Starke Wirtschaft kein Garant für Glücksempfinden – Gleichgewicht zwischen sozialen Indikatoren sowie Materiellem wichtig

Zartes Pflänzchen: Geld allein macht nicht glücklich (Foto: pixelio.de, l-vista)

Moskau/Wien, 15.03.18 – Eine prosperierende Wirtschaft macht die Menschen nicht automatisch glücklicher, wie Forscher der russischen National Research University Higher School of Economics http://hse.ru herausgefunden haben. Bisher sind Experten davon ausgegangen, dass Lohnsteigerungen und besseren Lebensstandards aufgrund einer guten Konjunktur in hochentwickelten Ländern auch das Wohlbefinden der Menschen steigert…

Soziale Faktoren als Gradmesser

„Die Entfaltung des persönliches Glücks ist derzeit vor allem durch das ständige Vergleichen eingeschränkt“, sagt Mentaltrainerin Katharina Mühl http://glueckskompetenz.at gegenüber pressetext. „Dadurch, dass wir täglich das Gefühl bekommen, andere sind glücklicher, haben den besseren Job, machen interessantere Reisen, haben mehr Geld und so weiter, werden wir unzufriedener mit unserem eigenen Leben. Und mehr Konsum macht bekanntlich nicht glücklicher, sondern deckt nur unsere wahren Bedürfnisse und Ziele zu“, führt die Expertin aus.

Die Wissenschaftler beziehen sich unter anderem auf das „Negative Endogenous Growth“-Modell. Danach werden freie und allgemein verfügbare Güter allmählich durch teure Konsumgüter ersetzt. Die Forscher haben soziale Indikatoren identifiziert, die auf ein negatives Wirtschaftswachstum und somit auf Wirtschaftskrisen hinweisen. Konsumniveau, Qualität der sozialen Beziehungen, Partizipation an der Gesellschaftsbildung, Work-Life-Balance und das subjektive Wohlbefinden in Industrieländern rücken ins Zentrum der Analyse. „Ziel der Studie war es nun herauszufinden, wie sich diese Indikatoren im Laufe der Zeit verändert haben“, so Studienleiter Francesco Sarracino.

Eine in den USA durchgeführte Langzeitstudie aus den Jahren 1972 bis 2006 berichtete von einem Rückgang des subjektiven Wohlbefindens von Frauen im Vergleich zu Männern. Gleichzeitig stieg das Gehaltsniveau von Frauen in dieser Zeit merklich an. Die russischen Forscher verweisen nun auf das „Easterlin-Paradoxon“: Selbiges besagt, dass Zufriedenheit bis zu einem bestimmten Punkt mit durchschnittlichem Einkommen steigt. Folglich seien es besonders Menschen mit niedrigem Einkommen, die Glück mit steigendem Gehalt gleichsetzen und somit für einen Anstieg des subjektiven Wohlbefindens in der Gesellschaft sorgen. Würden diese Menschen nun in die gut verdienende Gesellschaftsschicht aufsteigen, schwöre dies ein Herabsinken des Wohlbefindens herauf.

Die Mischung machts am Ende aus

Dem Forscher-Teams zufolge ist ein Gleichgewicht zwischen guten sozialen Indikatoren und materiellen Dingen Voraussetzung für subjektives Wohlempfinden. Erstgenannte seien jedoch in den USA seit Jahren stark rückläufig. „Stattdessen konnten wir einen Anstieg derer ausmachen, die es für sehr wichtig erachten, viel Geld oder einen gut bezahlten Job zu haben: Allein zwischen 1970 und 1990 stieg ihr Anteil um knapp 50 Prozent“, unterstreicht Sarracino.

Heutige Volkswirtschaften bräuchten Reformen, schließen die Ökonomen: „Hohe wirtschaftliche Produktivität kann deshalb signalisieren, dass manche Wirtschaftssysteme nicht mit dem subjektiven Wohlbefinden der Bürger und grundlegenden menschlichen Bedürfnissen vereinbar sind“, folgert Sarracino. Dies lasse sich als ein Grund für deren Empfänglichkeit für Krisen annehmen.

„Wirtschaftswachstum hat prinzipiell auch einen förderlichen Einfluss auf unser Glück, durch mehr und sichere Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für alle“, sagt auch Mentaltrainerin Mühl. „Meine Erfahrung ist, dass in Unternehmen auch langsam ein Umdenken stattfindet. Schritt für Schritt erhält das Glück auch in der Wirtschaftswelt Einzug. Denn glückliche Mitarbeiter sind produktive Mitarbeiter. Arbeitszeit ist Lebenszeit und umgekehrt. Und unser persönliches Glück wirkt sich positiv auf unseren Arbeitserfolg aus. Unternehmen beginnen das zu verstehen. Doch hier stehen wir erst ganz am Anfang.“

Aussender: pressetext, Wolfgang Rudloff
Redaktion: Torben Gösch