Berlin -Bei der Akquise von Kunden soll die deutsche Nachrichtenagentur dapd http://dapd.de mit enormen politischen Druck gearbeitet haben. Das berichtet der Spiegel, der den Fall der nun insolventen Agentur analysiert hat. dapd-Eigner Martin Vorderwülbecke soll mit Klagen und Gesprächen auf höchster politischer Ebene versucht haben, neue Aufträge an Land zu ziehen. „Wir können diese Anschuldigungen nicht kommentieren, weil wir das laufende Insolvenzverfahren nicht beeinträchtigen wollen“, sagt dapd-Sprecher Tobias Lobe gegenüber pressetext.
Klage gegen Innenministerium
Die erst seit September 2010 bestehende dapd-Gruppe soll bei der Kundenakquise nicht einmal vor einem Streit mit dem deutschen Innenministerium http://bmi.bund.de zurückgescheut haben. Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wurde Klage gegen die Vergabe von Satellitenkapazitäten an die konkurrierende dpa http://dpa.com eingebracht. Nachdem der Auftrag im Wert von zwei Mio. Euro mit Innenminister Hans-Peter Friedrich erörtert wurde, kam die dapd-Geschäftsführung zum Schluss, dass man auf dem Markt keine Chance habe.
Ähnlich aggressiv ging die Nachrichtenagentur gegen das ZDF vor. Vorderwülbecke soll von ZDF-Intendant Thomas Bellut eine Verdoppelung des Agenturhonorars gefordert haben. Die beiden bisherigen Geschäftsführer haben mittlerweile ihre Ämter niedergelegt und die Agentur wird vom Insolvenzexperten Wolf von der Fecht geleitet. In den kommenden zwei Monaten will sich dieser „einen umfassenden Überblick über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaften verschaffen und prüfen, in welcher Form eine nachhaltige Fortführungsperspektive bestehen kann“.
Kritik von allen Seiten
Die fragwürdige Arbeitsweise der dapd soll auch der deutsche Bundestag thematisiert haben. In einem Papier mit dem Titel „Konzept zur Bedarfsermittlung für den Deutschen Bundestag“ ist von schlechter Mitarbeiterführung und ungleicher Bezahlung die Rede. Ein weiterer Kritikpunkt ist die „regimefreundliche Berichterstattung“ über Aserbaidschan während des Eurovision Song Contests.
Auch Journalisten üben heftige Kritik an der zweitgrößten Nachrichtenagentur Deutschlands. „Dabei haben sich die dapd-Gesellschafter benommen wie Rabauken aus den Untiefen des Manchester-Kapitalismus. Journalisten von der Konkurrenz weggekauft, als schon lange klar sein musste, dass die dapd in beträchtlicher finanzieller Schieflage sein musste“, urteilt Branchenkenner Christian Jakubetz in einem Gastkommentar für das Onlinemedium Newsroom.
299 Mitarbeiter betroffen
Die dpda-Gruppe beschäftigt rund 500 Mitarbeiter, von der Insolvenz sind 299 betroffen. Für den Zeitraum der vorläufigen Insolvenz sollen die Betroffenen Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit erhalten. Laut Angaben des Insolvenzbeauftragten soll die Nachrichtenproduktion „wie gewohnt“ weitergeführt werden.
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Peter Oslak
ZDF: dapd forderte Verdoppelung des Honorars (Foto: flickr.com/mrtopf)