Hamburg – Im vergangenen Jahr wurden viermal mehr Zwischenfälle mit kontaminierter Kabinenluft in deutschen Passagierflugzeugen gemeldet als im Vorjahr. Dies geht aus der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion hervor, die dem Hörfunkprogramm NDR Info vorliegt. Im Jahr 2012 hat das Luftfahrtbundesamt 201 solcher Meldungen in der europäischen Datenbank für Luftfahrtzwischenfälle ECCAIRS erfasst. Im Jahr zuvor waren es 54, 2010 nur 22. Auch wurden nach Angaben des Verkehrsministeriums mehrere Fälle aus der Vergangenheit nachgemeldet. So gab es offenbar 2009 drei Zwischenfälle mehr als bisher bekannt. Bei ungefähr einem Viertel der erfassten Fälle war Ölgeruch wahrgenommen worden. Piloten, Flugbegleiter oder andere Betroffene können Ereignisse melden, von denen sie glauben, dass diese die Arbeitsplatzsicherheit oder die Flugsicherheit beeinträchtigen.
Erst im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass ein Airbus der deutschen Fluggesellschaft Germanwings 2010 beim Anflug auf den Köln/Bonner Flughafen nur knapp einer Katastrophe entgangen war. Beide Piloten waren offenbar durch Gift in der Kabinenluft nahezu handlungsunfähig. In der Folge gab es zahlreiche Presseberichte. Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums erklärte auf NDR Info: „Man kann davon ausgehen, dass die Berichterstattung dazu geführt hat, dass die Zahl der Meldungen gestiegen ist. Die Berichte haben das Flugpersonal sensibilisiert.“ Der Sprecher betonte jedoch, dass nicht die bloße Zahl der Meldungen entscheidend sei, sondern die Zahl der tatsächlichen Störungen, und die sei gering. Vom Luftfahrtbundesamt (LBA) waren 2012 acht so genannte schwere Störungen des Luftverkehrs wegen verunreinigter Kabinenluft gemeldet worden (2011: 5, 2010: 1). Weitere Meldungen gab es von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen in Braunschweig.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Tourismusexperte Markus Tressel monierte auf NDR Info, dass er mit jeder neuen Anfrage an die Bundesregierung neue, höhere Zahlen bekomme: „Ich glaube aber, dass wir noch weit von den realistischen Zahlen entfernt sind, weil es immer noch große Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Behörden gibt.“ Zudem gehe aus der Antwort der Bundesregierung hervor, dass manche Fluggesellschaften Zwischenfälle erst auf Nachfrage meldeten. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) warf er vor, im Zuge der Debatte über den Germanwings-Zwischenfall im vergangenen Jahr nur Ankündigungen gemacht, aber nicht gehandelt zu haben: „Das war eine reine Luftnummer von Ramsauer, der damals in einer sehr aufgeheizten Debatte in der Öffentlichkeit einen Punkt machen wollte. Fakt ist:
Ramsauer hat einen Brief an die EU geschrieben und danach nichts mehr unternommen.“
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) erklärte, man könne sich zu den neuen Zahlen noch nicht äußern. Man kenne sie noch gar nicht.
NDR Norddeutscher Rundfunk