Kiel. „Kein Mensch kann verstehen, dass am gleichen Imbissstand für eine Currywurst 19 Prozent Mehrwertsteuer berechnet werden, wenn man sich zum Essen auf eine Bank setzt, aber nur sieben Prozent, wenn man im Stehen isst. Das ist eine Geschichte aus Absurdistan. Wir brauchen dringend einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz“, sagte Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard. Mit seiner Kritik reagierte Wiegard auf ein neues Urteil des Bundesfinanzhofs, in dem klar gestellt wird, wann nach derzeitiger Rechtslage der ermäßigte und wann der reguläre Mehrwertsteuersatz anzuwenden ist. Der Finanzminister tritt dafür ein, den ermäßigten Steuersatz abzuschaffen und dafür den regulären Steuersatz von 19 auf etwa 16 Prozent zu senken sowie für Bezieher niedriger Einkommen einen Ausgleich zu schaffen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs muss ein Imbissstandbesitzer sieben Prozent Mehrwertsteuer berechnen, wenn ein Kunde nur ein Ablagebrett benutzt und seine Currywurst im Stehen isst. Wenn aber auch ein Tisch und eine Bank aufgestellt sind und jemand dort seine Wurst verzehrt, dann werden 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. „Meine Finanzbeamten müssen sich also mit jedem Imbissbudenbesitzer darüber streiten, welcher Anteil seiner Kunden im Stehen und welcher Anteil im Sitzen gegessen hat. Und dann landen die Fälle auch noch bei den Gerichten. Das kostet Zeit und Geld und Nerven“, sagte Wiegard.
Der Finanzminister wies darauf hin, dass es im vergangenen Jahr in Schleswig-Holstein 89 Betriebsprüfungen bei Imbissständen gegeben habe. In fast allen Fällen sei es zu Auseinandersetzungen darüber gekommen, wie hoch der Anteil des Umsatzes mit ermäßigtem Steuersatz ist. „Nicht nur bei Imbissständen gibt es Streit. In vielen Fällen ist die Abgrenzung zwischen den Fällen mit ermäßigtem und mit regulärem Steuersatz schwierig. Das führt zu viel unnützer Arbeit bei den Steuerpflichtigen, in der Steuerverwaltung und bei den Gerichten. Wir müssen Schluss machen mit diesem Humbug“, forderte Wiegard.
„Die Ziele, mit denen der ermäßigte Steuersatz begründet wird, werden überhaupt nicht erreicht“, erklärte der Minister. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz führe zu einer Begünstigung im Volumen von 24 Milliarden Euro, die vorrangig besser Verdienenden zu Gute kämen. Die eigentliche Zielgruppe, die Bezieher niedriger Einkommen, profitierten davon aber nur im Umfang von 13 Prozent, also gut drei Milliarden Euro, so Wiegard. „87 Prozent oder 21 Milliarden Euro werden demnach fehlgeleitet. Die beabsichtigte Lenkungswirkung wird völlig verfehlt.“ Die Einführung eines einheitlichen Mehrwertsteuersatzes soll nach dem Konzept des Finanzministers einfließen in eine umfassende Reform des gesamten Steuerrechts. Dazu hat er Meilensteine für einen „Zukunftsplan Steuer“ entwickelt, der bis 2020 umgesetzt werden soll und das Steuerrecht einfacher, transparenter und gerechter macht.
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