Nach mehr als zwölf Jahren Haft ist der Hamburger Islamist Mohammed Haydar Zammar aus dem Zentralgefängnis in Aleppo freigekommen. Nach Informationen des NDR und der Süddeutschen Zeitung hält sich der Deutsch-Syrer offenbar in der umkämpften nordsyrischen Stadt auf. Der 52-Jährige war ein enger Vertrauter der Hamburger Gruppe um die Attentäter des 11.9.2001. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele erhofft sich von Zammar Aussagen über die Hamburger Zelle, aber auch über die Rolle deutscher Sicherheitsbehörden bei der Verschleppung des Islamisten nach Syrien.
„Von Zammar, hoffe ich, kann man noch eine ganze Menge erfahren über das, was damals gelaufen ist auch zwischen deutschen Geheimdiensten und den berüchtigten Geheimdiensten in Syrien, die ja ein richtiges Foltergefängnis unterhalten haben“, sagte Ströbele. Kritiker werfen den deutschen Sicherheitsbehörden vor, sich im Fall Zammar über rechtsstaatliche Grundsätze hinweggesetzt zu haben. Wie NDR und SZ aus dem Umfeld von Zammars Familie in Hamburg erfuhren, kam er im vergangenen Herbst durch einen Gefangenenaustausch frei.
Laut einem arabischen Internetportal erzwang die Islamistenmiliz „Ahrar ash-Sham“, die im syrischen Krieg gegen die Regierungstruppen von Machthaber Bashar al-Asad kämpft, seine Freilassung. Demnach sei Zammar zusammen mit fünf weiteren Islamisten gegen Offiziere der syrischen Regierungstruppen ausgetauscht worden.Nach den Anschlägen des 11. September 2001 leitete die
Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen Zammar wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ein. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft teilte auf Anfrage mit, die Vorwürfe gegen Zammar seien „verjährt“. Daher müsse er im Falle einer Rückkehr nach Deutschland „nicht mit einer Festnahme rechnen“.
Zammar war im Kindesalter mit seiner Familie von Syrien nach Deutschland gekommen. Er wandte sich dem gewaltbereiten Islamismus zu und reiste in den 90er-Jahren zu den Schlachtfeldern des Djihad in Bosnien und Afghanistan. Vergeblich versuchte der Verfassungsschutz, ihn als Informanten anzuwerben. In der Folge wurde er vom deutschen Geheimdienst beobachtet. Zammar kannte die „Hamburger Zelle“ um Mohammed Atta, die drei der vier Todespiloten bei den Anschlägen in New York und Washington beisteuerte. Zammar half Atta und seinen Komplizen bei ihren Reisen von Hamburg nach Afghanistan zu Osama bin Laden. In Afghanistan wurden sie von der al-Qaida-Spitze als Todespiloten für die geplanten Flugzeuganschläge ausgewählt. Zammars genaue Rolle in der „Hamburger Zelle“ ist noch unklar. Ende Oktober 2001 reiste Zammar von Hamburg nach Marokko aus. Dort wurde er von der US-amerikanischen CIA entführt und nach Syrien verschleppt. Die syrische Justiz verurteilte ihn zu zwölf Jahren Gefängnis wegen Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft. Beamte des Bundeskriminalamtes und des Bundesnachrichtendienstes reisten nach Syrien und vernahmen Zammar in Absprache mit den Behörden von Machthaber Bashar al-Asad. Zammars Entführung und die Vernehmungen Zammars durch deutsche Beamte in Syrien waren Gegenstand des Bundestag-Untersuchungsausschusses, der die Methoden im Kampf gegen den Terrorismus unter die Lupe nahm.
NDR Norddeutscher Rundfunk