Lahr, 26.02.19 – Unter dem Aktenzeichen VIII ZR 225/17 hat das höchste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof (BGH) einen Hinweisbeschluss zu einem Verfahren im VW Abgasskandal veröffentlicht…
Durch diesen Beschluss haben sich die Chancen der Geschädigten auf Schadensersatz gegen VW massiv erhöht und zwar nicht nur in Bezug auf den Kaufvertrag mit dem Händler, sondern auch auf Schadensersatz direkt gegen die Volkswagen AG. In diesem Beschluss stellt sich der BGH auf die Seite der Geschädigten. Der BGH stellt seine vorläufige Rechtsauffassung dar. Er geht davon aus, dass ein Fahrzeug, welches mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, einen Sachmangel aufweist. Außerdem kann die Nachlieferung eines neuen Fahrzeuges nicht mit dem Hinweis auf einen Modellwechsel abgewehrt werden. Der BGH nimmt ausführlich zu den Voraussetzungen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach dem europäischen Recht Stellung.
Es ist ein Paukenschlag aus Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof sah sich veranlasst, eine Stellungnahme zu dem Verfahren abzugeben, was ungewöhnlich ist. Unter Hinweis darauf, dass das Verfahren verglichen wurde, hob der Bundesgerichtshof den anberaumten Termin auf. Es gab eigentlich keinen Anlass mehr Stellung zu dem Verfahren zu nehmen.
Die Volkswagen AG behauptet nunmehr, dass dieser Hinweisbeschluss keinerlei Auswirkungen auf die Schadensersatzklagen gegenüber der Volkswagen AG haben. Auch für die Musterfeststellungsklage spiele der Beschluss keine Rolle.
Dem muss entschieden widersprochen werden. Zuletzt behauptete die Rechtsvorständin Hiltrud Werner der Volkswagen AG noch, es gebe weder Verluste noch Schäden und damit keine Rechtsgrundlage für eine Klage. Dieser Aussage sorgte für erhebliche Entrüstung. Sie ist vor dem Beschluss des BGH nicht mehr haltbar. In relativ neueren Schriftsätzen behauptet die Volkswagen AG weiterhin, dass kein Verstoß gegen EU-Recht vorliege und die Abschalteinrichtung nicht unzulässig sei. Auch dies ist vor dem Hintergrund des BGH Beschlusses nicht mehr haltbar. Der Volkswagen AG wurde durch den Beschluss des BGH eine zentrale Argumentationsgrundlage entzogen.
Die Feststellungen des Bundesgerichtshofs zu dem Sachmangel spielen eine zentrale Rolle sowohl in den einzelnen Schadensersatzklagen gegenüber VW als auch in der Musterfeststellungsklage.
So spielt beispielsweise der Sachmangel im Rahmen des Vermögensschadens bei § 823, 263 StGB eine große Rolle. Im Rahmen des Tatbestandes muss der Kläger nachweisen, dass ihm ein Vermögensschaden entstanden ist. VW bestreitet dies bis heute, weil es angeblich keinen Mangel gibt. Durch den Beschluss des BGH steht jetzt fest, dass die manipulierten Fahrzeuge mangelbehaftet sind. Der jeweilige Geschädigte hat dann einen Vermögensschaden. Er hat nämlich den vollen Kaufpreis für einen mangelfreien Pkw bezahlt und nur einen mangelhaften, manipulierten Pkw erhalten. Danach dem Bundesgerichtshof jedoch ein Mangel nunmehr feststeht, unterliegen die mangelhaften Fahrzeuge einem Makel. Ein mangelhaftes Fahrzeug wird von keinem Käufer gleichwertig behandelt, wie ein mangelfreies Fahrzeug. Der Schaden besteht also in dem Erwerb des mangelhaften Fahrzeugs. VW kann nicht mehr behaupten, dass den Geschädigten kein Schaden entstanden sei.
Weiterhin spielt die Feststellung des Mangels für die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB eine ganz erhebliche Rolle. VW hat bewusst veranlasst, dass massenweise mangelhafte Fahrzeuge verkauft werden. Dabei wurde bewusst in Kauf genommen, dass die Händler die Fahrzeuge verkaufen, ohne dass die Manipulation aufgedeckt wird. Verdeckt hat VW daher die Händler zu einem Vertragsbruch verleitet, ohne dass diese es wussten. Sie wurden für die Machenschaften von VW missbraucht. Dies ist grob sittenwidrig und verpflichtet die Volkswagen AG daher zum Schadensersatz. Auch diesbezüglich kann sich VW nicht mehr damit herausreden, dass die Fahrzeuge nicht mangelhaft seien und die Kläger keinen Schaden hätten.
Schlussendlich nimmt der Bundesgerichtshof zu den Voraussetzungen einer unzulässigen Abschalteinrichtung Stellung. Er geht davon aus, dass die Verwendung der betreffenden Software im Fahrzeug des Klägers unzulässig ist. Im Rahmen der Schadensersatzklagen gegen VW behauptet VW bis heute, dass es keinen Verstoß gegen EU-Recht gebe. Auch dem hat der Bundesgerichtshof nunmehr in aller Deutlichkeit eine Absage erteilt. Nach dem Beschluss des BGH steht fest, dass Normen des EU-Rechts verletzt wurden. Damit haben die Geschädigten sehr große Chancen, Schadensersatz zu erhalten.
Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH teilt mit: „Es ist durchaus verständlich, dass VW versucht, den Beschluss des BGH herunterzureden. Offensichtlich hat die Volkswagen AG mit einem solchen Hinweis nicht gerechnet. Deshalb hat sich die Volkswagen AG offensichtlich auch vorher aus dem Verfahren durch einen lukrativen Vergleich herausgekauft. Entgegen den öffentlichen Äußerungen von VW hat der Beschluss jedoch weichreichende Bedeutung für alle Klagen gegen die Volkswagen AG und gegen die Händler, egal ob es um Kaufrecht oder um deliktische Ansprüche geht. Die Chancen der Geschädigten haben sich durch den Beschluss massiv erhöht. Spätestens jetzt sollten alle Geschädigten die Chancen nutzen, VW zu verklagen. Die Ansprüche sind auch 2019 noch nicht verjährt und können bis Ende 2019 noch geltend gemacht werden.“
Aussender: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Redaktion: Torben Gösch