KIEL. Bei den Fernwärmepreisen in Schleswig-Holstein sieht die Landeskartellbehörde für Energie deutlichen Verbesserungsbedarf, was Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Effizienz anbelangt. Dies geht aus dem Ergebnisbericht zur Strukturuntersuchung der schleswig-holsteinischen Fernwärmeversorgung hervor, der heute (13. Juni 2016) veröffentlicht wurde…
Zwar konnten keine flächendeckend missbräuchlich überhöhten Fernwärmepreise im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen festgestellt werden. Allerdings sprechen die bisher gewonnenen Erkenntnisse dafür, dass mögliche Potenziale zur Verbesserung der Effizienz der Fernwärmeversorgung nicht umgesetzt werden oder einzelne Unternehmen Gewinnmargen realisieren, die bei wirksamem Wettbewerb nicht möglich wären.
„Wir brauchen mehr Effizienz in der Fernwärmeversorgung. Die Preisgestaltung muss transparenter, nachvollziehbarer und verständlicher werden. Das ist im Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern“, sagte Energiewendeminister Robert Habeck. Er fordert den Bund auf, für eine dauerhafte Veröffentlichung der jeweils aktuellen Fernwärmepreise im Internet zu sorgen. Die Bundesverordnung müsse entsprechend überarbeitet werden, wie es auch das Bundeskartellamt gefordert habe.
Der Landeskartellbehörde lagen ganz oder teilweise auswertbare Daten von 40 Fernwärmeunternehmen im Land vor, die Privathaushalte (Einfamilien- und Zweifamilienhäuser) und Kleingewerbe sowie Wohnungsbaugesellschaften (Mehrfamilienhäuser) und industrielle Großverbraucher mit Wärme versorgen. Im Ergebnis schwankten die Wärmepreise in den untersuchten Jahren 2012 und 2013 zwischen etwa 6 und 16 Cent je Kilowattstunde.
Bandbreite der Fernwärmepreise
Zu den signifikanten Faktoren, die Einfluss auf die Höhe der Fernwärmepreise und -erlöse hatten, zählten vor allem die Kosten für den eingesetzten Brennstoff sowie die abgegebene Wärmemenge pro Netzkilometer.
Bei vielen anderen untersuchten Strukturmerkmalen war dagegen ein eindeutiger Zusammenhang nicht erkennbar. So konnte beispielsweise die vom Bundeskartellamt getroffene Feststellung, wonach größere Netzgebiete für den Verbraucher durchschnittlich kostengünstiger sind als kleine, für Schleswig-Holstein nicht pauschal bestätigt werden. Nur bei den sehr wenigen, sehr großen Netzen ab 100 Kilometer Länge trifft dies zu. Diese Preisunterschiede zwischen den Großnetzen und den kleinen und mittleren Netzen lassen sich jedoch eher auf die verwendeten Brennstoffe und nicht auf die Länge der Netze zurückführen.
Zu den Erkenntnissen der Landeskartellbehörde für Energie zählt ebenso, dass auch Netzgebiete mit grundsätzlich ähnlichen Strukturen (z.B. gelieferte Wärmemengen, Kundenanzahl, Netzlänge, Brennstoffart) eine große Preis- und Erlösspanne aufwiesen. Preise und Erlöse schwankten um teilweise mehr als 100 Prozent (siehe Abbildung oben) Selbst bei gleichzeitiger Berücksichtigung mehrerer Einflussfaktoren verblieb ein großer Anteil der Streuung, der durch die untersuchten Strukturmerkmale nicht erklärt werden konnte.
Weiteres Vorgehen der Landeskartellbehörde
In den nächsten Monaten wird die Landeskartellbehörde für Energie bei den Unternehmen die aktuellen Fernwärmepreise abfragen. Die Fälle, in denen die Preise dann den Mittelwert um mehr als 20 Prozent übersteigen, wird sie einer vertieften Prüfung unterziehen. Soweit sich dabei im Einzelfall Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht auf missbräuchlich überhöhte Preise ergeben, wird die Landeskartellbehörde gegebenenfalls Missbrauchsverfahren einleiten.
Die Landeskartellbehörde für Energie weist ausdrücklich darauf hin, dass auch bei Preisen und Erlösen oberhalb der genannten Aufgreifschwelle nicht automatisch von missbräuchlich überhöhten Preisen ausgegangen werden darf. Betroffenen Unternehmen ist die Gelegenheit einzuräumen, strukturelle Besonderheiten des Netzes sowie unternehmensindividuelle Umstände und Rahmenbedingungen darzulegen, die geeignet sind, solche Abweichungen von den Preisen und Erlösen anderer Unternehmen ganz oder teilweise zu rechtfertigen. Die Landeskartellbehörde für Energie hat sämtliche für das einzelne Unternehmen vor- und nachteilhaften Umstände in seine Bewertung einzubeziehen.
Den ausführlichen Ergebnisbericht hat die Landeskartellbehörde für Energie im Internet veröffentlicht. Er ist über folgenden Link abrufbar: http://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/E/energiewirtschaft/Downloads/fernwaermebericht.html
Hintergrund
Die Landeskartellbehörde für Energie ist im Referat für Energierecht und Energiepolitik des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume angesiedelt. Sie soll, dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zufolge, die soziale Marktwirtschaft auch für den Bereich der leitungsgebundenen Energieversorgung (Strom, Gas, Wärme) gewährleisten, indem sie gegen Wettbewerbsverstöße vorgeht.
Die Kartellbehörden (Bundeskartellamt, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Landeskartellbehörden) müssen beziehungsweise können auf Grundlage des GWB entsprechend ihrer Zuständigkeit auf verwaltungsrechtlicher Ebene gegen Unternehmen tätig werden, die gegen das GWB verstoßen. Das Bundeskartellamt ist in der Regel immer dann zuständig, wenn das wettbewerbsbeschränkende oder diskriminierende Verhalten über das Gebiet eines Landes hinausreicht. In den übrigen Fällen sind die Landeskartellbehörden zuständig.
In Deutschland unterliegen Strom- und Gaspreise keiner Genehmigungspflicht. Es gibt auch keine allgemeine nachträgliche Preiskontrolle. Gleiches gilt für Fernwärmepreise.
Die Kartellbehörden können aber auf Grundlage der so genannten „nachträglichen Missbrauchsaufsicht“ (§§ 19, 20 sowie für Strom und Gas ergänzend § 29 GWB) tätig werden und zwar dann, wenn ein Energieversorgungsunternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehat und ein begründeter Anfangsverdacht besteht, dass es diese Stellung ausnutzt, indem es zum Beispiel missbräuchlich hohe Preise von seinen Kunden verlangt.
Die nachträgliche Missbrauchsaufsicht GWB greift also nicht flächendeckend, sondern sie führt in einzelnen Verdachtsfällen von Amts wegen oder aufgrund von Hinweisen Dritter Kontrollen durch, um etwaige Verstöße gegen das GWB zu verfolgen. Ein Anspruch Dritter auf Einschreiten der Kartellbehörde besteht dabei nicht. Zur Überprüfung ganzer Sektoren steht den Kartellbehörden das Instrument der Sektoruntersuchung zur Verfügung; hierfür bedarf es keines Verdachts gegen ein bestimmtes Unternehmen.
Aussender: Nicola Kabel, Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (SH)
Redaktion: TG