Athen/Düsseldorf – Demokratiepolitisch gleicht die abrupte Schließung des griechischen öffentlichen Rundfunks ERT http://ert.gr (bereits offline) einer mittleren Katastrophe, sind sich Beobachter einig. Die Regierung begründet diesen Schritt mit dem hohen Spardruck. Das Aus bringt die Entlassung von 2.900 Angestellten mit sich. „Es gibt keine heiligen Kühe, wenn alle Griechen Opfer bringen müssen“, sagt ein Regierungssprecher. Die Radio- und Fernsehanstalten sollen jedoch „so schnell wie möglich“ wieder ihren Betrieb aufnehmen – mit deutlich weniger Personal und weniger Programmen.
Im Gespräch mit pressetext bezeichnet Chrsitian Schicha, Experte für Medienethik an der Media Design Hochschule http://mediadesign.de , diesen getätigten Schritt als „nicht akzeptablen Akt“. Es sei angesichts des Sparzwanges durchaus in Ordnung Arbeitsplätze im Bereich des öffentlichen Rundfunks abzubauen und Strukturen schlanker, wirtschaftlicher und effizienter zu machen, doch „diese radikale Maßnahme ist hochgradig abenteuerlich“, so Schicha. Schließlich gehe es hier um Grundfreiheiten.
Troika drängt zum Sparen
ERT verfügt über ein jährliches Budget von 205 Mio. Euro. Der Rundfunk gilt gemeinhin als verschwenderisch und überbesetzt. Das wird der Belegschaft nun zum Verhängnis. „Der Sender ist ein außerordentliches Beispiel für fehlende Transparenz und unglaubliche Ausgaben.“ Das werde nun ein Ende haben, erklärt der Regierungssprecher. Gut informierte Kreise sagen, die Entscheidung über die Schließung gehe direkt auf Premier Antonis Samaras zurück. In der Dreier-Koalition herrscht allerdings große Uneinigkeit in dieser Causa.
Die Vorschriften der Troika – bestehend aus EZB, IWF und der EU-Kommission – setzen Athen stark zu. Bis Ende des Jahres sollen 4.000 Beamte abgebaut und somit der Staatsapparat abgespeckt werden. Vor diesem Hintergrund ist auch die überraschende Stilllegung des öffentlichen Rundfunks zu sehen. Drei ausgestrahlte TV-Programme, sieben landesweit ausgestrahlte Radioprogramme sowie 19 Regionalradios sind in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch verstummt. Über das Internet und einen Privatsender der Kommunistischen Partei wird unterdessen versucht, das Programm aufrechtzuerhalten.
Kollegen zeigen sich solidarisch
Das betroffenen Personal hat angekündigt, sich gegen diese Entscheidung zur Wehr zu setzen. Die Angestelltengewerkschaft ebenfalls: „Selbst wenn sie die Demokratie zerstören wollen, gelten weiter die Gesetze, und ich werde dafür kämpfen“, sagt deren Präsident Pangiotis Kalfagianis, der eine Klage plant. Auch die Europäische Rundfunkunion verlangt von Athen, die Entscheidung „unverzüglich“ zurückzunehmen. Auch die privaten Konkurrenten in Griechenland selbst zeigen sich solidarisch.
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Sebastian Köberl
Akropolis: öffentlicher Rundfunk stillgelegt (Foto: pixelio.de/Manfred Walker)