Foto: Andrea Schmidt 2012

Umweltminister Habeck entlässt junge Störe in die Elbe

GEESTHACHT / KIEL: Umwelt- und Fischereiminister Robert Habeck hat heute 250 junge Störe in die Elbe bei Geesthacht gesetzt. Die Aktion ist Teil eines groß angelegten Programms zur Wiederansiedlung des Europäischen Störs. Die ca. 25 Zentimeter langen und 30 Gramm schweren Fische müssen nun etwa 15 Jahre wachsen, ehe sie sich erstmalig selbst in freier Natur vermehren können.Foto: Andrea Schmidt 2012

Dabei werden sie lange Wanderungen unternehmen – zunächst elbabwärts bis weit in die Nordsee, um dort zu fressen. Später, als ausgewachsene Störe von annähernd zwei Metern Länge, werden sie die Elbe wieder aufsteigen und dort hoffentlich geeignete Laichplätze vorfinden.

„Die Menschen haben unglaublichen Raubbau an dieser faszinierenden Fischart betrieben“, sagte Umweltminister Habeck heute in Geesthacht. „Innerhalb von nur 30 Jahren haben sie es zwischen 1885 und 1915 fertig gebracht, durch Flussverbauung, industrielle Verschmutzung und exzessive Fischerei den Stör in der Elbe und auch anderswo nahezu auszulöschen.“ Dank der Initiative der „Gesellschaft zur Rettung des Störs“ und ihrer zahlreichen Mitstreiter und Unterstützer sollen die Störe in unseren Gewässern wieder heimisch werden. Dazu werden die Tiere künstlich vermehrt und die jungen Fische dann an geeigneten Stellen – u. a. in der Elbe – wieder in ihrem ursprünglichen Lebensraum angesiedelt.

„Bisherige Ergebnisse zeigen, dass die kleinen Störe in Elbe und Nordsee heute geeignete Bedingungen vorfinden und sich irgendwann wieder ohne menschliches Zutun vermehren werden“, sagte Habeck. Die heutige Besatzaktion in Geesthacht ist Teil eines langfristigen Programms, bei dem seit 2008 im gesamten Elbegebiet bisher ca. 17.500 junge Störe ausgewildert wurden. Das Programm wird federführend vom Leibnitz-Institut für Gewässerökologie Berlin (IGB) in Zusammenarbeit mit der „Gesellschaft zur Rettung des Störs“ organisiert.

Zum Hintergrund:

Störe sind die größten heimischen Süßwasserfische. Der Europäische Stör (Acipenser sturio) kann bis zu fünf Meter lang und viele hundert Kilogramm schwer werden. Außerdem werden diese Fische mit bis zu 100 Jahren außergewöhnlich alt. Den meisten Menschen dürften sie als Lieferant des echten Kaviars bekannt sein. Noch bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in Deutschland eine ausgeprägte Störfischerei, in Schleswig-Holstein neben der Elbe vor allem in den kleineren Nordseezuflüssen Eider und Stör. Durch drastische Veränderungen ihres Lebensraumes, vor allem durch Eindeichung und Sperrwerksbau, durch immense industrielle Verschmutzungen, aber auch durch starke Überfischung sind die Störbestände dann Anfang des 20. Jahrhunderts vollkommen zusammengebrochen. Einige Jahre tauchten noch Einzeltiere auf, bis die Art dann vor rund 50 Jahren in Deutschland gänzlich ausgestorben war.

Der einzige Restbestand der Störe hat sich bis heute nur noch im Gewässersystem der Gironde in Frankreich gehalten. Elterntiere dieses französischen Bestandes bildeten den Grundstock der heutigen Wiederansiedlungsmaßnahmen. Inzwischen werden große Laichstöre an verschiedenen Stellen in Deutschland gehalten und zur Nachzucht eingesetzt, und auch in Frankreich wird künstlicher Nachwuchs erbrütet.

Das Wiederansiedlungsprojekt gründet sich auf der Annahme, dass unsere Gewässer heute zumindest in Teilen wieder geeignete Lebensbedingungen für den Stör aufweisen. Wichtig sind dabei vor allem strömungsreiche Abschnitte mit kiesigem Grund als Laichplatz für die riesigen Störe. Da Störe Langdistanzwanderfische sind, spielt auch die freie Durchwanderbarkeit der Fließgewässer eine wichtige Rolle. Die Fischaufstiegshilfe in Geesthacht an der Elbe ist bislang die einzige dieser Art in Deutschland, die von großen ausgewachsenen Stören passiert werden kann.

Da Störe sehr langsam wachsen und erst mit rund fünfzehn Jahren die Geschlechtsreife erlangen, ist für das Vorhaben ein sehr langer Atem erforderlich. Mögliche Erfolge in Form einer natürlichen Vermehrung in der Elbe oder in anderen Flüssen sind daher erst nach Jahrzehnten zu erwarten. Solange muss der Natur durch Besatzmaßnahmen unter die Arme gegriffen werden.

Die Berufsfischerei soll von Anfang an in das Artenschutzprojekt eingebunden werden. Die Fischer fangen hin und wieder unabsichtlich Störe in Stellnetzen, Hamen oder auch im Rahmen der Krabbenfischerei im Wattenmeer. Da Störe sehr robust sind, können diese dann fast immer lebend zurückgesetzt werden. Indem die Fischer diese Fänge detailliert aufzeichnen und den verantwortlichen Behörden melden, tragen sie unverzichtbare Daten zum Wanderverhalten und zur Lebensraumnutzung zusammen, die dann wiederum zur Optimierung des Besatzprogramms beitragen können.

Schleswig-Holstein wird die Bemühungen zur Wiederansiedlung der Störe auch weiterhin unterstützen, z. B. mit Mitteln der Fischereiabgabe für die Besatzprogramme sowie ggf. im Rahmen einer länderübergreifenden Kooperation auch zur Laichfischhaltung.

Aussender: Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume
Kontakt: Nicola Kabel
Foto: Andrea Schmidt 2012
Redaktion: TG / Hallo-Holstein