– Geplante große Koalition will Klimaschutz über die Klinge springen lassen: Nach Aufgabe des Klimazieles 2020 sind auch weitere gesteckte Ziele unglaubwürdig
– Sondierer verweigern sich der Umsetzung geltenden Rechts bei der Luftreinhaltung und wollen Kumpanei mit den Autokonzernen weiter fortsetzen – Keine Wende hin zu einer naturnahen Landwirtschaft absehbar
Berlin, 12.01.18 – Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bewertet die Ergebnisse der heute Vormittag abgeschlossenen Sondierungsgespräche zwischen CDU, SPD und CSU aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes als mangelhaft…
Für die DUH drohen unter einer vierten großen Koalition weitere vier Jahre Stillstand beim Natur- und Umweltschutz. Mit den formulierten Willensbekundungen werde weder das Klima geschützt noch eine saubere Luft garantiert.
Als geradezu schockierend bewertet die DUH, dass das von den beiden Vorgängerregierungen gesetzte Klimaziel einer vierzigprozentigen Treibhausgasreduktion bis 2020 faktisch aufgegeben wird. Das Klimaziel 2020 soll nicht mehr fristgerecht, sondern nur noch „so schnell wie möglich“ erreicht werden. „Beim Klimaschutz verspielt Bundeskanzlerin Merkel ihre Glaubwürdigkeit. Noch im Wahlkampf hat sie vollmundig versprochen, Wege zu finden, um das 2020er-Ziel zu erreichen. Daraus ist nun ein schwammiges ’so schnell wie möglich‘ geworden. Wer soll Merkel eigentlich noch glauben, wenn sie heute das selbst gesteckte Klimaziel für 2020 aufkündigt und gleichzeitig das nächste Etappenziel für das Jahr 2030 verkündet, wenn sie schon längst nicht mehr im Amt sein wird“, kritisiert Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer.
Deswegen fordert die DUH ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit konkreten Maßnahmen, das den Einstieg in den Kohleausstieg, den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und verstärkte Anstrengungen zur Energieeinsparung bei Gebäuden vorsieht. Auch müssen sich CDU, SPD und CSU auf ambitionierte und verbindliche CO2-Reduktionsziele für alle Sektoren einigen.
Auch mit der neu vorgeschlagenen Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ wird der dringend notwendige Einstieg in den Kohleausstieg auf die lange Bank geschoben. Mit dem weitgehend offenen Prüfauftrag für die Kommission werden alle politisch entscheidenden Fragen wie der Zeitpunkt der Stilllegung der ältesten und schmutzigsten Braunkohlekraftwerke auf einen späteren Zeitpunkt vertagt. „Beim Kohleausstieg handelt die neue GroKo nach dem altbekannten Motto: Wenn Du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis“, so Müller-Kraenner.
Positiv bewertet die DUH die Ankündigung eines Klimaschutzgesetzes und die vorgesehene Sonderausschreibung zum Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Völlig unverständlich ist es, dass die große Koalition ihre Politik des Nicht-Handelns im Bereich Luftreinhaltung auch in der nächsten Legislaturperiode unbeirrt fortsetzen will. Damit wird die Gesundheit vieler hunderttausender Bürger aufs Spiel gesetzt, die täglich giftigen Dieselabgasen ausgesetzt sind. Deutschland droht von der EU-Kommission am 25.1.2018 vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen anhaltender Überschreitung der NO2-Luftqualitätswerte verklagt zu werden, da die Regierung sich weigert, Diesel-Fahrverbote auszusprechen. SPD, CDU und CSU setzen damit unbeirrt die aus den Konzernzentralen von BMW, Daimler und Volkswagen diktierte Dieselförderpolitik durch und verweigern den Menschen die ihnen zustehende „Saubere Luft“ in ihren Städten.
Die DUH fordert anstelle unwirksamer Software-Nachrüstungen die Festschreibung technischer Nachrüstungen für alle neun Millionen Euro 5+6 Diesel-Pkw auf Kosten der Hersteller. Nur so kann ein weiterer Wertverlust bzw. Einfahrtverbote in ca. 60 deutsche Städte noch in 2018 verhindert werden.
„Von der sich abzeichnenden neuen GroKo erwartet die DUH ein klares Bekenntnis, dass noch in 2018 die NO2-Luftqualitätsgrenzwerte in allen Städten erfüllt werden“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Die von der sich abzeichnenden großen Koalition geplanten Vorhaben in den Bereichen Naturschutz und Landwirtschaft stehen im eklatanten Widerspruch zueinander. Müller-Kraenner: „Das schizophrene Nebeneinander zwischen einem Umweltministerium, das sich ohne die nötigen rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten für den Naturschutz einsetzt sowie einer Landwirtschaftspolitik, die alle Anstrengungen gegen das Artensterben im Keim erstickt, muss überwunden werden.“
Die DUH fordert den Einstieg in eine naturnahe Landwirtschaft. „Es reicht nicht aus, nur das Totalherbizid Glyphosat durch andere Pflanzengifte zu ersetzen, sondern wir brauchen ein umfassendes Pestizidreduktionsprogramm, das dem flächendeckenden Rückgang von Insekten und Brutvögeln entgegenwirkt“, so Müller-Kraenner weiter. Das momentan geltende Zulassungsverfahren für Pestizide durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) soll aus Sicht der DUH nur noch im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt (UBA) durchgeführt werden. Dazu gehört die Einführung einer Pflicht zur unabhängigen Umweltverträglichkeitsprüfung vor Zulassung.
Auch beim Düngerecht fordert die DUH einen neuen Anlauf, um die immer noch zu hohe Stickstoffbelastung in Böden und Trinkwasser zu reduzieren.
Aussender: Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf, Deutsche Umwelthilfe
Redaktion: Torben Gösch