Toronto/Vancouver – Kaum beachtet und dennoch von enormer globaler Bedeutung sind die Entwicklungen am Mackenzie. Der mit 1.800 Kilometern längste Fluss Kanadas wird in jüngsten Jahren zunehmend für Wasserkraft, Gasbohrungen und Ölsand-Förderungen genutzt, was jedoch deutliche Spuren hinterlässt. „Im nördlichen Teil des Mackenzie verläuft der Klimawandel heute dreimal schneller als im restlichen Kanada“, warnt Bob Sandford, Experte für Wasserpolitik aus Alberta, im pressetext-Interview.
Klimaanlage des Planeten
Fachleute und Politiker widmen sich ab dem morgigen Mittwoch beim Rosenberg International Forum on Water Policy http://rosenberg.ucanr.org der Zukunft des Mackenzie. Die Dimensionen von seinem Einzugsgebiet sind gewaltig: Mit 1,8 Mio. Quadratkilometern ist es dreimal größer als Frankreich, zudem spült der Strom 10,3 Mio. Liter Wasser pro Sekunde und über 100 Mio. Tonnen Sedimente pro Jahr in den Arktischen Ozean. Bereits dadurch hat er hohe Bedeutung für das gesamte Nordpolarmeer, auf Kanada und Grönland ebenso wie auf Skandinavien und Sibirien.
Die Region spielt zudem auch eine Schlüsselrolle für das Klima bis weit jenseits der Grenzen Kanadas hinaus. „Das Mackenzie-Becken ist wie eine gigantischer Klimaanlage für die ganze Nordhalbkugel“, sagt Thomas S. Axworthy, Präsident und CEO der Gordon Foundation http://gordonfoundation.org , die das Forum veranstaltet, gegenüber pressetext. Entsprechend sensibel müsse man Veränderungen im Flusslauf registrieren und alle Eingriffe von unabhängiger Seite auf deren nachhaltige Wirkung überprüfen, so die Forderung der Forumsteilnehmer.
Natur und Infrastruktur in Gefahr
Veränderungen gibt es allerdings schon heute: Die Region bekommt immer mehr Niederschläge in Form von Regen ab anstelle von Schnee, der bisher für die Isolierung der Permafrostböden zuständig war. Liegen Letztere blank, erhöht das nicht nur die Abflussmenge, sondern sorgt auch für eine Erwärmung, infolge derer die im Boden gelagerten Vorräte an Methan – einem mächtigen Treibhausgas – freikommen können. Der Mackenzie könnte sich somit von einer Kohlenstoff-Senke zu einem -Emittenten verwandeln.
Die Natur reagiert bereits auf diese Entwicklung: Großflächig sterben Schwarzfichten-Wälder ab, berichtet Axworthy, während weiter nördlich Sträucher die bisher offene Tundra bedecken. Karibu und Moschusochsen finden weniger Grasland, Zugvögel ändern ihre Routen. Doch auch die vom Menschen benötigte Infrastruktur kommt mit den schmelzenden Böden äußerst schlecht zurecht: Immer öfter sind Kanalsysteme, Straßen, Gebäude und Pipelines beschädigt oder es kommt zu Überflutungen nahe der Flüsse.
Halbe-Bio.-Dollar-Frage
Angesichts der zunehmenden ökonomischen Ausbeutung und Umweltbelastung der Region soll nun ein Abkommen der kanadischen Bundesstaaten zum Land- und Wassermanagement ausgearbeitet werden. Auf dem Spiel steht viel: „Wenn man das Ökosystem mit seinen Ressourcen und Dienstleistungen bewerten würde, ergibt das 571 Mrd. Dollar pro Jahr – 59 Prozent davon allein durch die jährliche Kohlenstoff-Aufnahme der Wälder, Moore und Tundra“, unterstreicht Sandford.
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Johannes Pernsteiner
Mackenzie River: Strom mit globaler Bedeutung (Foto: Flickr/FortSimpsonCC)