Brüssel/Bad Hofgastein (pte/07.10.2011/18:57) Die EU-Kommission ist an einer Flexibilisierung des Pensionsalters interessiert und untersucht derzeit, in welcher Form dies geschehen kann. Das erklärt EU-Gesundheitskommissar John Dalli auf dem European Health Forum Gastein EHFG http://www.ehfg.org am heutigen Freitag gegenüber pressetext. „Gesundheit im Alter ist erstrebenswert – doch nur dann, wenn sie aktiv gestaltet wird. Die Sicherung des aktiven Lebensstils im Alter gehört zu den Prioritäten, die die EU-Innovationsstrategie demnächst fördern will. Die Suche nach Vorschlägen zur Reform der Pensionsmodelle ist ein Teil davon“, so der Politiker.
Pension bedeutet Sterberisiko
Eine Ankündigung, die bei Fachexperten offene Türen eintritt. Jean Pierre Baeyens, Past President der Europäischen Gesellschaft für geriatrische Medizin der EU http://eugms.org , macht sich etwa für die Einführung eines schrittweisen Berufsausstieges stark. „Arbeit gibt Identität und Sinn, und jeder hat das Recht auf bezahlte Betätigung in jedem Alter mit individuellem Ausmaß an Aktivität. Müssen 65-Jährige von einem Tag auf den anderen ihre Tätigkeit von 100 auf null Prozent reduzieren, bedeutet dies ein enormes Gesundheitsrisiko. Viele sterben gleich im ersten Jahr ihrer Pensionierung“, warnt der Experte im pressetext-Interview.
Die Bedeutung der Pension hat sich seit ihrer erstmaligen Einführung 1890 durch die Firma Krupp deutlich gewandelt. Bei einer Lebenserwartung von 46 Jahren garantierte damals das auf 65 Jahren festgesetzte Pensionsalter, dass die Renten die Budgets des Auszahlers kaum belasteten. Die Zeiten haben sich geändert: 2012 gibt es mehr Europäer über 60 Jahren als im Erwerbsleben, und bis 2020 sind ein Drittel der Europäer 65 Jahre oder älter. Würde man sich nach dem früheren Anspruch richten, müsste das Pensionsalter heute bei 86 Jahren liegen, rechnet Baeyens vor.
Projekte für jeden Tag nötig
Ob die Verlängerung des Erwerbslebens durchführbar ist, wird auf dem EHFG am morgigen Samstag intensiv diskutiert. Zu den Skeptiern zählt die bulgarische EU-Parlamentarierin Antonyia Parvanova. Sie bezweifelt, dass längeres Arbeiten den drohenden Arbeitskräftemangel mancher Branchen ausgleichen kann. „Bisher sind wir immer früher in Pension gegangen. Ältere Arbeitnehmer machen in Europa 40 Prozent aller Arbeitskräfte aus, in den USA 59 Prozent und in Japan 66 Prozent. Fraglich ist, ob wir genug Arbeitsplätze für arbeitswillige Senioren bieten können und ob die Sozialsysteme darauf vorbereitet sind.“
Im Hintergrund dieser Überlegungen steht die Herausforderung, den oft verlorenen Anschluss älterer Menschen in der Gesellschaft wieder herzustellen. „Frühpensionierte haben häufiger Demenz, denn Einsamkeit und Langeweile zermürben. Alte Menschen brauchen bis zum Lebensende ein Projekt für den nächsten Tag, an das sie beim Einschlafen denken“, betont Baeyens. Attraktiv für Senioren sei auch das Ehrenamt, das jedoch meist die Einladung durch andere voraussetzt. Um derartige Erkenntnisse zu sammeln und auszuwerten, fordert der Gerontologe die Errichtung einer europäischen Forschungsstelle für Altersfragen.
Pensionsalter auf Tätigkeit abstimmen
Einig sind sich die Experten darin, dass sich die Möglichkeit des längeren Arbeitens positiv für die psychische und körperliche Gesundheit als auch für die soziale Einbindung der Senioren auswirken kann. EU-Kommissar Dalli bezeichnet sich selbst „trotz meiner 63 Jahre sehr dazu fähig, noch länger beruflich aktiv zu bleiben. Wenngleich ich keine 600 Meter mehr ohne Verschnaufpause laufen kann“. Eindeutig müsse man jedoch Menschen, die ihr Leben lang körperliche Schwerarbeit geleistet haben, Möglichkeiten früheren Aufhörens bieten als jenen mit sitzenden Tätigkeiten. Es gelte daher, flexible Lösungen anzustreben.
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