Als am 9. November 1989 die Mauer fiel und die Menschen aus Ostberlin ungläubig und freudetrunken durch die nach Jahrzehnten der Abriegelung geeinte Stadt zogen, da war Begeisterung,
Zustimmung und Unterstützung ganz besonders in den Vereinigten Staaten spürbar. Die Wiedervereinigung, dieses diplomatische Meisterstück der Bundesregierung von Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher, wäre ohne die tatkräftige und vertrauensvolle Unterstützung der USRegierung so nicht Wirklichkeit geworden. Aber das Mitfreuen und die Solidarität gab es auch bei Millionen von Amerikanern, die als GIs oder Familienangehörige Zeit in Deutschland verbracht hatten oder sich einfach über den Triumph der Freiheit freuten – einer Freiheit, die sie auch als die ihre verstanden.
Als am 11. September 2001 die Terroristen von Al Kaida mit gekaperten Flugzeugen in New York, Washington D.C. und Pennsylvania den schlimmsten Terroranschlag der Geschichte verübten, da gab es neben dem Schrecken, den die unauslöschlichen Bilder in uns allen hinterließen, in Deutschland auch eine große Welle der Empathie und der Solidarität. Mitgefühl mit und Nähe zu den Menschen in den Vereinigten Staaten und ganz besonders mit den so furchtbar heimgesuchten New Yorkern. Von der großen Solidaritätskundgebung am Brandenburger Tor, an die ich mich persönlich gut erinnere, bis zu unzähligen kleinen Zeichen deutsch-amerikanischer Freundschaft kam darin eine Verbundenheit zum Ausdruck, die in Jahrzehnten eines engen Bündnisses gewachsen war. Die Nato stellte erstmals in ihrer Geschichte den Bündnisfall fest. Deutsche Soldaten stehen seit jenem Herbst Seite an Seite mit Amerikanern und anderen Isaf-Partnern in Afghanistan, weil von dort aus die mörderischen Anschläge ihren Ausgang nahmen.
„9/11“ hat die Welt verändert. Nicht in allen Entscheidungen sind alle Alliierten seitdem einer Meinung gewesen. Aber alliiert zu sein heißt, sich in der Stunde der Not aufeinander verlassen zu können. Heute sind wir 10 Jahre in Afghanistan. Damit es nicht noch einmal 10 Jahre werden, ist es an der Zeit, den Afghanen die Sicherheitsverantwortung Schritt für Schritt, Provinz für Provinz zurückzugeben. Wir verfolgen im Bündnis eine gemeinsame Strategie, zu der neben der Übergabe der Sicherheitsverantwortung bis 2014 auch die Unterstützung der inneren Aussöhnung gehört, damit Afghanistan Frieden findet und nie wieder Rückzugsraum für Terroristen wird. Es bleibt unser Ziel, dass von 2014 an die Bundeswehr nicht mehr mit Kampftruppen in Afghanistan eingesetzt wird.
Die Verwundbarkeit unserer modernen Welt macht es notwendig, zwischen Freiheit und Sicherheit immer wieder neu abzuwägen. Wie wichtig es ist, die Waagschale nicht zu weit zu einer Seite zu neigen, haben wir gelernt, auch durch die kluge Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die ungebrochene Attraktivität der Idee der Freiheit, des Rechtes eines jeden Menschen auf die Entfaltung seiner Persönlichkeit, hat uns der „Arabische Frühling“ so unerwartet wie nachdrücklich vor Augen geführt. Die Ereignisse südlich des Mittelmeers sollten uns Mut machen, trotz der Herausforderungen nicht in unseren Überzeugungen irre zu werden und unseren gemeinsamen Werten und Idealen treu zu bleiben. Der Aufbruch der Menschen zu einer freiheitlicheren Ordnung zeigt uns, dass die Begegnung von Religionen und Lebensstilen nicht zwangsläufig zu einem Kampf der Kulturen führt.
Zehn Jahre nach dem 11. September leben wir in einer Welt im Umbruch. Eine neue Ordnung ist nur in Umrissen erkennbar. Neue Kraftzentren haben sich herauskristallisiert, mit Staaten und Gesellschaften, die aus ihrer wirtschaftlichen Dynamik einen Mitgestaltungsanspruch in der Weltpolitik ableiten. Neue, globale Probleme sind in den Vordergrund gerückt und verlangen nach global formulierten Antworten. Amerika und Europa können auch gemeinsam diese Lösungen nicht mehr vorformulieren und aushandeln. Wir brauchen neue Partnerschaften, um in den Vereinten Nationen, in den G20 und anderen Foren die Konsenssuche voranzubringen.
Eine kooperative Weltordnung ist nicht über Nacht zu entwickeln. Aber wenn wir sie als Deutsche mitgestalten wollen, dann kann uns das nur mit vereinten Kräften in einem geeinten Europa und in enger Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten gelingen. Das ist keine Frage von Dankbarkeit oder alter Verbundenheit. Es ist eine Frage gemeinsamer Überzeugungen und gemeinsamer Ziele, einer Werte- und Interessengemeinschaft. Bei allen Unterschieden verbindet uns das Ideal der offenen Gesellschaft und der freien Entfaltung des Einzelnen. In der amerikanischen Verfassung hat diese Idee mit dem „pursuit of happiness“ einen unvergleichlichen Ausdruck gefunden. Auch auf diese Idee zielten die Attentäter von 9/11. Heute ist sie lebendiger denn je. Das sollte uns Anlass zur Freude und zum Optimismus sein und der transatlantischen Partnerschaft Ansporn für eine gemeinsame Gestaltung der Zukunft.
Pressereferat Auswärtiges Amt