KIEL. Tödliche Vergiftungen von Greifvögeln wie Seeadler, Rotmilan und Mäusebussard bereiten in Schleswig-Holstein zunehmend Sorgen. Das geht aus dem Jagd- und Artenschutzbericht 2015 hervor. „Das Ausmaß ist erschreckend, und es ist alles andere als eine Lappalie. Streng geschützte Greifvögel zu vergiften ist eine Straftat. Und es ist umso verwerflicher, als die Biodiversität ohnehin enorm leidet“, betonte heute (6. Januar 2016) Umweltminister Robert Habeck, der in Kiel den Bericht vorstellte.
In den Jahren 2008 bis 2015 wurden insgesamt 70 Proben insbesondere von Greifvogelarten untersucht. In 30 Fällen wurden tödliche Vergiftungen nachgewiesen, darunter bei neun Seeadlern, drei Rotmilanen und fünf Mäusebussarden. Bei den Giften handelte es sich in fast drei Viertel der Fälle um Stoffe, die in Deutschland und in der Regel auch der EU nicht angewendet werden dürfen.
„Es ist davon auszugehen, dass das reale Ausmaß größer ist, weil die untersuchten Tiere eher zufällig gefunden wurden. Wenn sich diese Befürchtung bewahrheitet, können die Auswirkungen bestandsbedrohend sein“, sagte Habeck. Er verwies insbesondere auf den Mäusebussard, bei dem die Bestände insgesamt dramatisch zurückgehen. So sank die Zahl der Brutpaare im Bereich Schleswig seit der Jahrestausendwende von mehr als 120 auf gegenwärtig nur 30 Paare.
Das Projekt zur Untersuchung von möglichen Vergiftungen war 2008 im Zusammenhang mit der Kieler Erklärung zum Schutz der Greifvögel in Schleswig-Holstein gestartet. Die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft für Schleswig-Holstein und Hamburg e.V. (OAG), der Landesjagdverband Schleswig-Holstein e.V. (LJV) und das MELUR hatten sie gemeinsam unterzeichnet, um den Umfang illegaler Greifvogelverfolgung zu ermitteln und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zu deren Eindämmung zu ergreifen.
Erfolg beim Artenschutz: Der Fischadler ist zurück
Insgesamt zeigt der neue Jagd- und Artenschutzbericht, wie die Artenvielfalt unter dem immer schneller fortschreitenden Wandel der Landschaft durch eine veränderte Agrarstruktur, Infrastrukturvorhaben, den Bau von Gewerbegebieten und durch die Versiegelung von Flächen leidet. Beispielhaft ist hier nach wie vor der Rückgang der Wiesenvogelpopulation sowie der Population der Schleiereulen. „Es gibt aber auch Erfolge im Artenschutz, vor allem dank des hohen ehrenamtlichen Engagements von Verbänden, Projektgruppen und des Landesjagdverbands. Ohne sie wäre Artenschutz nicht denkbar“, betonte Habeck.
Zeichen für einen solchen Erfolg ist die Rückkehr des Fischadlers: Erstmals nach 130 Jahren brütete 2014 und 2015 im Naturpark Lauenburgische Seen wieder ein Paar. Die Tiere zogen in beiden Jahren vermutlich je drei Jungvögel groß. Seit Jahren waren zwar immer wieder Fischadler in Schleswig-Holstein beobachtet worden, sie brüteten jedoch nicht. In einigen besonders geeigneten Regionen – z.B. im Kreis Herzogtum Lauenburg – wurden deshalb in potentiell geeigneten Brutbäumen durch die Projektgruppe Seeadlerschutz sowie den WWF Deutschland Nistplattformen installiert, um die Ansiedlung der Art zu begünstigen. Genau ein solcher Baum wurde nun durch das oben genannte Brutpaar gewählt.
Jagdstrecken: Weiterhin hohe Schalenwildbestände, Rückgänge beim Niederwild
Der Jagd- und Artenschutzbericht macht ebenfalls deutlich, dass die Schalenwildbestände weiterhin auf einem hohen Niveau sind. Beim Rotwild wurde bei den Jagdstrecken die Tausender-Marke erneut überschritten. Das Rotwild hat sich neue Lebensräume erobert; insbesondere im nördlichen Landesteil ist dies angesichts der Waldarmut der Region und des hohen Anteils junger, durch Wild gefährdeter Waldbestände und Wiederaufforstungsflächen nach den Stürmen nicht unproblematisch. Beim Schwarzwild wurden im Jagdjahr 2014/2015 mehr als 11.000 Exemplare erlegt, was eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Allerdings unterliegen Schwarzwildvorkommen einer starken natürlichen Dynamik. „Die Regulierung der Schalenwildbestände und insbesondere eine Reduzierung überhöhter Bestände bleiben eine Daueraufgabe für die Jägerschaft“, sagte Habeck.
Beim Niederwild waren erneut Rückgänge zu verzeichnen. Die Jagdstrecke für die Hasen sank auf nur noch rund 26.000 Hasen – zehn Jahre zuvor waren es doppelt so viele. „Insgesamt zeigt sich beim Niederwild, dass die Qualität der Lebensräume leidet und die Feldraine, Brachflächen und Tümpel verloren gehen“, sagte Habeck.
Wolfsmanagement in Schleswig-Holstein gestärkt
Ein weiterer Schwerpunkt des Jagd- und Artenschutzberichtes 2015 ist das Wolfsmanagement, das 2015 strukturell gestärkt wurde. So wird im Jahr 2016 erstmals ein eigener Haushaltstitel bereitgestellt, der jährlich 100.000 Euro bereigestellt zur Finanzierung des schleswig-holsteinischen Wolfsmonitorings vorsieht. Hintergrund ist, dass inzwischen häufiger Wölfe zumindest durch Schleswig streifen und dies alle Beteiligten stärker als bislang fordert. „Entsprechend haben wir das Management neu organisiert und den Runden Tisch wieder einberufen, um unter anderem neue Fragen, wie Gnadenschuss, Versicherungsfragen und Ausnahmegenehmigungen zu klären. Hier arbeiten wir intensiv an Lösungen“, sagte Habeck.
Seit 2013 wurden insgesamt 36.000 Euro als Entschädigung für Risse durch Wölfe gezahlt, allein 2015 waren es aufgrund eines Vorfalls größeren Ausmaßes 32.000 Euro. In den wenigsten Fällen von Nutztierrissen lässt sich aber ein Wolf als Verursacher nachweisen. So wurden 78 Schäden gemeldet, nur acht Mal war es nachweislich ein Wolf, 15 Mal ließ er sich nicht sicher ausschließen.
Der Jahresbericht 2015 – Jagd und Artenschutz kann telefonisch oder per e-Mail kostenlos angefordert werden. (0431/988-7146 oder Broschuere@melur.landsh.de). Er ist auch im Internet zu finden unter: http://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/V/Service/Broschueren/Broschueren_V/Umwelt/pdf/jagdArtenschutz2015.html
Aussender: Nicola Kabel, Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (SH)
Redaktion: TG