Cairns/Karlsruhe – Das Ausweisen von Schutzgebieten in den Tropenwäldern reicht nicht, um das Artensterben zu verhindern. In jedem zweiten dieser Schutzgebiete, die in einer großen internationalen Studie untersucht wurden, sinkt die Artenzahl, teils in alarmierender Geschwindigkeit. Die Biodiversität blieb in den vergangenen 20 Jahren eher in jenen Gebieten bestehen, die vor Ort selbst einen besseren Schutz genießen, berichtet William F. Laurance von der James Cook University http://jcu.edu.au in der Zeitschrift „Nature“.
Von wegen unberührte Natur
Die Vorgangsweise des australischen Biologen war spektakulär: Er sammelte die Erfahrungen von 215 Wissenschaftlern aus aller Welt, die jeweils rund 20 Jahre insgesamt 60 Schutzgebiete in 36 tropischen Ländern Afrika, Asiens und Amerika beforscht hatten. Somit wurden Veränderungen der Populationsdichte von 31 Tier- und Pflanzenarten – vom Schmetterling, Raubkatzen und Primaten bis hin zu Bäumen – ermittelt, sowie die Folgen der massiven Abholzungen, der Monokulturen und Erosionen sowie des Klimawandels.
Bloß die Hälfte der untersuchten tropischen Schutzgebiete ist noch intakt, so das ernüchternde Ergebnis, während in der anderen Hälfte die Artenvielfalt bedrohlich abnimmt. Schutzgebiete funktionieren nicht isoliert, sondern stehen in regem Austausch mit ihrer Umgebung: Steigt der ökologische Druck um das geschützte Gebiet, erhöht das auch innerhalb des Reservats den Umweltstress und verändert dessen Gefüge und Qualität. Das ist oft der Fall: 85 Prozent der beforschten Schutzareale haben in den vergangenen drei Jahrzehnten weite Teile ihres Umgebungswaldes eingebüßt, während nur zwei Prozent einen Zuwachs verbuchten.
Zentrale Rolle der Politik
Eine der deutschen Studienautoren ist Gertrud Schaab. Die Geomatikerin von der Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft http://hs-karlsruhe.de untersuchte den Wandel von drei Waldgebieten Kenias und Ugandas seit 1900. „Während Klimawandel und Bevölkerungswachstum langsamer wirken, haben politische Entscheidungen wie etwa Holzeinschlag den größten kurzfristigen Einfluss auf Wälder und somit auch deren Biodiversität“, so die Forscherin im pressetext-Interview. Dieser Einfluss sei durchaus heterogen, kommen doch Tendenzen wie etwa die Waldfragmentierungen einzelnen Arten wie etwa Waldrand-Vögeln mitunter auch zugute.
Heute sind nur noch drei Prozent der Fläche Kenias Wälder. Ziel der Politik des Landes ist es, diesen Wert bis 2030 auf zehn Prozent zu erhöhen. „Konflikte sind vorprogrammiert, da neben dem intelligenten Aufforsten die fruchtbaren, bewohnten Gegenden in Betracht kommen“, berichtet Schaab. Gilt heute auch ein landesweites Verbot der Rodung von Wäldern, so werde dieses vor Wahlen immer wieder durch Versprechen von Lokalpolitikern aufgeweicht. „Chance auf positive ökologische Schritte hat die Politik oft erst dann, wenn sie die Anrainer ins Boot holt und für sie alternative Einkommensquellen schafft.“
Natur in Geldwert beziffern
Die Botschaft der Studienautoren ist entsprechend an die Politik gerichtet: Die Schutzgebiete der Tropen sollten wirksamer geschützt werden – und zwar rasch, da die Artenvielfalt in diesen Gebieten sonst für immer verschwindet. Ein möglicher Weg dorthin ist es, der Natur ökonomische Werte beizumessen. Keine einfache Lösung, betont Schaab: „Wasser, CO2 oder Holz lassen sich einfach mit Geldwerten beziffern, zahlreiche andere Dienstleistungen wie ästhetisches Landschaftsbild oder die traditionelle Bedeutung jedoch nur schwer. Jedenfalls hilft das Aufwiegen in Geld, um die Bedeutung des Waldes besser zu schätzen und seinen Reichtum klarzumachen.“
Studie online unter http://dx.doi.org/10.1038/nature11318 abrufbar
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Johannes Pernsteiner
Glasfrosch: Schutzgebiet kein Garant für Überleben (Foto: Flickr/Ron)