Wiesbaden (ots) – Das von der Organisierten Kriminalität (OK) ausgehende Gefahrenpotenzial in Deutschland ist weiterhin hoch. So wurden im letzten Jahr 589 Ermittlungsverfahren (2010: 606 Ermittlungsverfahren) gegen die Organisierte Kriminalität registriert. Die Zahl der davon neu eingeleiteten Verfahren lag wie schon 2010 bei 318, in den übrigen Verfahren wurden bereits laufende Ermittlungen fortgeführt.
Tatverdächtige
Insgesamt wurden in den 589 OK-Verfahren 8.413 Tatverdächtige ermittelt, damit knapp 13 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Anteil der deutschen Tatverdächtigen lag mit 3.234 Tatverdächtigen (2010: 3.515 Tatver-dächtige) bei über 38 Prozent und bildete damit erneut den größten Anteil. Bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen führten türkische Staatsangehörige mit 977 Tatverdächtigen die Statistik an, gefolgt von italienischen mit 303, rumänischen mit 293 und libanesischen Staatsangehörigen mit 281 Tatverdächtigen.
Schaden
OK-Gruppierungen verursachten 2011 insgesamt einen ermittelten Schaden von 884 Millionen Euro (2010: 1,65 Milliarden Euro).
Gruppenstrukturen
Wie in den Vorjahren prägten deutsche und türkische OK-Gruppen maßgeblich die Organisierte Kriminalität in Deutschland. Deutsch dominierte Gruppen stellten mit rund 30 Prozent, 174 Gruppen (2010: 182 Gruppen) weiterhin den größten Anteil an den OK-Gruppen. Diese betätigten sich wie in den Vorjahren insbesondere im Rauschgifthandel und -schmuggel. Darüber hinaus spielte die Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben eine bedeutende Rolle.
Unverändert zum Vorjahr wurden in 57 OK-Verfahren Bezüge zur Rockerszene nachgewiesen. 24 dieser Verfahren wurden 2011 neu eingeleitet, in 33 Fällen wurden laufende Ermittlungsverfahren fortgeführt.
BKA-Präsident Jörg Ziercke: „Die unverändert hohe Anzahl von OK-Verfahren mit nachgewiesenen Bezügen zur Rockerszene verdeutlicht erneut die enge Verflechtung von kriminellen Rockergruppierungen und Organisierter Kriminalität. 2011 wurde damit wieder in fast jedem zehnten OK-Verfahren eine direkte Verbindung zu Rockergruppierungen oder zu OK-Gruppierungen mit Verbindungen zu Rockern festgestellt. Die intensive Bekämpfung der Rockerkriminalität leistet daher auch einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in Deutschland.“
An zweiter Stelle stehen die türkisch dominierten Gruppen, hier wurden 64 Gruppierungen registriert (2010: 75 Gruppierungen). Sie waren vor allem im Rauschgifthandel und -schmuggel, vorrangig mit Cannabis und Kokain, aber auch Heroin, aktiv.
Die Anzahl der italienisch dominierten Gruppen blieb mit 29 im Vergleich zum Vorjahr nahezu konstant (2010: 30 Gruppen). Der Schwerpunkt ihrer kriminellen Aktivitäten lag im Kokainhandel, gefolgt von Fällen der Fälschungskriminalität. Acht Verfahren richteten sich gegen Angehörige italienischer Mafia-Gruppen, davon sieben gegen Angehörige der ´Ndrangheta.
BKA-Präsident Jörg Ziercke: „Das Bundeskriminalamt hat Ermittlungen gegen ein in Deutschland wohnhaftes hochrangiges Mitglied der `Ndrangheta wegen der Zugehörigkeit zu einer ausländischen kriminellen Vereinigung geführt. Die Ermittler gewannen dabei zahlreiche Erkenntnisse über die innere Struktur der `Ndrangheta. Im März 2011 wurde der Hauptbeschuldigte in Deutschland festgenommen und an Italien ausgeliefert. Die italienische Justiz verurteilte den Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach Art der Mafia zu einer mehrjährigen Haftstrafe. Dies ist ein Erfolg, den wir der vertrauensvollen und engen Zusammenarbeit mit den italienischen Polizei- und Justizbehörden verdanken.“
Finanzermittlungen
Im Jahr 2011 wurden in 93 Prozent aller OK-Verfahren (547 Verfahren) Finanzermittlungen durchgeführt. In knapp 36 Prozent der Verfahren (209 Verfahren) fanden sich Hinweise auf Geldwäsche. In über einem Drittel der Verfahren ist es gelungen, kriminell erlangtes Vermögen abzuschöpfen.
Die höchsten Sicherungen wurden 2011 in Verfahren der Wirtschaftskriminalität (circa 54 Millionen Euro) sowie der Steuer- und Zolldelikte (circa 13 Millionen Euro) durchgeführt. Die höchste Einzelsicherung erfolgte in einem Verfahren im Bereich der Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben (Insolvenzdelikte) mit rund 17 Millionen Euro. Insgesamt konnten Vermögenswerte in Höhe von 85 Millionen Euro vorläufig gesichert werden.
Erträge
Erstmals wurden die im Zuge der Finanzermittlungen festgestellten und aus der Tat erlangten kriminellen Erträge der OK-Gruppen erfasst.
So registrierten die Ermittler in 289 Verfahren (49 Prozent) insgesamt 347 Millionen Euro. Dem gegenüber konnten in 300 Verfahren (51 Prozent) keine Erträge festgestellt werden. 50 Prozent der Gesamtsumme wurde in Verfahren der Wirtschaftskriminalität (rund 172 Millionen Euro), gefolgt von Steuer- und Zolldelikten mit 15 Prozent (51 Millionen Euro) sowie dem Rauschgifthandel und -schmuggel und der Eigentumskriminalität mit jeweils 12 Prozent (40 Millionen Euro) illegal erwirtschaftet. Höchster Einzelbetrag war die Summe von 28 Millionen Euro bei einem Anlagedelikt.
BKA-Präsident Jörg Ziercke: „Bei der Organisierten Kriminalität gibt es keine Entwarnung. Die Zahlen bewegen sich seit Jahren auf konstant hohem Niveau und zeigen ein Missverhältnis zwischen verursachten Schäden einerseits und den gesicherten Erträgen bei der Vermögensabschöpfung andererseits. Die Sicherheitsbehörden brauchen eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen, um bei der Vermögensabschöpfung effektiver zu werden. Wir wissen: Den Tätern der Organisierten Kriminalität geht es um Gewinnmaximierung außerhalb der Legalität und mit allen Mitteln. Unser Ziel bei der OK-Bekämpfung muss es daher sein, die Organisierte Kriminalität unrentabel zu machen und den Tätern ihren finanziellen Gewinn – die Früchte der Tat – zu entziehen.“
Kriminalitätsbereiche
Nach wie vor ist die Rauschgiftkriminalität das Hauptbeschäftigungsfeld der internationalen OK, in 2011 lag ihr Anteil bei fast 37 Prozent. Dabei ist der organisierte Drogenhandel gekennzeichnet durch netzwerkartige Verflechtungen bis hin zu hierarchisch straff aufgebauten Organisationen.
Die Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben hielt mit 87 Verfahren (2010: 88 Verfahren) wie im Vorjahr den zweiten Rang noch vor der Eigentumskriminalität. Umfasste die organisierte Wirtschaftskriminalität im Jahr 2011 nur einen Anteil von knapp 15 Prozent an den Verfahrenszahlen, produzierte sie dennoch rund 65 Prozent der OK-Schäden (576 Millionen Euro von insgesamt 884 Millionen Euro) sowie fast 50 Prozent aller ermittelten Erträge (rund 172 Millionen Euro). In über 80 Prozent der Verfahren agierten die Tätergruppen ausschließlich in diesem Deliktsbereich und wiesen damit einen hohen Spezialisierungsgrad auf. Auffällig hoch war hier der Anteil der deutsch dominierten OK-Gruppen mit einem neuen Höchststand von fast 50 Prozent.
Den drittgrößten Anteil an den OK-Verfahren hatte mit rund 13 Prozent (77 Verfahren) die Eigentumskriminalität. Im Vordergrund standen Kfz-Diebstähle, dabei wurden vorrangig Fahrzeuge in Deutschland und/oder Italien entwendet und nach Polen oder Litauen gebracht.
Die Bedeutung von Cybercrime bei Ermittlungsverfahren der Organisierten Kriminalität ist auch 2011 mit 9 Verfahren im Vergleich zu 2010 (4 Verfahren) gestiegen. Im Deliktsfeld Cybercrime waren überwiegend russisch dominierte OK-Gruppen von Bedeutung. In 7 der 9 Verfahren agierten die Täter deliktsspezifisch, was für einen hohen Spezialisierungsgrad spricht.
Mit 13 Verfahren (2010: 7 Verfahren) gab es auch eine Steigerung bei der Zahlungskartenkriminalität. Sie wurde überwiegend von rumänischen OK-Gruppen dominiert.
Weitere Einzelheiten finden Sie im Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2011 auf der BKA-Homepage auf www.bka.de unter „Berichte und Statistiken / Kriminalitätslage“.
Bundeskriminalamt