Provo – Twitter scheint als Frühwarnsystem für die Selbstmord-Prävention geeignet, so Forscher der Brigham Young University (BYU) http://home.byu.edu . Denn die Zahl ominöser Tweets, deren Verfasser sich einem US-Bundesstaat zuordnen lassen, spiegelt die tatsächlichen Selbstmordraten in diesen Staaten wider. Das hat eine dreimonatige Studie ergeben, die Milionen Tweets nach offenen Selbstmord-Diskussionen und anderen relevanten Schlüsselwörtern durchforstet hat.
„In sozialen Medien sagen Kinder manchmal Dinge, die sie vor Erwachsenen oder Freunden nicht direkt aussprechen“, betont BYU-Informatiker Christophe Giraud-Carrier. Eben deshalb sind hier oft Hilfeschreie zu finden, die im Fall von Twitter meist öffentlich sichtbar sind. Doch auch andere soziale Medien will das BYU-Team nutzen, um beispielsweise Schulpsychologen bei der Selbstmordprävention zu unterstützen.
Wo es Kummer gibt, gibt es Tote
Forscher der Ohio State University http://osu.edu haben im Juni aufgeworfen, dass Social-Media-Postings oft Hilfeschreie sind (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/20130628003 ). Die BYU-Arbeit unterstreicht das nun – denn sie belegt, dass es dort, wo viele Postings auf Selbstmordgedanken hindeuten, letztlich auch viele Selbstmorde gibt. Dabei hat sich das Team zunutze gemacht, dass etwa 15 Prozent aller Tweets Standortinformationen umfassen, mit denen ihr Ursprung zumindest einem US-Bundesstaat zugeordnet werden kann.
So konnten die Forscher anhand von knapp 38.000 Tweets, die Selbstmord direkt ansprechen oder auf Kummer beispielsweise aufgrund von Mobbing hindeuten, 28.088 gefährdete Twitter-User identifiziert werden, bei denen klar ist, in welchem US-Staat sie leben. So zeigte sich, dass die Menge der beunruhigenden Tweets wirklich mit den regionalen Selbstmordraten korreliert – ein Indiz dafür, dass es sich um echte Hilferufe handelt und Twitter tatsächlich bei der Prävention helfen kann.
Experten sehen Prävention 2.0
„Twitter könnte nützlich sein, um manche der Aufgaben von Selbstmord-Hotlines zu übernehmen“, glaubt Michael Barnes, Gesundheitswissenschaftler an der BYU. Das hinge freilich davon ab, ob die Organisationen hinter solchen Hotlines Twitter wirklich entsprechend nutzen können und wollen. Jedenfalls ist das BYU-Team vom Präventions-Potenzial sozialer Medien auch über Twitter hinaus überzeugt.
So wollen die Forscher eine App für Schulen entwickeln, die – das Einverständnis der Schüler vorausgesetzt – deren Postings auf sozialen Netzen mitliest und auf Warnsignale hin analysiert. Stoßen die Algorithmen auf beunruhigende Inhalte, die auf Selbstmordgedanken hindeuten, soll die App entsprechende Berater an der Schule alarmieren, damit diese dann tätig werden.
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Thomas Pichler
Hilferuf am Computer: ist oft ernstzunehmen (Foto: pixelio.de, S. Hofschlaeger)