheit. Krankhaft wird Sex viel eher dann, wenn man nicht zumindest kurzfristig auf ihn verzichten kann.“ Wie viel Sex der Mensch mindestens braucht, um gesund zu bleiben, diskutieren Sexualtherapeuten, Psychiater und Theologen am kommenden Samstag auf einer Fachtagung über den Zölibat http://zölibat.at in Wien. Die mediale Präsenz der Sexualität spielt eine gewichtige Rolle in der Diskussion um das „nötige Minimum“: Sex wird häufig als notwendiger Höhepunkt und Ziel jeder Liebesbeziehung dargestellt, verstärkt durch sexistische Abbildungen. Zusätzlich zu diesen künstlich geschaffenen kommen auch von Betroffenen selbst kreierte Bedürfnisse, erklärt Bonelli. „Viele Männer glauben fest, dass sie dringend Sex brauchen. Noch immer kursieren Unsinns-Argumente, etwa dass alle 14 Tage der Hoden entleert und Dampf abgelassen werden muss – womit Männer jedoch in erster Linie den Frauen Druck machen wollen.“
Frei versus unfrei
Was schwerer wiegt, sind jedoch die psychischen Folgen von ausbleibendem Sex, wobei Sigmund Freuds Thesen weiterhin als Meilenstein gelten. „Freud wurde jedoch von der 68er-Bewegung und einer banalisierenden Mittelschulpsychologie fälschlich oft so wiedergegeben, dass jeglicher Verzicht auf Sexualität neurotisiere. Er selbst betonte jedoch, dass dies nur bei unfreiwilligem Verzicht zutrifft. Sein Schüler Carl Gustav Jung konkretisierte später, dass freiwillige Enthaltsamkeit – also ohne Flucht aus Nöten und Verantwortungen – keinesfalls schädlich ist.“
Die Freiheit, den Sexualtrieb sowohl ausleben als auch darauf verzichten zu können, sieht Bonelli deshalb als entscheidendes Kriterium. Unfrei sei der Verzicht auf Sex etwa im Falle von Frigidität, bei sexueller Verklemmung oder auch bei halbbewusster Selbststimulierung, die das Bedürfnis nach Befriedigung bloß steigert. „Der Betroffene gesteht sich selbst den Trieb nicht ein und verdrängt die sexuellen Motive von Vorschubhandlungen. Sexuelle Übergriffe nehmen oft hier ihren Ausgang – etwa jene der Ephebophilie, der erotischen Anziehung erwachsener Männer zu geschlechtsreifen Knaben.“
Sprache der Liebe
Bewusster Verzicht, obwohl man die Triebe ausleben könnte, ist hingegen die Wurzel von Kultur, zitiert Bonelli erneut Freud. „Nur wer auf kurzfristige Befriedigung zugunsten eines längerfristigen Gutes verzichten kann, ist zu Kunst, Arbeit, Beziehung, Freundschaft und Hingabe fähig – Leistungen, die Grundpfeiler der Gesellschaft bilden.“ Selbst in bestehenden Paarbeziehungen führe deshalb erst das Wartenkönnen aus Rücksicht auf den anderen zur Vermenschlichung der körperlichen Liebe. Aufgabe der Eltern, jedoch auch des schulischen Sexualunterrichts sei es folglich, die in der Pubertät aufblühende Sexualität eines Jugendlichen dafür zu sensibilisieren.
Singles auf Partnersuche rät der Psychotherapeut, bewusst an der Kultivierung ihrer Sexualität zu arbeiten, statt sich bloß zu stimulieren. „Pornografie und Selbstbefriedigung sind ein kurzfristiges, oft zwanghaftes Ausleben der Triebsehnsucht. Beide erschweren es jedoch, Sex als Sprache der Liebe zu entwickeln. Zudem führt die ständige Sofortbefriedigung in einen Teufelskreis, der viele Männer um ihre attraktive Ausstrahlung bringt. Denn Lüstlinge kommen bei Frauen selten gut an – und werden von diesen meist auch rasch als solche enttarnt.“
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