Deutsches Kinderhilfswerk: Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss besser vor Kinderarmut schützen

Berlin, 16.12.19 – Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert Bund, Länder und Kommunen auf, insbesondere Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss besser vor Armut zu schützen…

Eine aktuelle Auswertung des Deutschen Kinderhilfswerkes von Daten des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) zeigt, dass die Armutsgefährdungsquote von Kindern aus Elternhäusern mit niedrigem Bildungsabschluss in Deutschland wesentlich höher (60,9 Prozent) ist als im EU-Durchschnitt (51,3 Prozent). Bei Eltern mit mittlerem oder hohem Bildungsabschluss hingegen ist das Verhältnis umgekehrt. Während in Deutschland 20,2 Prozent der Kinder von Eltern mit mittlerem Bildungsabschluss armutsgefährdet sind, liegt dieser Wert im EU-Durchschnitt bei 23,6 Prozent. Bei einem höheren Bildungsabschluss der Eltern liegen die Werte bei 6,1 Prozent in Deutschland und 8,3 Prozent im EU-Durchschnitt.

„Dass die Armutsgefährdungsquote bei Kindern, die in Haushalten mit einem niedrigen Bildungsabschluss der Eltern aufwachsen, deutlich höher liegt als in Haushalten mit hohem Bildungsabschluss der Eltern, überrascht uns kaum noch. Dass Deutschland aber bei der Kinderarmutsgefährdungsquote in Haushalten mit einem niedrigen Bildungsabschluss der Eltern so deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt, gibt Anlass zur Sorge. Hier sind uns EU-Länder wie Portugal, Dänemark, Luxemburg oder die Niederlande weit voraus. Natürlich ist es gut, dass Kinder in Haushalten mit mittlerem und hohem Bildungsabschluss der Eltern weniger häufig von Armut betroffen sind als der EU-Durchschnitt. Gleichzeitig zeigt sich aber auch sehr deutlich, dass die Kinderarmutsbekämpfung vorrangig in Familien mit einem niedrigen Bildungsabschluss der Eltern ansetzen muss. Das fängt an bei armutsfesten Löhnen und einer deutlichen Entlastung von Geringverdienenden bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, und geht über mehr bezahlbaren Wohnraum auch für Familien mit geringem Einkommen bis hin zu einer chancengerechteren Gestaltung des Bildungssystems“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Kinderarmut wirkt sich in vielen Bereichen des Alltags aus. Das sehen wir bei der Inanspruchnahme der Tafeln, bei der 30 Prozent der Kundinnen und Kunden Kinder und Jugendliche sind, und damit überproportional mehr als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung. Zu sehen ist dieser Zusammenhang auch beim Schulerfolg, der in Deutschland nach wie vor beträchtlich von der sozialen Herkunft abhängt. Das zeigt uns jede Pisa-Studie aufs Neue und aktuell sogar noch deutlicher als früher. Das Deutsche Kinderhilfswerk vermisst an vielen Stellen den politischen Willen, sich dem drängenden, strukturellen Problem der schlechten Bildungschancen gerade der von Armut betroffenen Kinder in Deutschland konsequent anzunehmen. Das bittere Problem der Bildungsbenachteiligung hängt Deutschland nun schon seit so vielen Jahren nach – Fortschritte aber sind kaum ersichtlich. Und das, obwohl Bildung als Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe und für den chancengerechten Zugang zur beruflichen Entwicklung nachweislich von entscheidender Bedeutung ist“, so Krüger weiter.

„Die Förderung armer Kinder und ihrer Familien sowie unbürokratische Zugänge zu armutsvermeidenden Leistungen gehören deshalb auf der Prioritätenliste ganz nach oben. Um Kinder und Familien mit den vorhandenen Hilfs- und Unterstützungsleistungen besser zu erreichen, sollte die Bundesregierung den Vorschlag der Familienministerkonferenz zur Einrichtung von Familienservicezentren aufgreifen, in denen Familien qualifiziert beraten werden und möglichst auch Leistungen beantragen können“, so Krüger.

Das Deutsche Kinderhilfswerk plädiert für eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut mit aufeinander abgestimmten Infrastruktur- und Geldleistungselementen, die interdisziplinär an verschiedensten Stellen ansetzt. Langfristig tritt das Deutsche Kinderhilfswerk für die Einführung einer bedarfsgerechten Kindergrundsicherung in Höhe von 628 Euro nach dem Modell des Bündnisses KINDERGRUNDSICHERUNG ein, die den bestehenden Familienlastenausgleich ablöst, bestehende kindbezogene Leistungen bündelt und das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Familie, der Familienform und dem bisherigen Unterstützungssystem bedarfsgerecht gewährleistet.

Aussagen: Uwe Kamp. Deutsches Kinderhilfswerk e. V.
Redaktion: Torben Gösch